Premiere "Bartsch, Kindermörder" von Oliver Reese im Intecta-Kaufhaus Halle/S. - 09.10.2010

Der schauspielblog.de lädt ein:

"Bartsch, Kindermörder" von Oliver Reese
Eine Selbstdarstellung mit Texten aus den Briefen Jürgen Bartschs an Paul Moor
Ab 09.10.2010 bis Februar 2011 im Intecta - Kaufhaus in der Großen Ulrichstraße 23, 06108 in Halle/S.
Es Spielt Stephan Jurichs als Jürgen Bartsch.

Regie: Ferdinand Steiner
Bühne + Kostüm: Stephan Jurichs
Assistenz + Technik: Janek Zeitschel

weitere Info´s, Karten und alle Termine:
http://www.bartsch-inszenierung.de

ZUM STÜCK:
Karl-Heinz Sadrozinski wurde 1946 als nichteheliches Kind in Essen geboren. Seine leibliche Mutter Anna Sadrozinski verstarb kurz nach seiner Geburt an Tuberkulose. Die ersten Monate seines Lebens verbrachte er in der Obhut häufig überlasteter Krankenschwestern in einer Klinik. Einige Monate nach seiner Geburt kam Gertrud Bartsch, die Frau des wohlhabenden Essener Fleischers Gerhard Bartsch, in dasselbe Krankenhaus, um sich einer Totaloperation zu unterziehen. Die kinderlosen Eheleute nahmen das Waisenkind im Alter von elf Monaten zu sich. Gegen eine Adoption hatte das Jugendamt wegen der "zweifelhaften Herkunft des Kindes" zunächst Bedenken, so dass die Adoption erst sieben Jahre später im Jahr 1954 erfolgte. Der Junge wuchs bei seinen Pflege- und Adoptiveltern in Langenberg (heute Velbert-Langenberg) unter dem Namen Jürgen Bartsch heran. Er wurde von ihnen bis zum Schulanfang im sechsten Lebensjahr völlig isoliert von anderen Kindern gehalten, eingesperrt in einem Kellerraum mit vergitterten Fenstern und bei Kunstlicht, weil die Eltern befürchteten, er erführe draußen, dass er nicht ihr leibliches Kind sei.

Bartsch thematisierte gegenüber den Gutachtern und in seinen Briefen an Paul Moor vielfach die überraschenden Gewaltattacken und den peniblen Sauberkeitswahn seiner Adoptivmutter. Sie verbot ihm, sich schmutzig zu machen oder mit anderen Kindern zu spielen. Diese Zwänge blieben bis ins Erwachsenenalter bestehen – selbst mit 19 Jahren wurde er noch von seiner Adoptivmutter in der Badewanne gewaschen. Das Kind erlebte die Familienatmosphäre als eine empathielose Double-Bind-Situation, ähnlich wie der Täter Jürgen Bartsch seinen Opfern gegenüber empfand und handelte.

Im Alter von zehn Jahren kam Bartsch in ein Heim. Da es dort nach Meinung der Eltern nicht streng genug zuging, kam er am 14. Oktober 1958 stattdessen in das katholische Don-Bosco-Internat Marienhausen der Salesianer in Aulhausen/Rheingau, heute Stadtteil von Rüdesheim am Rhein. In dieser Zeit entdeckte er per Zufall, dass er adoptiert war. Bartsch erklärte später, dass er, als er mit Fieber das Bett hütete, von dem dortigen Erzieher Pater Pütz ("PaPü") sexuell missbraucht worden sei. Im Oktober 1960 floh er zweimal aus dem Heim, weil er es dort nicht mehr aushielt. Da ihn seine Eltern nach der ersten Flucht wieder zurückgebracht hatten, traute er sich nach der zweiten Flucht nicht mehr nach Hause. Er empfand seine Lage als ausweglos.

Als Kind musste er von klein auf lernen, die Absurditäten und Launen der Erzieher widerspruchslos und ohne Gefühle von Hass hinzunehmen. Mangels Kenntnis von Handlungsalternativen hielt er sich als Kind an alle auferlegten Verbote. Es gab in seinem jungen Leben niemanden, dem er sich hätte anvertrauen können, und so baute sich in seinem Unterbewusstsein ein beispielloser Aggressionsdruck auf. Er lernte nie, sich in Schwächere hineinzuversetzen, bzw. die Rücksichtnahme auf Schwächere. Als er älter und stärker wurde, verhielt er sich kleineren Jungen gegenüber ebenso dominant und gefühllos, wie er selbst von Erwachsenen behandelt worden war: Hier inszenierte er die Situation einer tiefen Demütigung, Bedrohung, Vernichtung der Würde, Entmachtung und Ängstigung eines kleinen Jungen, der er einst gewesen war. Es erregte ihn besonders, in die verängstigten, gefügigen, hilflosen Augen des Opfers zu blicken, in denen er sich selbst begegnete und mit dem er die Vernichtung seines Selbst in großer Erregung immer wieder durchspielte — diesmal nicht mehr als hilfloses Opfer, sondern als der mächtige Verfolger.

