Florian Pasterny im Interview mit Uwe Boll zu Rampage und Darfur

Der deutsche Staregisseur Uwe Boll war bisher eher für seine Spielverfilmungen bekannt. Seine beiden neuen Filme beruhen nicht auf einem Videospiel und sollen ersten Kritiken zufolge sehr gut und sehenswert sein.

Rampage handelt von einem Amoklauf. Bill, der von seinem Leben frustriert ist, baut sich einen Ganzkörperanzug aus Kevlar, um dann wild um sich schießend durch die Strassen zu ziehen. Uwe Boll ist der richtige, um ein solch heikles Thema zu verfilmen. Boll versucht gesellschaftskritische Töne anzuschlagen, doch ohne in den Klamauk abzurutschen.

In Darfur handelt es sich um eine Gruppe Journalisten, die ein Dorf in Darfur besuchen und die Menschen interviewen wollen. Da tauchen die Dschandschawid auf und vertreiben die Journalisten um das Dorf in Schutt und Asche zu legen. Nun steckt die Gruppe im Dilemma. Einfach weiterfahren und später drüber berichten oder direkt vor Ort mit Waffengewalt helfen?

Florian Pasterny hat sich beide Filme im Original auf englisch angesehen und den Kultregisseur Uwe Boll in Köln getroffen.

Florian Pasterny: Ich habe gestern bei You Tube einen Trailer über Rampage gesehen und gedacht, typischer Amokfilm. Heute haben wir den Film gesehen und nun sagten Sie vorhin, gesellschaftskritisch soll er rüberkommen. Was ist daran Gesellschaftskritisch?

Uwe Boll: Der Film passt in unsere heutige Zeit, nach dem Motto: "Wenn ich rigoros bin, dann bin ich auch erfolgreich und wenn ich auf keinen Rücksicht nehme, dann komme ich damit auch davon." Unterm Strich ist das perfekte Verbrechen das, wo nur ich übrig bleibe und das Geld - und keine Zeugen und auch keine Videoaufnahmen von mir. Dann bin ich save.

Florian Pasterny: Warum musste man bei Rampage die Brutalität so hervorheben?

Uwe Boll: Ich finde es wichtig, dass man zeigt, da räumt einer ab. Man muss sehen, was das eigentlich auch bedeutet. Ich wollte den Amokläufer nicht nur Sympathisch darstellen, wie er ja eigentlich schon rüberkommt, sondern auch Unsympathisch, in dem er halt auch äußerst brutal zu Werke geht.

Florian Pasterny: Dadurch ergibt sich nun aber das Problem mit der FSK, der Freiwilligen Selbstkontrolle. Warum geht der deutsche Zuschauer anders aus den Film heraus, als vielleicht der Zuschauer in anderen Ländern?

Uwe Boll: Weil im synchronisierten, geschnittenen Film am Ende leider eingeblendet wird, dass der Amokläufer von der Polizei geschnappt und zum Tode verurteilt worden ist. Und das ist natürlich für mich scheisse, weil es die Message des Films total umkehrt, nach dem Motto: "Verbrechen zahlt sich nicht aus und so weiter". Aber meine Message ist ja genau die andere Seite, man muss es nur raffiniert genug machen, dann zahlt es sich aus.

Florian Pasterny: Gibt es schon Reaktionen zu Rampage?

Uwe Boll: Ja, im Ausland läuft er auf sehr vielen Festivals und letzte Woche war ich in Brüssel, da waren 800 Leute drin und die fanden den super. Ich glaube auch, dass viele Ausländer das gar nicht so eng nehmen. Da gibt es auch keine Zensur und die nehmen den Film so wie er ist. Warum soll man nicht mal einen zynischen Film drehen dürfen? Wo sind wir eigentlich, dass man überall die wachsweichgespülte Scheisse abliefern kann? Ich meine, es ist ja peinlich sich so ein Zeug wie "Kampf der Titanen" anzugucken, da muss man schon Gehirnamputiert sein - wenn man es jedenfalls gut findet am Schluss. Angucken tu ich mir auch alles.

