Alles aus einer Hand

Wie die Bertelsmann-Stiftung nicht nur die europäische Währungspolitik steuert

Die Bertelsmann-Stiftung drängt dieser Tage auf den „weiteren Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion“. Daran hat sich nichts geändert seit der weichenstellenden „Europäischen Währungskonferenz“ vom Mai 1989 im konzerneigenen „Parkhotel Gütersloh“, einem Tochterunternehmen der Bertelsmann AG.

In „Wohlfühlatmosphäre vom Feinsten in Gütersloh“, so die Werbung des Hotels, empfing damals Bertelsmann-Chefin Liz Mohn die Großen aus Politik und Wirtschaft, Außenminister Genscher ebenso wie Deutsche-Bank-Chef Herrhausen. Eingeschworen wurden die Teilnehmer der „Fachtagung“ auf die „Vollendung des Europäischen Währungssystems“. Zur Vorbereitung war – das ist typische Bertelsmann-Manier – ein „Gutachten“ in Auftrag gegeben worden, in dem „Kriterien und Organisationsformen für eine europäische Zentralbank“ dargelegt wurden. Knapp zwei Monate später war es soweit: Die EG-Staats- und Regierungschefs beschlossen am 26./27. Juni 1989 in Madrid, dass die 1. Stufe der Verwirklichung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juli 1990 beginnen sollte. Der Startschuss zum Euro!

„REFORMMOTOR“ MIT 331 MITARBEITERN

Das ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Bertelsmann-Stiftung „den Prozess der Integration Europas begleitet“ und sich als „Reformmotor“, so die Selbsteinschätzung, betätigt. 60 Millionen Euro will die Bertelsmann-Stiftung, die über 331 Mitarbeiter verfügt, im laufenden Jahr in ihre Lobbyarbeit stecken. Gerade kündigte die Stiftungsspitze um Liz Mohn „neue Programme zur Zukunft der Demokratie und der Sozialen Marktwirtschaft“ an.

Die Bertelsmann-Stiftung bildet den Kopf und hält den Löwenanteil eines weltumspannenden Medienkonzerns mit über 100.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von rund 20 Milliarden Euro pro Jahr. Wie keine andere „Denkfabrik“ und kein anderes politisches Netzwerk auf der Welt gibt die Stiftung die Richtung der Politik vor – in Deutschland und immer mehr auch in Europa insgesamt. Dependancen in Washington, Barcelona und Brüssel künden von der globalen Mission.

Permanent gedrängt wird auf eine immer stärkere Umgestaltung der Gesellschaft hin zu neoliberalen Ordnungsmustern, Globalisierung der Wirtschaft, Privatisierung staatlicher Aufgaben, Abbau staatlicher Fürsorgeleistungen zugunsten von „Eigenverantwortung“ des Einzelnen (Alterssicherung, Gesundheitsvorsorge, Ausbildungskosten etc.), gnadenlosem Wettbewerbsdenken, systematischer Klassifizierung („Ranking“) sämtlicher Staaten sowie Umgestaltung der EU zu einer nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch politischen und militärischen Großmacht, die weltweit operiert.

Die Macht des Bertelsmann-Medienkonzerns ist so groß, dass man die Stiftung am liebsten mit Samthandschuhen anfasst. Ein Beispiel: Längst ist bekannt und durch eine unabhängige Historikerkommission zweifelsfrei bewiesen, dass die vom Bertelsmann-Konzern ursprünglich sorgfältig gepflegte Mär, der Bertelsmann-Verlag sei im Dritten Reich aus politischen Gründen geschlossen worden, eine schlichte Erfindung war. Tatsächlich diente kein Verlag den Nationalsozialisten so sehr wie Bertelsmann. Und kein Verlag verdiente so viel wie Bertelsmann – mit Kriegspropaganda und mit Büchern völkischen und antisemitischen Inhalts sowie dem Druck von Millionen von Feldpostheften für die Wehrmacht.

