Studieren in Holland (2): Fragwürdige Abschlüsse

Flotte Messestände auf deutschen Bildungsmessen und Werbeveranstaltungen an den Gymnasien: mit viel Tamtam fischen holländische "Hogescholen" derzeit wieder nach deutschen Studenten - es geht den durchweg privatwirtschaftlichen Schulen ums Geld. Wegen der finanziellen Regelungen, die diese Einrichtungen quasi zwingen, jedem Immatrikulierten so schnell wie möglich den erreichten Abschluss zu bescheinigen, hat jenes Abschlusszeugnis allerdings nur einen fragwürdigen Wert - "Durchfallen" geht nämlich nicht...

Sie sind fest in kaufmännischer Hand, die niederländischen "Hogescholen" - nicht aber unter akademischer Leitung. Wer sich die Mühe macht, die Lebensläufe der Vorstände dieser überwiegend staatlich finanzierten, aber dennoch privat geführten tertiären Bildungseinrichtungen zu prüfen, der trifft beinahe überall auf Branchenfremde, nämlich Kaufleute statt in Lehre und Forschung erfahrene Akademiker. Kaum einer, der einen Doktortitel angestrebt oder geschafft hätte - von Professoren ganz zu schweigen, die gibt es prinzipiell nicht an den "Hogescholen". Sie sind nämlich keine den Fachhochschulen der deutschsprachigen Länder ebenbürtigen Einrichtungen, sondern eher so etwas wie höhere Berufsschulen.

Kein akademischer Lehrkörper

Diese überwiegend nicht mit wissenschaftlich gebildeten, sondern mehr mit Praxisdozenten ausgestatteten Schulen dürfen sich laut Maßgabe von Minister Ronald Plasterk, Den Haag, seit 2008 gar "University of Applied Sciences" nennen, obwohl sie gar nicht wahrmachen könnten, was diese Bezeichnung verspricht. "Angewandte Wissenschaften" können nur wissenschaftlich Gebildete lehren - nicht ohne Grund werden daher an den deutschen Fachhochschulen 60 - 95 Prozent der Lehrveranstaltungen von hauptberuflich lehrenden promovierten Professoren durchgeführt.

Auf Dauer kann ein niederländischer Hogeschool-Abschluss gar zum Hindernis werden, wenn nämlich jemand sich später für ein weiterführendes Studium einschreiben will. In den Niederlanden selbst können sich die Bachelor-Absolventen der Hogescholen erst gar nicht direkt an den Universitäten für einen Masterstudiengang einschreiben - die Unis verlangen wegen der zu geringen wissenschaftlichen Substanz der Hogescholen zunächst ein- bis zweijährige Aufholprogramme von 60 ECTS oder mehr ("schakelprogramma's", siehe bamas.nl), die sie auch nur selbst anbieten.

Der Schluss liegt nahe, dass das Bachelorzeugnis einer niederländischen Hogeschool substantiell nicht mit den akademischen FH-Abschlüssen vergleichbar ist. Daran ändert auch nichts, wenn einige Hogescholen sich inzwischen mit dem Wort "University" als Namensbestandteil dekorieren, wie es bereits in Den Haag, Emmen und Leeuwarden zu beobachten ist.

Machtlos gegen Etikettenschwindel

Gern wechseln solche Einrichtungen gemäß dem allgemeinen Trend in den Niederlanden in die englische Sprache und etikettieren dann nicht nur sich selbst fälschlicherweise als University, sondern bezeichnen auch ihre Mitarbeiter als Professor. In Deutschland würde man sich damit persönlich strafbar machen und als Institution einen Verlust der staatlichen Zulassung riskieren. Da aber in den Niederlanden die akademischen Bezeichnungen nicht gesetzlich geschützt sind, ist dort zunehmend ein regelrechter Etikettenschwindel zu beobachten.

Dagegen ist der Staat machtlos; dem zuständigen Ministerium sind aus Mangel an gesetzlichem Schutz die Hände gebunden. Als 2009 eine Hogeschool, deren Studienangebote bisher noch nicht einmal akkreditiert und staatlich anerkannt sind, als "Via Vinci University" an den Markt ging und gar mit universitären Abschlüssen bis hin zur Promotion zu werben begann, schäumte Minister Plasterk zwar öffentlich und bezeichnete das als Blendwerk, musste dann aber ebenso öffentlich zurückrudern und zugeben, dass das Gesetz (WHW) dem Staat gar nicht die Grundlage zum Vorgehen gegen Einrichtungen gebe, die sich selbst als Universität oder University bezeichnen, ohne dazu gemäß niederländischer Gesetzeslage als solche anerkannt zu sein (Scienceguide.nl, 18. Mai 2009).

Credits fachfern vergeben

Die niederländischen Bachelor-Abschlüsse an den Hogescholen sind in weiterer Hinsicht qualitativ von zweifelhaftem Wert, denn ein Studierender kann dort de facto gar nicht durchfallen, also nicht ohne Abschluss entlassen werden. Für die schulende Einrichtung wäre jeder Abgang ohne Abschluss ein schmerzlicher finanzieller Verlust. Das bedeutet, dass sie alles daran setzen wird, jedermann irgendwie durchzuhieven.

Also vergibt die Hogeschool ständig für fachferne Praxiseinsätze - etwa an der Theke der Bibliothek oder bei Einführungsveranstaltungen für neue Studierenden - sogenannte "Studienpunkte", sprich: sie verschenkt Leistungspunkte (Credit Points). Diese sind eigentlich europaweit im ECTS-System an den Workload von definierten Studienmodulen und deren Prüfungen gebunden - also auch in den Niederlanden. Doch an Hogescholen in Holland kriegt man sie notfalls einfach so, unabhängig von Studienmodulen, nur damit die jungen Leute auch wirklich das Ziel erreichen und die Einrichtung nicht monetäre Verluste macht.

Erfolgsorientiertes Finanzierungsmodell

Wo Kaufleute das Sagen haben, geht es um möglichst hohe schwarze Zahlen. "Erfolgreich" sind daher die Einrichtungen, die niemanden durchfallen lassen und wo niemand das Studium abbricht, denn nur dann darf die Schule die Einnahmen von mehr als 30.000 Euro pro Student behalten. Verlässt hingegen jemand vorzeitig die Ausbildung oder schafft den Abschluss nicht, muss die Hogeschool 22.000 Euro an den Staat zurückerstatten, es verbleiben ihr lediglich 8.000 Euro.

Die Hintergründe erläutert die nachfolgende Zusammenstellung der Einnahmen und Verluste pro abbrechendem Studierenden. Sie stammt aus dem zuständigen niederländischen Ministerium für Unterricht, Kultur und Wissenschaft, Den Haag und macht deutlich, warum die Hogescholen alles tun müssen, um keine Studienabbrecher zu haben und jeden Studierenden schnellstmöglich zum Abschluss zu bringen - notfalls: zu tragen.

Link zum Dokument: http://bit.ly/h2rZz

Fazit

Die Hogescholen Hollands arbeiten nicht in vergleichbarer Weise wissenschaftlich fundiert wie die Fachhochschulen der deutschsprachigen Länder. Zudem müssen sie aus finanziellen Gründen de facto jeden Studierenden zum Abschluss bringen. Die Qualität sowohl der Studieninhalte als auch der Prüfungen steht damit infrage.

Für deutsche Studieninteressenten dürfte es folglich eher zu riskant sein, sich auf die Akzeptanz der Bachelorabschlüsse holländischer Hogescholen im späteren Berufsleben und für den Fall eines späteren Zusatzstudiums zu verlassen.


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