Promotionsverfahren brauchen mehr Sicherheit

Der Fall des ehemaligen Verteidigungsministers zu Guttenberg wirft die Frage auf, wie gut Doktorarbeiten – Dissertationen – in Deutschland geprüft werden. Möglicherweise gibt es in Nachbarländern längst andere Vorgehensweisen, die der deutschen Wissenschaft dienlich sein könnten. Was spricht dagegen, sie zu übernehmen?

Hierzulande wird eine Doktorarbeit nach dem Rigorosum oder Streitgespräch erst Monate oder auch Jahre später zur Veröffentlichung gebracht; und erst danach darf die akademische Bezeichnung geführt werden – siehe zum Verfahrensablauf: http://de.wikipedia.org/wiki/Promotion_(Doktor).

Geprüft, für gut befunden, danach zur Veröffentlichung freigegeben – diese Vorgehensweise führt dazu, dass jeder sich auf das Urteil der Gutachter verlässt. So entdeckte erst nach einigen Jahren ein Rezensent der Guttenberg-Arbeit deren Mängel…

Bei unseren Nachbarn in den Niederlanden hingegen muss die Dissertation üblicherweise vor der öffentlichen (!) Verteidigung der Arbeit publiziert und jedem zugänglich sein – und zwar mit hinreichendem zeitlichem Abstand vor der Defensio (Verteidigung).

Dies ermöglicht es jedermann, noch vor der feierlichen Verteidigung Fehler zu finden und zu beanstanden. Jeder Promovierte kann als Opponent für die mündliche Verteidigungssitzung zugelassen werden.

So erlebte ich selbst die Stufen bis zur Promotion und so sehen die Promotionsordnungen der niederländischen Universitäten den Ablauf in der Regel vor:

1. Der Promotor (“Doktorvater”) und i. d. R. ein zweiter Promotor, die beide den Prozess der Entstehung der Dissertation betreuend begleiten, prüfen nach Einreichung das Manuskript. Halten sie es noch nicht für doktorabel, geben sie es mit Empfehlungen an den Kandidaten zurück, ansonsten geben sie ein positives Votum ab.
2. Eine Manuskriptkommission wird vom Fachbereich zusammengestellt, zu der i. d. R. auch Professoren anderer Universitäten gehören. Hält die Kommission das Manuskript mehrheitlich noch nicht für doktorabel, gibt sie es mit Begründung zurück, ansonsten gibt sie ein positives Votum ab.
3. Aufgrund des positiven Votums der Manuskriptkommission gibt die Uni das Manuskript zur Publikation frei und die Arbeit ist für jedermann zugänglich zu veröffentlichen. Der Kandidat liefert i. d. R. einige Dutzend Pflichtexemplare bei der Univerwaltung ab, die die Publikation umgehend auch den anderen Universitäten im Lande zusendet.
4. Der Fachbereich stellt eine Promotionskommission zusammen, die i. d. R. auch mit Professoren anderer Universitäten besetzt wird. Promovierte Nichtprofessoren können ebenfalls in die Promotionskommission berufen werden. Dieser Kommission obliegt die mündliche Prüfung in Form der öffentlichen Defensio.

Die niederländische Vorgehensweise sichert vermutlich durch diesen gestuften Prozess erkennbar besser als das deutsche Prozedere die fachliche und wissenschaftliche Qualität bei der Erlangung des höchsten akademischen Grades.

Siehe auch: http://gertler.net/archives/1585


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