Bertelsmanns Weg und Wandel

Betrachtungen nach dem Tode Reinhard Mohns.

„Menschlichkeit gewinnt“, „Wir haben die Freiheit zum Handeln! Wir sollten sie nutzen!“, mit solchen Zitaten Reinhard Mohns bekundeten die Bertelsmann AG und die Bertelsmann Stiftung auf ganzseitigen Anzeigen ihre Trauer über den Tod des am 3. Oktober verstorbenen Firmenchefs und Stiftungsgründers. Fast 45 Jahre lang hatten in Mohns Händen die Geschicke eines der größten Unternehmen Deutschlands gelegen. Jeder Bundesbürger über 15 Jahre verbringt laut Statistik durchschnittlich pro Tag eine Stunde mit der Nutzung von Bertelsmann-Produkten.

VERANTWORTUNG FÜR ISRAEL

1977 gründete er die Bertelsmann-Stiftung, die „konkrete Beiträge zur Lösung aktueller gesellschaftlicher Probleme“ leisten will und sich dabei mit besonderer Fürsorge und Sorgfalt den „Fragen des deutschjüdischen und deutsch-israelischen Verhältnisses“ widmet. Dementsprechend wirbt die Stiftung, die einen eigenen Israel-Experten beschäftigt, um Referenten „zum Aufbau eines deutsch-israelischen Jugendaustausches auf Young-Leaders-Level“, gemauert auf die „Zusammenarbeit mit Lord Weidenfelds Deutsch-Jüdischem Dialog“. Voraussetzung, um „Young-Leader“ und Teilnehmer des Programms zu werden, sind „fließende Hebräisch-, Englisch- und Deutschkenntnisse“, und – das ist das Wichtigste – dass die Bewerber „gut in Israel und Deutschland vernetzt sind“. Das Programm wurde im Jahr 2000 entwickelt.

„Mit dem zeitlichen Abstand zum Holocaust sieht die Mehrheit der Deutschen eine besondere Verantwortung Deutschlands für Israel nicht mehr gegeben – eine Einschätzung, die Israelis nicht teilen.“, heißt es in der Beschreibung des „Young-Leader-Austausches“. Schon seit 1992 unterhält die Bertelsmann-Stiftung die Rubrik des „Deutsch-Jüdischen Dialogs“, der „einen Beitrag zur innerjüdischen Selbstverständigung leisten“ soll. „Wir haben uns daher im Rahmen des Deutsch-Jüdischen Dialogs immer wieder über weltweite Entwicklungen in der jüdischen Kultur ausgetauscht und natürlich auch über die Frage des jüdischen Selbstverständnisses in Deutschland.“, lautet das Programm weiter.

„WAS ES HEIßT, DEUTSCHER ZU SEIN“

Mit dem Dasein eines „Young Leaders“ – eines jungen Führers – kannte sich Reinhard Mohn sicherlich gut aus. In den 30er-Jahren gehörte er der Hitlerjugend an. Das ist nicht weiter bemerkenswert, wenn man 1933 zwölf Jahre alt war. Allerdings erwies sich Reinhard Mohn als eines der begeistertsten Mitglieder in seiner Heimatstadt Gütersloh und fiel durch sein außergewöhnliches Engagement auf. Schon im Jahr 1934 hatte er es beim Jungvolk zum Führer einer Jungenschaft gebracht. In der HJ war Reinhard Mohn zunächst Kameradschaftsführer, zwei Jahre später übernahm er die Führung einer Gefolgschaft. Die Verleger-Familie stellte in ihrem Privathaus Räume für regelmäßig stattfindende Treffen zur Verfügung.

Erst mit 17 Jahren gab Reinhard Mohn seine Verpflichtungen auf, weil er sich intensiv auf sein Abitur vorbereiten wollte. Dem Prüfungsausschuss antwortete er später auf die Frage nach seinen Freizeitaktivitäten und die Führungsrolle bei Jungvolk und HJ: „Diese Aufgabe schien mir erst sehr schwer, da alle die Jungen, die ich führen sollte, älter als ich waren, außerdem fehlte mir genügend Selbstvertrauen. Ich habe in den vier Jahren, in denen ich diese Einheit der Hitler-Jugend geführt habe, diese Scheu zu überwinden gelernt und bin stolz darauf, dass ich meinen Kameraden Führer und Vorbild sein durfte.“

