Das Jugendamt von Münster und die Westfälischen Nachrichten: Fürwahr, Qualitätsjournalismus!

Im September 2010 habe ich an einer Radtour von Rüsselsheim nach Stuttgart teilgenommen. Über die Mitfahrzentrale fand ich für die Rückfahrt einen Autofahrer, der nach Jever wollte. Er wartete auf dem Frankfurter Flughafen auf mich. Unterwegs stiegen Leute aus und ein. So auch in Münster. Eine Studentin wollte nach Wilhelmshaven, um ihre Eltern zu besuchen. Sie freute sich auf eine runde Geburtstagsfeier mit vielen Gästen.

Fiktives Gespräch

Diese Studentin ist am 9. Januar 2011 wieder in Wilhelmshaven, sitzt mit ihren Eltern am Frühstückstisch, erzählt: Ich habe gestern in den "Westfälischen Nachrichten" gelesen, dass wir einen Oberbürgermeisterkandidaten haben, der verwirrt sein soll.

Vater: Was erzählst du da denn?

Mutter: Geistig verwirrt? Wie heißt der denn?

Studentin: Tjaden. Seine Familie behauptet das.

Vater: Dann muss ja was dran sein. Hoffentlich wird der nicht Oberbürgermeister.

Fiktives Gespräch Ende

Seit Ende September 2010 kämpfe ich mit einer Mutter aus Costa Rica um die Rückkehr ihrer Kinder. Die Botschafterin des Landes hat sich eingeschaltet, die Großmutter schrieb einen Brief an das Oberlandesgericht von Hamm. Deswegen rief mich vor einigen Wochen ein Redakteur der "Westfälischen Nachrichten" an. Ich schilderte ihm kurz den Fall, er sagte: "Wenn das Jugendamt von Münster immer solche Maßstäbe anlegt, dann müsste auch ich meine Kinder loswerden." Anschließend besuchte er die Mutter in ihrer Wohnung.

Dann schien dieser Redakteur diese Geschichte wieder vergessen zu haben. Der Eindruck täuschte, gestern berichtete er. Schlagzeile: "Kampf ums Kind im Internet". Mit der Geschichte der Mutter hielt er sich nicht lange auf, zitierte kurz die Leiterin des Jugendamtes von Münster und widmete dann seine ganze Aufmerksamkeit meiner Person. Dabei bewies er einiges Geschick, auch meine Kandidatur als Oberbürgermeister vergaß er nicht in seiner Aneinanderreihung, die mit diesen beiden Sätzen endete: "In Wilhelmshaven gilt Tjaden als schrullig. In seiner eigenen Familie hält man den Blogger offenbar für ´etwas verwirrt´."

Vor dieser Veröffentlichung hätte mich dieser Redakteur besser noch einmal angerufen. Denn meine Familie kennt die "Westfälischen Nachrichten" gar nicht. Mein Bruder ist seit Monaten mit seiner Frau in Spanien, meine beiden Schwestern sind nie befragt worden. Meine Mutter ist ebenso ahnungslos.

Ich werde ihr heute Nachmittag behutsam beibringen, was eine Zeitung über mich geschrieben hat. Ansonsten habe ich einen Anwalt eingeschaltet. Sofort. Diese Behauptungen müssen gleich wieder aus der Welt geschafft werden.

Schrullig lasse ich mir noch gefallen, obwohl ich es für unwahrscheinlich halte, dass dieser Redakteur in Wilhelmshaven eine repräsentative Umfrage gemacht hat. Der macht lieber schmutzigen Journalismus, den ich nur widerlich finde.

Woher dieser Redakteur einige seiner Informationen bezogen hat, kann ich nur ahnen. Die Tatsache, dass ich Patenonkel der beiden Kinder bin, verdreht er in seinem Artikel auf gleiche Weise wie das Jugendamt, dass ich juristischer Beistand der Mutter vor dem Oberlandesgericht Hamm bin, verschweigt er. Statt dessen behauptet er - wie das Jugendamt von Münster - ich hätte da gleichsam einen Trick angewendet, weil mich das Familiengericht von Münster als Beistand abgelehnt hat.

Diese Ablehnung ist merkwürdig gewesen. Auch damit hätte sich dieser Redakteur beschäftigen können. Sie verstößt gegen jüngste Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes von Hamm.

Schnell geschmiert ist aber wohl leichter als gut recherchiert...

P. S. Die beiden letzten Sätze des Artikels sind inzwischen aus dem Netz wieder verschwunden. Und nun sammeln die "Westfälischen Nachrichten" alle Printexemplare der Samstags-Ausgabe wieder ein? Der Artikel umfasst eine halbe Zeitungsseite.

Der Fall auf http://kommissarinternet.blogspot.com


Über Heinz-Peter Tjaden