„ZUVERLÄSSIG NATIONAL-SOZIALISTISCHE GESINNUNG“

Von der Schließung, die viele Verlage 1943 aus Gründen der Kriegswirtschaft ereilte, blieb Bertelsmann daher zunächst verschont, nachdem sich der linientreue Schriftsteller Will Vesper („Es steigt der Führer aus Volkes Mitte“) am 7. April 1943 beim Propagandaministerium für den Verlag verwendet hatte. Und zwar mit den Worten:

„Ich kenne den Verlag Bertelsmann seit Jahrzehnten als einen in jeder Beziehung vorbildlichen Verlag. In der echten Kameradschaft zwischen Betriebsführung und Gefolgschaft, in seiner sozialen Fürsorge für Angestellte und Arbeiter, im guten Treueverhältnis zu seinen Autoren, der echten Volkstümlichkeit seines Verlagswerkes, den vertrauensvollen Beziehungen zum gesamten deutschen Buchhandel, seiner echt deutschen und zuverlässig nationalsozialistischen Gesinnung ist mir der Verlag stets als ein deutscher Musterbetrieb erschienen.“

Die Schließungsverfügung vom August 1944 erging denn auch nicht aus politischen, sondern aus kriegswirtschaftlichen Gründen im Rahmen der „totalen Mobilisierung“. Gleichwohl wurde die Produktion sogar noch bis Anfang 1945 fortgeführt.

Doch als im Oktober 2009 Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn verstarb, berichteten Medien unisono: „Die Nazis schlossen 1944 den Verlag aus politischen Gründen.“

DIE BERTELSMANN-INSZENIERUNG

Was Liz Mohn und Tochter Brigitte zusammen mit ihren Funktionären in der Bertelsmann Stiftung inszenieren, die ungefragten Empfehlungen und Handreichungen zu allem und jedem – es wirkt zunächst manchmal eher lächerlich. Wenn da nicht die Medienmacht des Bertelsmann-Konzerns im Hintergrund stünde. Deswegen spielen alle Beteiligten mit, Liz Mohn gibt die ungekrönte Herrscherin und vor ihr verbeugt sich das Establishment.

1993 übereignete der damalige Firmenchef Reinhard Mohn 68,8 Prozent des Grundkapitals des Bertelsmann-Konzerns seiner 1977 eingerichteten Stiftung und machte sie damit zu einer der reichsten Stiftungen Deutschlands. Mit der Schenkung entzog er seinen Nachkommen den Großteil des Erbes, verschaffte sich einen großen Steuervorteil und verhinderte eine Veräußerung von Konzernteilen durch seine Erben.

Seit 2006 hält die Bertelsmann-Stiftung 76,9% (den Rest besitzt die Familie Mohn) an der Bertelsmann AG und ist somit die Haupteigentümerin ihrer Geldgeberin. Die Stiftung und die Familie Mohn haben ihre Stimmrechte an der Bertelsmann AG zu 100% auf die Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft übertragen, die von der Familie dominiert wird. Und da die Satzung der Stiftung festlegt, dass keine wichtigen Entscheidung gegen die Familie Mohn getroffen werden dürfen, sind Konzern wie Stiftung gleichermaßen bestimmt von den Mohn’schen Zielen und Leitsätzen.

Es gibt derzeit praktisch kein gesellschaftliches Feld, an dessen Umstrukturierung die Denkfabrik des Medienimperiums nicht mitarbeitet. Sie ist unter anderem in den Bereichen Arbeits- und Sozialpolitik, Bildungs- und Hochschulpolitik, Gesundheitspolitik und demografische Entwicklung, Außen- und Verteidigungspolitik präsent.

DIE BERTELSMANN-SPRACHE

Ein Credo der Bertelsmann-Chefin Liz Mohn: „Der anonyme Wohlfahrtsstaat hat ausgedient, an seine Stelle tritt der soziale Staat, der vom bürgerschaftlichen Engagement und vom solidarischen Verhalten aller lebt.“ Almosen statt Rechtsanspruch. Und wer durchs Raster fällt, hat Pech gehabt.

Dazu heißt es zutreffend auf der Internet-Seite www.bertelsmannkritik.de:

„Die Stiftung benutzt ‚solidarisch’ und andere positiv besetzte Begriffe für ihre unsozialen neoliberalen Reformen, um den Widerstand gegen diese gar nicht erst aufkommen zu lassen.“

In der Tat hat die Bertelsmann-Stiftung die Kunst, knallharte neoliberale Position in beschönigende, verbrämende und zum Teil völlig irreführende Begriffe zu verpacken, zu einer solchen Meisterschaft geführt, dass sogar die Gewerkschaften oft darauf hereingefallen sind. So haben sie beispielsweise den von der Bertelsmann-Stiftung propagierten „Umbau der öffentlichen Verwaltung“ unterstützt und erst viel zu spät gemerkt, was sich hinter Begriffen wie Solidarität, Flexibilität, Eigenverantwortung, dezentrale Strukturen oder Qualitätsmanagement in Wahrheit verbirgt – nämlich die kompromisslose wirtschaftliche Einwertung und Verwertung staatlicher Aufgaben mit weitestgehender Privatisierung, Verlust staatlicher Aufsichtsmöglichkeiten, Qualitätsreduzierung zugunsten Gewinnmaximierung, härtester Konkurrenzdruck unter allen Mitarbeitern, Abbau sozialer Errungenschaft etc.