Florian Pasterny: Bei ihrem Film "Siegburg" kam man aus dem Kino und war beklommen. Bei ihrem neuen Film "Darfur" bleibt man sitzen und denkt erstmal nach. Wie kommt es, dass Sie nun plötzlich Filme machen, wo man am Ende sitzt und nachdenkt, was habe ich da gerade gesehen?

Uwe Boll: Ich versuche Filme zu machen, die ich auch selber gut finde und wo ich sagen würde, mein Gott, der ist ja anders als ich gedacht habe, der spricht mich an oder führt mich zum weiterdenken. Bei Darfur ist man danach einfach sauer. Man ist sauer und sagt, wie kann so was möglich sein, dass so was wieder und wieder passiert und wir stoppen es nicht. Ich meine, wenn man dort mit 200 Helikoptern Patrouille fliegen würde, dann würden sich die Dschandschawid (Anm. d. Red.: bewaffnete Miliz in der Region Darfur) ins Hemd scheissen, würden abhauen und dann wären die Massaker beendet. Brad Pitt, Angelina Jolie, Matt Damon sammeln alle Geld ein für die Flüchlingscamps aber es wären ja überhaupt nicht 2,5 Millionen Leute in den Camps sondern gar keiner, wenn sie nicht weglaufen müssten. Das ist ein riesen Skandal. Aber es ist ein Skandal der aus den Medien komplett verschwunden ist. Das finde ich einen Witz. Genauso wie mein Rampage-Film. Ich denke, dass sich die meisten Leute in den letzten 1- 2 Jahren ziemlich verarscht vorkommen müssen, wenn es um die Finanzkrise geht. Man nimmt Geld der Steuerzahler um Banken zu retten, die dann aber mit dem Geld weiter ihre dubiosen Geschäfte betreiben und für Bonuszahlungen. Viele Leute fühlen das. Und wenn dann der Amokläufer am Schluss sagt, und das ist quasi der Kern des Rampage-Films "Wir sind zu viele auf der Welt - deswegen habe ich ein wenig geholfen" dann sehen wir was am Ende bei raus kommt. Und ehe ich hier in Köln verrecke, habe aber eine Waffe, dann räume ich erstmal eine Bank aus. Ich bin ja nicht blöd, wieso soll ich verrecken, wenn ich die Waffe habe. Und deswegen finde ich Rampage so gut. Der eine sagt: "finde ich geil" und der andere sagt: "ey das gibt es doch nicht, dass dieses Arschloch davon kommt". Und das wollte ich mit Rampage.

Florian Pasterny: Für welches Produkt bzw. welchen Film reißen Sie sich mehr auf? Rampage oder Darfur?

Uwe Boll: Ich sehe beides gleich. Obwohl Darfur eine Sache ist, wo ich denke, wenn Leute, die was zu sagen haben, diesen Film sehen und betroffen werden und sagen: "Hier müssen wir was machen und ändern" - dann muss ich sagen, ist Darfur der wichtigere Film. Ich bin auch froh, dass der Film in Amerika durch die Universitäten tingelt und dann die Professoren mit Politikern reden. Qualitativ tun sich die beiden Filme nichts. Ich finde beide gut, weil beide einfach sehr realitätsnah gemacht sind. Der Brendan Fletcher, der den Amokläufer spielt ist kein deut schlechter als die Schauspieler David O'Hara, Billy Zane, Kristanna Loken oder Edward Furlong bei Darfur.
Es sind eben Filme wo sich alle mit identifizieren können.

Florian Pasterny: Wenn ich die Gewalt bei Rampage und Darfur vergleiche, sehe ich mehr Gewalt bei Darfur. Ist es so, dass die Realität schlimmer ist als die Fiktion?

Uwe Boll: Auf jeden Fall. Als wir Vancouver (Kanada) das Screening (Anm. d. Red.: Vorführung) mit Amnesty International hatte, sagten die: “Das ist genau das, wie es ist - und das ist noch netter als wie es ist.”