Während der Ferien habe er „die einzelnen Gaue Deutschlands auf Fahrten und Wanderungen“ durchstreift. „Ein besonderes Erlebnis war mir in diesem Jahr die Fahrt durch die Ostmark, denn ich habe dort gesehen, was es heißt, in Deutschland leben zu dürfen und Deutscher zu sein.“

Wenige Jahre danach wurde aus dem Abiturienten ein erfolgreicher Unternehmer, der ganz genau begriff, was es hieß, unter den Besatzern im neuen Deutschland ein Deutscher zu sein, und lernte, wie man sich also verhalten zu habe: Wes Brot ich ess’, des Lied ich sing. So schlüpfte der ganze Bertelsmann-Verlag unmittelbar nach 1945 in das Zaubermäntelchen des NS-Widerstands und gab sich für äußerst regime-kritisch aus.

NACH DER „STUNDE NULL“

Der Gütersloher Betrieb des Bertelsmann-Verlags war beim Bombenangriff am 14. März 1945 auf die Stadt von insgesamt zehn Sprengbomben dreimal schwer getroffen worden, das Dachgeschoss über der Druckerei, Buchbinderei und Packerei war komplett ausgebrannt. Dennoch hatte der Verlag Glück im Unglück: Nur eine Druckmaschine war beschädigt, und auch die Mengen an Papier hatten den Angriff überstanden. Gerade dieser Papiervorrat machte den Konzern für die Alliierten interessant. Die britische Text- Book-Commission erteilte im Sommer 1945 den Auftrag zum Druck von Schulbüchern. Außerdem erhielt Bertelsmann die Erlaubnis, Bücher anderer Verlage nachzudrucken.

Heinrich Mohn, dem Vater Reinhard Mohns und Chef des Hauses seit 1921, gelang es, die tatsächliche Firmengeschichte zeitkonform umzudeuten und „braune Flecken“ zu verwischen. Immerhin handelte es sich bei seinem Verlag um das Unternehmen, das in den ersten Kriegsjahren mit linientreuer Wehrmacht-Literatur ein Vermögen verdient hatte. Nach 1939 konnte der Gewinn um ein Vielfaches gesteigert werden. Während der Umsatz des Bertelsmann-Verlags 1933 noch bei rund 1,1 Millionen Reichsmark lag, war er zehn Jahre später siebenmal so hoch. Das Motto lautete: „Feldgrau schafft Dividende“.

Der Gewinn von 109.000 Reichsmark im Jahre 1933 stieg auf 3,25 Millionen Reichsmark. Fritz Möhle, der Wirtschaftsprüfer im Haus Bertelsmann, analysierte den Erfolgsverkauf „schöngeistiger Produkte“ für Heinrich Mohn: „In Ihrem Falle scheint es günstig zu sein, dass Sie populäre Kriegsbücher bereits vorher im erheblichen Maße geführt haben, sodass die aktuellen Kriegsbücher bei Ihnen sicherlich nicht zu einem konjunkturmäßig auftretenden Kriegsgewinn führen, sondern den Ausfluss einer planmäßigen nationalistischen Verlagsrichtung darstellen.“

Den Alliierten gegenüber propagierte man ein komplett anderes Bild. Heinrich Mohn, darauf lag nun die Betonung, habe sich während des Dritten Reichs „im Kampf um die religiöse Freiheit des deutschen Volkes“ verlegerisch verdient gemacht und „in Opposition zu der von den Nationalsozialisten geschaffenen ‚Deutschen Christen‘-Bewegung“ gestanden. Die 1944 drohende Schließung, die wegen der Anstrengung zur Totalisierung des Krieges die gesamte Branche betraf, wurde zu „politischen Kämpfen des Verlages“ stilisiert. Bertelsmann wurde als dissidentes Unternehmen präsentiert. Das kostete drei enge Mitarbeiter Mohns die Köpfe, die NSDAP-Mitglied gewesen waren und nun ihre Koffer packen mussten: Theodor Berthoud und Mitinhaber Gerhard Steinsiek sowie Hauptlektor Gustav Dessin. Heinrich Mohn teilte der Militärregierung schnellstens mit, dass diese drei „nicht nur die Prokura“ niedergelegt hätten, sondern „völlig aus der Arbeit in meiner Firma ausgeschieden“ seien.

