Gekaufte Republik Deutschland?

Wirtschaftskonzerne zahlen das Sommerfest im Schlosspark Bellevue

Der medienwirksame Rückzug des für die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko verantwortlichen BP-Konzerns aus dem Kreis der Sponsoren für das Sommerfest des Bundespräsidenten am vergangenen Freitag im Schlosspark Bellevue, das anlässlich des 20. Jahrestages der deutschen Einheit unter dem Motto „Freude – Veränderung – Zusammenhalt“ stattfand, hat ein Schlaglicht auf die Praxis der Finanzierung durch privatwirtschaftliche Unternehmen geworfen.

So kritisierte SPD-Chef Sigmar Gabriel vor dem Ausstieg von BP nicht nur die finanzielle Unterstützung durch den Mineralölkonzern, sondern stellte die Finanzierung des rund 1,8 Millionen Euro teuren Festes durch Sponsoren generell infrage. „Ein Land wie Deutschland sollte sich das Fest seines Staatsoberhauptes nicht von Sponsoren aus der Wirtschaft finanzieren lassen. Das können wir uns auch in Zeiten knapper Kassen nun wirklich leisten“, so der aus Goslar stammende Vorsitzende der Sozialdemokraten nach einem Bericht des Boulevardblattes „Bild“.

Gesponsert von Deutscher Bank, E.ON, Daimler

Nun ist der frühere Umweltminister sicherlich weder ein guter Ratgeber in Sachen Haushaltssolidität noch ein sonderlich überzeugender Kritiker des Politsponsorings, aber die Frage, die er aufwirft, ist durchaus berechtigt. Sollte sich das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland sein Sommerfest durch private Sponsoren oder lieber durch den Steuersäckel finanzieren lassen – zumal es eine eindeutige Vorschrift des Bundesinnenministeriums gibt, nach der Feste von Regierung und Präsidialamt generell nicht zu 100 Prozent von der Privatwirtschaft gesponsert werden dürfen. Die Finanzierung von Politveranstaltungen durch Firmen hinterlässt zu recht immer einen schalen Nachgeschmack, ob es sich dabei um Zuwendungen an Ministerpräsidenten, wie im Falle von Jürgen Rüttgers oder Stanislaw Tillich, oder in weitaus größerem Stil an den Bundespräsidenten handelt.

Nach Medienberichten sponserten insgesamt 18 Firmen die Sause im Park des Schlosses Bellevue. Neben dem Ölkonzern BP, der seinen Finanzierungsanteil nicht zurückgezogen haben soll, wurden die Kosten weitgehend vom Stromkonzern Vattenfall, dem Autoproduzenten Daimler, der Telekom, von Rewe, der Sparkasse, der Post, der AOK sowie dem Windkraftanlagenhersteller Repower beglichen. Genaue Informationen bekommt man stets nur rückwirkend, nämlich durch den Zweijahresbericht des Bundesinnenministeriums über Sponsoringleistungen an die Bundesverwaltung.

Schaut man sich den letzten Zweijahresbericht aus dem Jahr 2009 (Zeitraum 2007 – 2008) an, ist darin zu lesen: „Das Bundespräsidialamt erhielt insgesamt 132 Leistungen von Dritten. Es handelte sich um 98 Einzelleistungen über 5.000 € im Wert von 3.587.952 € und 34 Kleinleistungen (bis zu einem Wert von 5.000 €) von zusammen 88.300 €. Verwendungsschwerpunkt war die Unterstützung der Sommerfeste 2007 und 2008 sowie eines Ehrenpatenschaftstreffens des Bundespräsidenten im Jahr 2007.“ In der Anlage zu dem Bericht erfährt man schließlich nähere Angaben zu den Großsponsoren der präsidialen Partys.

So zeigte sich die AOK besonders generös und unterstützte den Festakt 2007 mit 85.000 und 2008 mit 75.000 Euro aus den Beiträgen der Solidargemeinschaft der Krankenversicherten. Der Elektrokonzern Sennheiser war 2007 mit 70.000 € und 2008 mit 56.000 € dabei. Auch die privatwirtschaftlich organisierte, aber in Staatsbesitz befindliche Deutsche Bahn ließ sich nicht lumpen und steuerte 2007 und 2008 jeweils 60.000 Euro bei. In gleicher Höhe sponserten die Bundesdruckerei, die Deutsche Bank, die Post, die Telekom, Daimler und REWE in beiden Jahren das sommerliche Fest.