Bartsch gehörte zu den sadistisch geprägten, zu Gewalttaten neigenden Tätern, die auf Kinder fixiert sind. Im Jugendalter zeigte sich seine pädophile Neigung im katholischen Internat in Marienhausen. Dort stellte Jürgen Bartsch zum ersten Mal fest, dass er sich sexuell zu Knaben hingezogen fühlte. Psychologische Gutachten bestätigten, dass die pädosexuellen Neigungen des nach außen äußerst freundlich wirkenden Bartsch deutlich sadistische Züge trugen, er unter Paraphilien litt und seine Taten unter einem „unwiderstehlichen Drang“ ausgeführt hatte.

Im Juni 1961 wurden seine Neigungen der Polizei bekannt, nachdem er den Sohn des Langenberger Malermeisters B. in dem dortigen ehemaligen Luftschutzbunker im Ortsteil Oberbonsfeld, Heeger Str., sexuell attackiert und gequält hatte. Der Vorfall führte zu einer Anklage wegen Körperverletzung vor dem Wuppertaler Amtsgericht, die jedoch bald wieder eingestellt wurde.Gerade in dieser Zeit entwickelte Bartsch immer sadistischere Fantasien, die er nach und nach in die Tat umsetzte.

Bartsch überredete seine Opfer, ihn in den ehemaligen höhlenartigen Luftschutzbunker in Langenberg-Oberbonsfeld, Heeger Straße (heute Velbert-Langenberg) zu begleiten. Dort zwang er sie, sich zu entkleiden, und nahm sexuelle Handlungen an ihnen vor. Dann tötete er sie und zerstückelte die Leichen.

Am 18. Juni 1966 streifte Bartsch durch Wuppertal-Elberfeld, wo er ein weiteres Opfer, den 14-jährigen Peter Frese, traf. Im Luftschutzbunker zwang er den Knaben mit Schlägen und Fußtritten dazu, sich zu entkleiden. Er fesselte Peter Frese und versuchte, ihn zu vergewaltigen. Mit der Ankündigung, er werde bald zurückkommen und ihn töten, verließ Bartsch den Bunker. Peter Frese gelang es, die Fesseln mittels einer Kerze durchzusengen und zu fliehen.

Nach der Flucht des Jungen wurde eine polizeiliche Suchaktion nach dem Täter gestartet. Die Polizei fand im Bunker die Überreste der vier Opfer. Der 19-jährige Metzgergeselle Bartsch wurde durch Hinweise des Langenberger Malermeisters B. als Täter identifiziert und drei Tage nach der Tat, am 21. Juni 1966, durch die Polizei festgenommen.

Bartsch bekannte sich offen zu seinen Taten. Am 27. November 1967 begann der Prozess vor dem Landgericht Wuppertal unter großer Beachtung der Medien und der Öffentlichkeit, national wie international. Das Gericht betrachtete Bartsch als voll zurechnungsfähigen Erwachsenen und verurteilte ihn am 15. Dezember 1967 zu lebenslanger Zuchthausstrafe.

Im Jahr 1969 ließ der Bundesgerichtshof die Revision zu und hob dann im Revisionsverfahren das erstinstanzliche Urteil auf. Danach wurde der Fall vor der Jugendkammer des Düsseldorfer Landgerichts neu verhandelt. Der Münchner Anwalt Rolf Bossi übernahm die Verteidigung. In diesem Prozess ging es allein um die Frage, ob der Angeklagte für die Taten, die er umfassend gestanden hatte, verantwortlich sei. Am 6. April 1971 wurde das Urteil in zehn Jahre Jugendstrafe und eine Unterbringung in der Heil- und Pflegeanstalt Eickelborn umgewandelt. Dort heiratete Bartsch 1974 eine Schwesternhelferin aus Hannover.

Im Januar 1968 nahm der in Deutschland lebende amerikanische Journalist Paul Moor schriftlichen Kontakt zu Bartsch auf. In der Zeit bis April 1976 erhielt er 250 Briefe von ihm. Bartsch nahm die Gelegenheit wahr, sehr ausführlich aus seiner Lebensgeschichte zu erzählen. In Moor hatte er seinen ersten und einzigen verlässlichen und aufmerksamen Zuhörer, der mit Fragen nachhakte, wobei die Fragen häufig psychoanalytisch orientiert waren. Das dabei gesammelte Material verarbeitete Moor zu dem 1972 erschienenen und inzwischen vergriffenen Buch mit dem Titel „Das Selbstporträt des Jürgen Bartsch“.

Da er weiter von Schuldgefühlen und Mordfantasien begleitet wurde, schlugen Ärzte weitere Psychotherapien und eine Gehirnoperation vor. Um dem lebenslangen Aufenthalt in der Psychiatrie zu entgehen, beantragte Bartsch seine Kastration. Er wurde im Landeskrankenhaus Eickelborn operiert. Die Narkose erfolgte, wie 1976 an kleinen Krankenhäusern oftmals noch üblich, ohne Anästhesist unter der Verantwortung des Operateurs. Dabei wurde das Narkosemittel Halothan durch Verwendung eines dafür nicht geeigneten Methoxyfluran-Verdampfers zehnfach überdosiert, wodurch es zu einem tödlichen Kreislaufzusammenbruch Bartschs kam.


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