LIZENZ ZUM DRUCKEN

Der Kurs, den die Mohns fuhren, schien zum Erfolg zu führen. So schrieb Heinrich Mohn bereits Mitte November 1945 an den Theologen Georg Wehrung: „Die Genehmigung zur Wiedereröffnung des Verlages ist mir von verschiedenen Seiten in sicherste Aussicht gestellt.“ Am 27. März 1946 erhielt Mohn von der britischen Nachrichtenkontrolle die Lizenz zur Produktion von Büchern. Ein Jahr später übernahm Reinhard Mohn den Betrieb von seinem Vater, der 1955 verstarb.

Zielstrebig und mit gutem Sinn für Geschäft und neue Ideen führte Reinhard Mohn das Familienunternehmen, das sein Ur-Ur-Großvater Carl Bertelsmann 1835 als Verlag mit angeschlossener Druckerei in Gütersloh gegründet hatte, an die internationale Spitze der Medienkonzerne. Seit den 70er Jahren schlug der Bertelsmann-Verlag den Weg radikaler Umerziehung ein, ohne dabei aber die eigene Vergangenheit der zwölf NS-Jahre in dem Maße einer „Bewältigung“ zu unterziehen, wie sie von anderen stets gefordert wurde.

Weil das aber nicht genügte, legte sich der Bertelsmann-Boss noch ein zionistisches Image zu und bekundete froh: „Meinen jüdischen Freunden in New York danke ich dafür, dass sie mir die Zielsetzung des Zionismus nahe gebracht haben.“ Natürlich fließt bei solchem Übereifer auch der ein oder andere Euro. So zeigt sich das Haus Bertelsmann sehr spendabel, wenn es um jüdisch/israelische Belange ging und geht. Konzernchef Thomas Middelhoff überreichte Anfang 2001 einen Scheck über eine Million Mark an den Zentralrat der Juden „zur Integration jüdischer Einwanderer aus Russland.“

FÜR DIE WELTHAUPTSTADT JERUSALEM

Reinhard Mohn gehörte außerdem der „Jerusalem Foundation Deutschland“ an, einer internationalen Vereinigung, deren Zentrale sich in Israel befindet. 1966 wurde sie von Theodor Kollek, dem führenden zionistischen Politiker und langjährigem Bürgermeister von Jerusalem, ins Leben gerufen und hat seither ein hochwirksames internationales Netzwerk gebildet, das besonders auch den kulturellen Bereich erfasst. Ihre politische Arbeit zielt in erster Linie darauf, den Anspruch Israels auf das gesamte Jerusalem zu untermauern. Darum lautet das große Ziel der Foundation: „Jerusalem as a World Capital“ – Welthauptstadt Jerusalem.

Der deutsche Zweig der „Jerusalem Foundation“ wurde 1975 gegründet. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums, als Bundespräsident Rau zu einem Festbankett auf Schloss Bellevue lud, berichtete die „Allgemeine Jüdische“: „Zum Schnorren für seine Stadt, dafür war sich der langjährige Bürgermeister Jerusalems, Teddy Kollek, noch nie zu schade. Daher war es nur folgerichtig, dass er vor nunmehr einem Vierteljahrhundert gemeinsam mit dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Heinz Kühn die deutsche Tochterorganisation der ‚Jerusalem Foundation‘ ins Leben rief, um auch in Deutschland Spenden für Israels Hauptstadt zu sammeln.“ In Reinhard Mohn hatte die Organisation einen finanzkräftigen Unterstützer gefunden.

MOHNS MATRIARCHAT

Die bereits erwähnte Bertelsmann-Stiftung nimmt, seit Reinhard Mohns zweite Ehefrau Liz eine immer wichtigere Rolle bekleidet, enormen Einfluss auf die bundesdeutsche Politik. „Gleich, ob es um die Reform von Schulen und Hochschulen geht oder den Umbau der Sozialsysteme, ob die steigende Alterung der Bevölkerung bewältigt werden muss oder der Ausbau einer europäischen Armee organisiert wird, eines ist fast immer sicher: Die Experten der Bertelsmann-Stiftung sind auf höchster Ebene beteiligt, als Berater, als Moderatoren – und als Antreiber“, notierte Ende September 2009 der „Tagesspiegel“.