Florian Pasterny: Woher kam die Idee? Sie haben ja gesagt, die Medien berichten nicht darüber und wir im Westen erfahren kaum etwas über Sudan, Ghana und Co. Woher also kam die Idee solch einen Film zu machen?

Uwe Boll: Es kann doch nicht sein, dass Hotel Ruanda gedreht worden ist, 5-6 Jahre nach dem Massaker und wird ein weltweiter Erfolg. Und über Darfur muss jetzt berichtet werden, weil es eben jetzt passiert - und da muss man jetzt was tun. Ich glaube, dass jetzt durch die neue Regierung, wenn das Thema kontinuierlich aufgearbeitet wird, etwas unternommen wird und die sagen, nun müssen wir was tun. Man muss doch auch mal lernen aus der Vergangenheit. Deswegen habe ich auch in den Abspann geschrieben, dass es genau das eben gezeigte wieder und wieder passiert. Und wenn dann andere sagen, “na und du hast doch auch Georgien usw.” ich sehe das anders. Dort haben beide Seiten Waffen und wenn sich beide ins Nirvana schießen, dann sollen die es tun. Aber hier ziehen irgendwelche Militärhorden durchs Land und bringen alle um. Das ist ja eine ganz andere Nummer.

Florian Pasterny: Sie haben nun quasi ein Problem. Sie haben auch aber nicht nur gelebt von schlechten Kritiken und Sie haben es genossen zu polarisieren. Jetzt auf einmal bekommen Sie durchweg gute Kritiken für das Drama Siegburg und nun auch für Rampage und Darfur im Vorfeld. Wie gehen Sie damit um?

Uwe Boll: (lacht) Schwerer Schock. Nein im ernst, erstens glaube ich, dass die Kritiken gar nicht so gut sind, dass wird sich ja auch erst noch herausstellen. Nun warten wir mal ab, was die Leute alle schreiben, die es nun in den Pressescreenings gesehen haben. Ich sehe aber auch, dass viele von den Topkritikern gar nicht da sind und es sich gar nicht ansehen …

Florian Pasterny: … aber zereissen es trotzdem …

Uwe Boll: … natürlich. Die werden sich dann schön passiv verhalten und wenn die Filme dann rauskommen, bekomme ich den Arsch aufgerissen. Die werden es total in die Gewaltverherrlichungsecke pushen.

Florian Pasterny: Schmeling Film (Anm. d. Red.: Uwe Boll drehte einen Film über den besten deutschen Boxer Max Schmeling. In den Hauptrollen u.a. Heino Ferch und Henry Maske) ist fertig läuft aber noch nicht. Warum nicht?

Uwe Boll: Ja weil wir zu lange brauchen bzw. daran arbeiten um den Release (Anm. d. Red.: Erscheinung) fertig zu bekommen. Man kann keinen Herny Maske als Hauptdarsteller haben und dann läuft der Film nur in 5 UCI Kinos. Man muss den in 250-300 Kinos bringen und der muss auch dementsprechend beworben werden. Und ich hoffe, dass das Budget peu a peu nach oben steigt.

Florian Pasterny: Letzte Frage. Was steht als nächstes an? Was sind die neuen Projekte?

Uwe Boll: “Bloodrayne 3: Drittes Reich” haben wir nun fertig, dann noch der Auschwitz Film. Aber der ist nicht ganz so einfach, er ist noch zu kurz Ich muss noch was anderes damit machen. Geplant sind zwei Sachen: Schwerter des Königs Teil 2 in 3-D, das wäre eine geile Sache und dann ein Film, wo der Darsteller durch den Börsencrash alles verliert, seine Frau, seinen Job und dann zurückschlägt - ähnlich wie Rampage.

Florian Pasterny: Weiterhin viel Erfolg und vielen Dank für das Interview.

AnhangGröße
89189031-90a02471801c05e3bd3ecf601e4e8358.4bcdf50a-scaled.jpg37.4 KB
20042010301.jpg80.7 KB
21.04.2010: | | | | | | | | |