Seit ihrer Gründung hat die Bertelsmann Stiftung nach eigenen Angaben insgesamt 868 Millionen Euro in ihre Projekte investiert. Sie betreibt dazu ein sogenanntes „Agenda-Setting“. Das heißt, sie besetzt Schlüsselthemen der Politik, erarbeitet dazu Konzepte, bringt diese Politikern und Meinungsführern nahe und dominiert so von Anbeginn an die Diskussion, wenn eine solche überhaupt aufkommt. Von Helmut Kohl über Gerhard Schröder bis hin zu Angela Merkel bedienten sich die Bundeskanzler sowie nahezu sämtliche führenden Politiker der Bundestagsparteien mit Ausnahme der Linkspartei der Konzeptions- und Denkarbeit der Bertelsmann-Stiftung.

STRENG „WISSENSCHAFTLICH“, VERSTEHT SICH

Die Konzepte werden nicht selten wissenschaftlich verbrämt, insbesondere durch das Centrum für Angewandte Politikforschung (CAP) der Universität München, das zu 50 Prozent von der Bertelsmann-Stiftung finanziert wird. Über Hintergrundgespräche, Expertenrunden, Konferenzen und Tagungen, eine Fülle von Publikationen und – ganz wichtig – persönliche Überzeugungs- und Vermittlungsarbeit ihrer Protagonisten, wie etwa des CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok, werden die Bertelsmann-Konzepte zur Politiklinie gemacht, ehe überhaupt eine Debatte darüber in einem Parlament hätte stattfinden können.

Wer sich fragt, woher die Hartz-IV-Reformen stammen, die immer weiter fortschreitende Privatisierung öffentlicher Unternehmen, die Rationalisierung an Schulen, der Umbau der Universitäten hin zu Dienstleistern, der Systemwechsel (Ökonomisierung und Ende der Solidarität) in der Krankenversorgung einschließlich der Privatisierung von Krankenhäusern, die Großmachtträume der EU einschließlich der schnellstmöglichen Durchführung der Osterweiterung, der Europäischen Verfassung (die jetzt über den Vertrag von Lissabon eingeführt wurde) und der zunehmenden militärischen Ausrichtung der EU sowie die permanente Propaganda für Kriege der Zukunft (Nibelungentreue zu Israel, Verteufelung des Iran, US-europäische Sicherheitspartnerschaft, Notwendigkeit militärischer Rohstoffsicherung, Konkurrenz gegenüber China etc.), bei der Bertelsmann-Stiftung wird er fündig.

Das Resultat dieser unter demokratischen Gesichtspunkten äußerst bedenklichen Machtkonzentration ist, dass der einzelne Bürger immer mehr das Gefühl hat, auf die wichtigen Fragen der Politik keinen Einfluss nehmen zu können, dass die Politik sich immer mehr über die Meinung der Bürger hinwegsetzt und verselbstständigt. Eine ungeheure Chuzpe verrät es daher, dass ausgerechnet die Bertelsmann-Stiftung ihren „Reinhard-Mohn-Preis“ 2011 dem Thema „Demokratie vitalisieren – politische Teilhabe stärken“ widmen will. Wessen Teilhabe, fragt sich da. Die Bertelsmänner ganz ungeniert: „Wir suchen nach einem Preisträger, dem es gelingt, die Distanz zwischen Politik und Bürgern zu verringern und neue Formen demokratischer Problemlösung zu etablieren.“

Dr. Petersen

Bild: Zum Bertelsmann-Konzern gehören unter anderem die RTL-Gruppe mit ihren 45 TV-Sendern und 32 Radiostationen in 11 Ländern, das weltgrößte Verlagshaus für englischsprachige Bücher „Random House“ mitsamt seinen 120 Subverlagen in 19 Ländern, Gruner+Jahr mit rund 500 Zeitschriften und Onlinemedien in 90 Ländern, Zeitungen wie die Financial Times Deutschland, das Vermarktungsunternehmen Direct Group und das Dienstleistungsunternehmen Arvato, das neuerdings auch für den Softwarekonzern Microsoft weltweit alle Rechnungen von Geschäftskunden verwaltet.

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