Verfassungsschutz am "Tatort"-Pranger

Auch Professor Hans-Helmuth Knütter übt Kritik: Gesinnungskontrolle und Meinungslenkung.

Die „Tatort“-Folge „Das Gespenst“ bringt Verfassungsschützer auf die Palme. Zu Recht? Der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Hans-Helmuth Knütter hat zusammen mit Regierungsdirektor Josef Schüßlburner das Werk „Was der Verfassungsschutz verschweigt – Bausteine für einen alternativen Verfassungsschutzbericht“ herausgegeben. Rechtsanwalt Gerhard Frey hat Professor Knütter befragt.

National-Zeitung: Herr Professor Knütter, der so genannte Verfassungsschutz reagierte erbost auf die am 15. März ausgestrahlte „Tatort“-Folge „Das Gespenst”. Durch diese sei ein völlig falscher Eindruck in der Öffentlichkeit entstanden. Wäre dem Verfassungsschutz damit gedient, wenn er 1:1 dargestellt wird, wie er wirklich ist?

Knütter: Die fragliche „Tatort“-Sendung kenne ich nur aus Presseberichten. Das Problem einer angemessenen Darstellung von Geheimdienst-Aktivitäten ist für die deutsche Situation besonders schwierig. Haben wir es doch beim Reichssicherheitshauptamt vor 1945 und mit der Staatssicherheit nach 1950 mit rechtsfrei agierenden, völlig undurchsichtigen und damit unheimlich wirkenden Überwachungsorganen zu tun gehabt. Die daraus erwachsene Antipathie belastet auch die angeblich demokratisch kontrollierten und in ihrer Tätigkeit eingeschränkten Überwachungsdienste der Bundesrepublik. Von einem auf Unterhaltung zielenden Krimi wie dem „Tatort“ wird man kaum eine umfassende Darstellung erwarten dürfen. Die kritische Tendenz der Sendung ist sicher neben dieser generellen Antipathie gegen Geheimdienste auch auf frühere Pannen und politische Schieflagen des so genannten Verfassungsschutzes zurückzuführen.

National-Zeitung: Immer wieder haben sich V-Leute des Verfassungsschutzes als treibende Kräfte bei Straftaten erwiesen. Umgekehrt wurde sogar ein wegen versuchten Mordes verurteilter Krimineller – Carsten Szczepanski, er hatte einen Asylbewerber ertränken wollen – vom Verfassungsschutz als V-Mann angeworben. Was soll man mit einem solchen Dienst in einem Rechtsstaat anfangen?

Knütter: Meine kritische Einstellung zur Aktivität dieser Behörden ist bekannt und durch mehrere Veröffentlichungen belegt. Trotzdem muss ich hier Verständnis für Aktionen am Rande der Legalität äußern. Die Bekämpfung echter politischer Kriminalität – Gesinnungsschnüffelei gehört nicht dazu – ist eine legitime Aufgabe. Wer sich aber im Sumpfe oder auch nur am Rande der Kriminalität bewegt, und zwar um sie zu bekämpfen, bekommt Schmutzspritzer ab. Das ist unvermeidbar. Daran Kritik zu üben, ist unangemessen. Kritikwürdig ist der Missbrauch des Verfassungsschutzes zur Gesinnungskontrolle und Meinungslenkung.

Von Parteifunktionären instrumentalisiert

National-Zeitung: Können Sie das näher erläutern?

Knütter: Neben der legitimen Bekämpfung politischer Kriminalität wird der Verfassungsschutz zunehmend parteipolitisch im Sinne der jeweils im Bund und in den Ländern einflussreichen Parteifunktionäre missbraucht. Er wird instrumentalisiert als Waffe gegen Postenkonkurrenten der Etablierten. Es ist doch bezeichnend, dass eine neue Partei wie der inzwischen nicht mehr existierende „Bund Freier Bürger“ bespitzelt wurde, obwohl leitende Mitglieder wie Manfred Brunner und Dr. Heiner Kappel aus der FDP kamen. Gestern noch Stützen des Systems, waren sie nach dem Parteiwechsel plötzlich zu potenziellen Verfassungsfeinden geworden. Auf die Dauer kann die immer wiederholte Kritik an diesem Missbrauch zu einer Besserung führen. Allerdings: So, wie hinter der Staatssicherheit die SED als Auftraggeber stand, so stehen hinter dem Verfassungsschutz die Parteifunktionäre des BRD-Establishment. Sie veranlassen den Missbrauch und profitieren von ihm.

„Entscheidend ist der Nutzen des Establishments“

National-Zeitung: Nach welchen Kriterien beurteilen die Verfassungsschutzämter, wer „Extremist“ und wer „radikal“ ist? Geschieht das nach den Maßgaben des Grundgesetzes?

Knütter: Hier herrscht eine bezeichnende Willkür. Jahrelang wurden die REP bespitzelt mit dem einschränkenden Hinweis, nicht alle Mitglieder seien extremistisch. Aber wegen eines Teiles werde die gesamte Partei ausgeforscht. Bei der PDS lautete die Begründung genau andersrum: Nicht alle PDSler seien extremistisch. Deshalb werde nicht die Partei insgesamt, sondern nur Teile wie die „Kommunistische Plattform“ beobachtet. In Bayern wurde die PDS mit Agenten ausgehorcht, in einigen anderen Ländern nur mit „offenem Material“, in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern, auch in Sachsen-Anhalt war sie als Regierungspartei beziehungsweise Mehrheitsbeschafferin geehrtes und geachtetes Mitglied des „demokratischen Spektrums“, das vom Verfassungsschutz zu schützen war. Das entscheidende Kriterium ist der Nutzen oder Nachteil für das Establishment.

National-Zeitung: Auf Gerhart Hermann Mostar (1901–1973, Anm. d. Red.), einen Schriftsteller und politischen Autor, der in der Hitlerzeit aus Deutschland emigrierte, geht der Grundsatz zurück: „Die Verfassung muss man schützen – gegen die, die oben sitzen!“ Sehen Sie das ähnlich?

Knütter: In der Tat ist ein scharfes Misstrauen gegen die Parteifunktionäre, die im Bund und in den Ländern die Posten innehaben, angebracht. Die „Rechten“ in Deutschland waren immer staatsfromm und obrigkeitshörig. Diese Einstellung sollte revidiert werden. Die „Rechten“ sollten umdenken und die Wahrung der bedrohten persönlichen Freiheit vor die Verteidigung einer Ordnung stellen, die von parteipolitischen Sonderinteressen bestimmt ist. Ein guter Schuss Anarchie ist nötig. Aber so etwas fällt einem traditionsbewussten Rechten in Deutschland schwer.

„Die Etablierten tauchen in den Verfassungsschutzberichten nicht auf“

National-Zeitung: Wie erklären Sie sich, dass in die Berichte des so genannten Verfassungsschutzes kein einziger der Verfassungsbrüche etablierter Parteien aufgenommen wird, selbst wenn sie höchstrichterlich festgestellt wurden?

Knütter: Das ergibt sich aus dem bereits Gesagten. Da der Verfassungsschutz parteienstaatlich ist, dient er dem Nutzen des Parteienstaat- Establishments. Dies heißt nicht, Repräsentanten der Etablierten, die in sein Visier geraten, würden nicht beachtet. Aber die Parteien der Etablierten, die sich dreist, die anderen ausgrenzend, die „demokratischen Kräfte“ nennen, tauchen selbstverständlich in den Verfassungsschutzberichten nicht auf.


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