Weitere Sponsoren waren unter anderem: Philips (2007: 60.000 €, 2008: 113.000 €), BMW (2007: 60.000 €), ThyssenKrupp (2007: 60.000 €), EADS (2007: 60.000 €), Dussmann (2007: 60.000 €), E.ON (2008: 60.000), Evonik Industries (2008: 60.000 €), Hamburg Mannheimer (2008: 60.000 €), Bosch (2008: 60.000 €), Hotel Adlon Kempinski (2007: 36.000 €, 2008: 55.000 €), Adolf Würth Gmbh & Co. KG (2007: 30.000 €), Bayer (2007: 30.000 €), DEGEWO (2007 & 2008: 30.000 €), Vattenfall (2007: 30.000 €), Air Berlin (2008: 30.000 €), Schweppes (2008: 27.000 €), Warsteiner (2007 & 2008: 24.000 €), Campari (2007: 29.000 €), Deutsches Weininstitut Gmbh (2007: 26.000 €, 2008: 25.000 €), Coca Cola (2007: 17.000 €), Bionade (2007: 17.000 €, 2008: 16.000 €) und Unilever (15.000 €).

Wirtschaft und Politik nicht getrennt

Doch nicht nur der Umstand, dass das Sommerfest des deutschen Staatsoberhauptes von der Privatwirtschaft finanziert wird, sondern auch die Art und Weise, wie die Ausrichtung der Festivität für fünf Jahre an die Berliner Eventagentur CB.e übertragen wurde, ist ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Mittlerweile hat sich sogar der Bundesrechnungshof eingeschaltet, der die Vergabepraxis ohne vorherige Ausschreibung auf den Prüfstand stellt.

So ist CB.e seit nunmehr drei Jahren mit der Durchführung des Präsidenten-Sommerfestes betraut, was auch die Akquise von Sponsoren umfasst. Im letzten Jahr bekam CB.e dann den Zuschlag, die Feier weitere fünf Jahre lang zu organisieren. Experten beziffern das Agenturhonorar für die Ausrichtung eines Festes dieser Größenordnung branchenüblich auf mindestens 180.000 Euro. Eine entsprechende Ausschreibung soll es nach einem Bericht des ARD-Magazins „Kontraste“ nicht gegeben haben. Dies wirft natürlich die Frage auf, über welche Kanäle entsprechende Vereinbarungen zustande gekommen sind.

Ebenso unzulässig ist nach Einschätzung des Berliner Verwaltungsrechtlers Prof. Dr. Ulrich Battis, dass die Eventagentur die Feier nicht nur ausrichtet und Sponsoren akquiriert, sondern ihrerseits selbst als Sponsor des Sommerfestes auftritt – bislang mit Beträgen von bis zu 75.000 Euro pro Jahr. Solche „Kickback-Geschäfte“, wie es im Fachjargon heißt, seien eine „unseriöse Praxis, an der sich das Bundespräsidialamt nicht beteiligen sollte“, so Battis.

Liest man sich durch, wie die Berliner Agentur ihr „Projekt“ im Park des Schlosses Bellevue beschreibt, fühlt man sich eher an eine kommerzielle Firmenkontakt-Messe oder eine Unternehmenspräsentation denn an ein hochoffizielles Fest des obersten Repräsentanten dieser Republik erinnert. So heißt es in dem Exposee von CB.e: „Das Fest soll zu einer Marke entwickelt, Inhalt mit Stil verbunden und das Sponsoringkonzept neu aufgesetzt, Künstler mit Blick auf ihr gesellschaftliches Engagement ausgewählt werden. Geschaffen wird ein architektonisch stilvoller Überbau: Der Schlosspark Bellevue wird mittels einer Parktopografie erschlossen und mit einer ganz in weiß gehaltenen Gestaltungslinie in seiner Würde hervorgehoben. Die Sponsoren werden mit ihren CSR-Referenzprojekten inhaltlich eingebunden und unter dem gestalterischen Konzept zusammengeführt.“ Der eigentliche Sinn des Sommerfestes, nämlich die Auszeichnung engagierter Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, gerät offenbar vollkommen ins Hintertreffen. Was für die Veranstalter zählt, ist der Kommerz, die öffentliche Zurschaustellung des Big Business in staatsoffiziellem Rahmen.

In den USA sieht der liberalkonservative Querdenker, Buchautor und Ex-Präsidentschaftskandidat Ron Paul schon seit geraumer Zeit eine unheilvolle Liaison zwischen big business und Big Government, also dem großen Geld und den Großen und Mächtigen der Politik, zum Nachteil des einfachen Volkes walten. Das alljährliche Sommerfest im Schlosspark Bellevue verdeutlicht, dass man nicht bis nach Amerika fahren muss, um das mehr als bedenkliche Nahverhältnis zwischen Großkapital und Politik zu beobachten.

Alexander Frisch


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