Selbst höchste Stellen stehen in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung. Kritiker wie SPD-Politiker Albrecht Müller üben herben Tadel am „Staat im Staat“ und an der Gefahr, eine „neoliberale Ideologie in die Gesellschaft“ zu tragen. Bei Bertelsmann ginge eine regelrechte Privatisierung der Politik von statten. Dabei wird gerade der verstorbene Stifter als hehre Erscheinung der Demokratie für seine „ausgeprägte Verantwortung vor der Gesellschaft“ gepriesen …

Die Bertelsmann Stiftung ist zu einer jener „Denkfabriken“ geworden, wie sie auch schon die US-amerikanische Politik seit Jahren steuern und lenken. Die Journalisten Frank Böckelmann und Hersch Fischler urteilten in ihrem 2004 erschienenen Buch „Bertelsmann – Hinter der Fassade des Medieimperiums“, dass die Stiftung „auf undurchsichtige Weise an fast allen bedeutsamen sozial- und bildungspolitischen Reformen und sicherheitspolitischen Entscheidungen“ in der Bundesrepublik mitwirke. In den maßgeblichen Gremien gehe „nichts mehr ohne Bertelsmann“. „Hier entscheiden Elite-Netzwerke aus Parteien und Konzernen darüber, welche Lösungen akzeptabel sind. Die Repräsentanten des staatlich protegierten Bertelsmann-Konzerns sind als Akteure der Wirtschaft dabei.“ Letztlich tragen die Entscheidungen unverkennbar deren Handschrift. Dabei übernehme die Stiftung die „Rolle einer übergeordneten nationalen Vormundschaft“. Eine Vormundschaft dem Volk gegenüber!

Der Tod Reinhard Mohns bedeutet gleichzeitig, dass nun das Matriarchat seiner zweiten Ehefrau Liz komplett in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Jene ehemalige Telefonistin also, die als „Deutschlands heimliche Herrscherin“ von den Mächtigen regelmäßig hofiert wird. Für Kanzlerin Angela Merkel ist Liz Mohn – wie übrigens auch Friede Springer – eine enge Freundin. „Wenn man nicht so weit gehen will zu sagen, die Kanzlerin Merkel sei Friede Springers und Mohns ‚Geschöpf‘, so besteht doch zumindest daran kein Zweifel, dass die von den beiden Medienhäusern gesponserte Propaganda der CDU-Chefin jenes Quäntchen an Vorsprung vor Schröder gesichert hat, das letztlich kriegsentscheidend war,“ befindet David Korn in seiner Analyse „Wem dient Merkel wirklich?“ über die Bundestagswahl 2005.

-----
DIE ALLEINERBIN
Liz Mohn, geboren 1941 als Elisabeth Beckmann, begann ihre steile Karriere bei Bertelsmann mit 17 Jahren, wo die gelernte Zahnarzthelferin 1958 als Telefonistin eingestellt wurde. Bald darauf wurde sie die Geliebte des zwei Jahrzehnte älteren, verheirateten Konzernchefs Reinhard Mohn. Der brachte sie in einer Scheinehe mit einem Verlagsangestellten unter, ehe Reinhard und Liz Mohn 1982 ihre Verbindung offiziell machten und heirateten. Zu dem Zeitpunkt hatten sie bereits drei gemeinsame Kinder. Nach und nach legte er die Führung des Konzerns in die Hände seiner Frau. Nun nach seinem Tode übernimmt sie die uneingeschränkte Macht. So hat es ihr Mann verfügt. Sie erhält den Vorsitz in der Bertelsmann-Verwaltungsgesellschaft, kann mit einem Veto Entscheidungen blockieren und darf ihre Nachfolge selbst bestimmen. Damit krönt Liz Mohn ihren außerordentlichen Aufstieg bei Bertelsmann.


Über DSZ-Verlag

Benutzerbild von DSZ-Verlag

Nachname
DSZ-Verlag

Adresse

www.national-zeitung.de

Postfach 60 04 64
81204 München

Telefon +49 89 89 60 850
Telefax +49 89 83 41 534
E-Mail info@dsz-verlag.de

Homepage
http://www.national-zeitung.de

Branche
Zeitung