Schwere Krise in der Eurozone

Zahlt Deutschland die Zeche?

Griechenlands Krise und die Gefahr, die daraus für die Stabilität des Euros erwächst, hat das Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 11. Februar in Brüssel beherrscht. Eine Lösung wird gesucht, die nicht nur die Griechen rettet, sondern auch verhindert, dass sich das Desaster auf andere Euroländer mit gravierenden Schuldenproblemen ausdehnt. Britische Zeitungen fassen diese Länder unter der Bezeichnung „PIIGS“ zusammen, nämlich Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien.

Aber was der neue ständige EU-Vertreter, der Belgier Herman Van Rompuy, nach dem Treffen den Medien zu berichten hatte, war kein konkreter Rettungsplan, sondern lediglich „politische Unterstützung“, verbunden mit der Aufforderung an Griechenland, seinen vorgelegten harten Sanierungsplan nun auch zügig umzusetzen. Der Plan sieht vor: Erhöhung des Pensionsalters (von 60 auf 63 Jahre), einen Lohnstopp im öffentlichen Dienst sowie Steuererhöhungen mit dem Ziel, das Haushaltsdefizit (knapp 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes) noch in diesem Jahr um 4 Prozentpunkte zu drücken.

ERBITTERTER WIDERSTAND

Derweil organisiert sich in Griechenland erbitterter Widerstand gegen den von der Regierung angekündigten rabiaten Sparkurs. „Gegen den arbeitnehmerfeindlichen Tsunami antworten wir mit Streik“, war auf Protestplakaten streikender Beschäftigter des öffentlichen Dienstes in Athen zu lesen. „Wir werden zeigen, dass sich eine breite europäische Gewerkschaftsbewegung gegen die globalen Marktkräfte stellt“, hat Giorgos Gavrilis, Vorstandsmitglied von Griechenlands größter Gewerkschaftsdachorganisation GSEE, der Netzausgabe des „Svenska Dagbladet (SvD)“ anvertraut. Der Streik am 11. Februar war die Generalprobe für einen auf den 24. Februar 2010 angesetzten Generalstreik, zu dem Gavrilis zwei Millionen Teilnehmer erwartet.

Costas Bakouris, Manager der Olympischen Spiele 2004 in Athen und jetzt Vorsitzender von „Transparency International“, sieht im Wesentlichen zwei Ursachen für die Krise seines Landes: Kreditfinanzierten Konsum und mangelnde Produktivität sowie Korruption unter Politikern. „Auch die Medien erfüllen ihre Aufgabe nicht“, meint er und beklagt, dass die Korrupten nicht bestraft werden. Das schade der Konkurrenzkraft des Landes ebenso wie seinen Staatsfinanzen und senke die Bereitschaft der Allgemeinheit, Steuern zu zahlen.

Von den „Menschen auf der Straße“ berichten schwedische Medienvertreter auf Fragen nach den persönlichen Auswirkungen der Krise auf sie und nach den Schuldigen dafür: „Viele weisen dabei auf die starke Zuwanderung und Flüchtlingsströme nach Griechenland hin. Man meint, man habe eine Million Immigranten bekommen, die ebenfalls nach Arbeitsplätzen und Ausbildung nachfragen. Einige sind sehr wütend darüber.“ Was die Frage nach den Schuldigen für die Krise anbelangt, „meinen fast alle Befragten, dass nicht sie Fehler gemacht hätten, sondern die Politiker, die Banken und die Berater der Politiker. Diese hätten sie in den Schlamassel hineingezogen“.

„Deshalb bezweifeln sie auch, dass sie dieselben Leute wieder aus der Krise führen können“, sondern setzen lieber auf die Hilfe durch die übrigen EU-Länder, „da diese befürchten, Griechenlands Krise könnte sich auf ganz Europa ausdehnen“.

WARUM SELBST SPAREN?

