InSiTe - Wie gefährlich ist al-Qaida wirklich?

11. September 2001 - die meisten Menschen auf der Welt können sich erinnern, wo sie waren. Was sie gerade taten, als sie erfuhren, dass Terroristen drei entführte Flugzeuge in die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Centers und das Pentagon stürzen ließen, während ein viertes auf einem Feld zerschellte.

Woran erinnern Sie sich?

Der globale Terrorismus, wie ihn al-Qaida praktiziert, kennt keine einfach zu identifizierenden Ziele: eine dänische Botschaft in Pakistan, ein Nachtclub auf Bali, Vorortzüge in London und Madrid, Hochzeitsgesellschaften in Jordanien, eine Synagoge in Tunesien, eine britische Bank in Istanbul, eine Sauerland-Zelle in Deutschland, Hotels in Indien und Indonesien.

Seit dem 11. September 2001 haben die Vereinigten Staaten den „Globalen Krieg gegen Terror“ ausgerufen. Sie sind mit Unterstützung der Nato in Afghanistan einmarschiert und haben den Krieg im Irak begonnen.
Die CIA hat Terrorverdächtige auf der ganzen Welt in Gewahrsam genommen und nach Guantanamo Bay verbracht - auch solche, die nicht besonders verdächtig waren. Die öffentlichen Diskussionen hierzu sind bekannt.
Um sich zu schützen, haben westliche wie nicht-westliche Staaten viele neue Gesetze erlassen – wie zum Beispiel die Vorlage des neuen BKA – Gesetzes in Deutschland. Arabische Staaten schlossen fragwürdige Auslieferungsabkommen, um Terrorverdächtige hin- und herzuschieben.
Russland und China nutzen den „Krieg gegen den Terror“ auf ihre Weise und erklären die Tschetschenen oder die Uiguren zu potentiellen Terroristen.
Es ist davon auszugehen, dass al-Qaida weder besiegt noch durch militärische Aktionen in ihrer Handlungsfähigkeit oder Gefährlichkeit geschwächt worden ist. Unverändert gibt es keine eindeutige Bestimmbarkeit des Terrornetzwerkes, deren Anhänger oder über die Kaderorganisation. Die Führung der Gruppe ist unverändert aktiv und auf freiem Fuß. Sie hat es geschafft, den Irak in ein weltweites Modell für Terrorismus und Aufstand zu verwandeln, sie hat sich erfolgreich vom Irak nach Afghanistan und Westpakistan verlagert und an Kraft in Nordafrika hinzugewonnen, ebenso in Somalia und im Jemen. Es ist al-Qaida gelungen, radikale junge Muslime zu inspirieren, nach wie vor ist der Einsatz von Selbstmordattentätern die effektivste Waffe.

Ist die Organisation also stärker als vor acht Jahren?

In jedem Fall, weil sie immer noch hochmotiviert und mit Hilfe des Internets ihre Doktrin und Botschaften verbreiten und Unterstützung einfordern kann. Es ist bisher nicht gelungen, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie man diese hohe Motivation bekämpfen kann. Al-Qaida könnte, entweder selbst oder mit Hilfe von Verbündeten, Anschläge wie die des 11. September 2001 durchaus wiederholen, sogar mit größerem Effekt oder Ausmaß.

Die gegenwärtige Strategie des „Globalen Krieges gegen den Terrorismus“ basiert weitgehend auf operationeller Terrorabwehr, also: Fangen, Töten, Vereiteln von Anschlägen. Gruppen wie al-Qaida können sich von solchen Schlägen schnell erholen, ihre menschlichen und materiellen Verluste ausgleichen - und zurückschlagen. Durch verbesserte Geheimdienstarbeit und bessere operative Kapazitäten könnten Regierungen sowohl Unterstützerkreise als auch deren Infrastruktur angreifen – ob dadurch letztendlich das Problem gelöst wird, bleibt fraglich.

Peter Schoor
InSiTe – Innere Sicherheit und Terrorismus
ISBN 978-3-940063-16-8 ©2009