Mit der Einschätzung, dass finanzstarke EU-Staaten, allen voran Deutschland, am Ende für den kreditfinanzierten Konsum und die griechische Korruption zahlen werden, liegen die Griechen wohl nicht falsch. Aus zwei Gründen: Zum einen werden laut „Spiegel Online“ drei Viertel der griechischen Staatsverschuldung von Ausländern gehalten. Im Falle eines Staatsbankrotts – oder einer halbwegs geordneten Schuldenrestrukturierung – prellt man ja vor allem ausländische Anleger, nicht heimische Wähler. Warum soll man selbst sparen, bloß damit jemand anderswo sein Geld zurück bekommt?“ Zum anderen wird Deutschland – ungeachtet der No-Bail-Out-Klausel im Maastrichtvertrag – „für die Schulden gerade stehen, weil sonst eine Kettenreaktion von weiteren fiskalischen Zusammenbrüchen droht“.

Ganz anders dagegen Schweden. „Schweden wird Griechenland nicht retten“, titelte am 12. Februar 2010 die Netzausgabe des „Svenska Dagbladet“ und zitiert dabei Ministerpräsident Reinfeldt, der „nicht will, dass schwedische Steuergelder für einen Notkredit eingesetzt werden“. Schweden hält im September Reichstagswahlen ab. Das schwedische Volk ist bei Abstimmungen seinen Politikern immer wieder in die Parade gefahren, zuletzt bei seiner Ablehnung eines Beitritts Schwedens zum Euro. Diesem Umstand verdankt das Land seine komfortable Lage außerhalb der Turbulenzen in der Eurozone.

In Deutschland tun die maßgebenden Politiker und die „angepassten Medien“ (Scholl-Latour) wieder einmal so, als gäbe es zu ihrer Politik rigider Sparkurse zu Lasten der Arbeitnehmer und Rentner zur Sanierung von defizitären öffentlichen Haushalten keine Alternative. Mit einer Ausnahme: Ausgerechnet die neo-liberale „Welt“ stellt in ihrer Netzausgabe zutreffend fest: „Radikales Sparen führt zum politischen Tod“ und empfiehlt Griechenland stattdessen: „Zurück zur Drachme!“

DIE BESTE LÖSUNG

Der erste Schritt dazu wäre natürlich der Austritt aus der Währungsunion. Doch mit der nationalen Währung könnte das Land dann wieder abwerten und so seine internationale Preiswettbewerbsfähigkeit auf einen Schlag entscheidend verbessern. Die in Griechenland sehr bedeutende Tourismusbranche würde unmittelbar davon profitieren, weil „Urlaub in Griechenland“ wieder billiger wäre. Und anstatt politisch kaum durchsetzbarer Lohnsenkungen wäre die Senkung des Wechselkurses der Drachme praktisch und politisch unproblematisch.

Im Jahr 1992 sah sich Großbritannien gezwungen, aus dem damaligen Europäischen Wechselkurssystem auszuscheiden, weil das englische Pfund die ihm vorgegebene Schwankungsbreite nicht mehr einhalten konnte. Nachdem viel Geld zur Stützung des Pfundes verbraten worden war, nahm Großbritannien seine Währung aus dem System, ließ den Kurs flexibel und – zunächst – fallen und legte damit den Grundstein für einen in der Geschichte des Landes beispiellosen fünfzehnjährigen Wirtschaftsboom und Höhenflug des britischen Pfundes, die erst mit der aktuellen Finanzkrise ihr Ende gefunden haben.

Es ist unbestritten, dass auch die Abwertung der schwedischen Krone wesentlich dazu beigetragen hat, dass das Land schnell wieder aus seiner Wirtschafts- und Finanzkrise Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts herausgefunden hat. Beide Länder, Großbritannien und Schweden, haben daraus die Lehre gezogen und sich vom Abenteuer Euro ferngehalten. Es stellt sich die Frage, was noch alles geschehen muss, bis sich in Berlin die Einsicht Bahn bricht, dass die Abschaffung der stabilen und weltweit geschätzten Deutschen Mark die größte währungs- und wirtschaftspolitische Fehlleistung in der deutschen Nachkriegsgeschichte ist.

Gerhard Reiber


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