Scientologyaussteiger verklagen Scientologyorganisation wegen Menschenrechtsverletzungen

In den letzten drei Monaten wurden in den USA Klagen von drei ehemaligen Mitgliedern der Scientologyorganisation eingereicht, welche inhumane Arbeits- und Lebensbedingungen in Scientology's "Sea Organization" anprangern und Schadensersatz für jahrelange Unterbezahlung und Mißhandlung einklagen wollen.

Die Sea Organization (Sea Org) bildet eine Eliteorganisation innerhalb von Scientology, deren Mitglieder ihr Leben gänzlich der Expansion von Scientology widmen und dazu in den organisationseigenen Einrichtungen, oft abgeschottet von der Außenwelt, unter strikter Kontrolle des Organisationsmanagements arbeiten und leben.

Marc Headly, der im Januar Klage gegen die Church of Scientology International (CSI) eingereicht hat, wurde 1989 im Alter von 16 Jahren in die Sea Org rekrutiert und arbeitete von da an zusammen mit etwa 1000 anderen Sea Org Mitgliedern für das organisationseigene Produktionsstudio Golden Era Productions in Südkalifornien.
Dieses ist für die Produktion von Werbematerialien so wie die Reproduktion und Übersetzung von Büchern, Tonaufzeichnung und Filmen des mittlerweile verstorbenen Organisationsgründers L. Ron Hubbard zuständig, welche von hier aus in die lokalen Filialen der Organisation exportiert werden, wo sie an Scientologyanhänger verkauft werden.
Golden Era Productions ist ein hochgesicherter Gebäudekomplex, bestehend aus Unterkünften, Produktionsstudios und Büros in dem heutzutage noch etwa 400 Sea Org Mitglieder unter der direkten Kontrolle von Scientologychef David Miscavige rund um die Uhr leben und arbeiten.

Headly gründet seine Klage in erster Linie auf Verstöße der Organisation gegen das kalifornische Arbeitsrecht, Menschenhandel, sowie Verletzungen seiner Privatsphäre.
Er vergleicht den Komplex mit einem Gefängnislager, in dem Sea Org Mitglieder, teilweise noch minderjährig, unter psychischem Zwang über 100 Stunden pro Woche arbeiten und dabei mit durchschnittlich 39 US cent pro Stunde weit unter Mindestlohn bezahlt werden.
Headly behauptet, dass er von Organisationschef David Miscavige zusammengeschlagen wurde, wenn er nicht gehorcht hat, und außerdem gesehen hat wie auch andere Mitglieder von Miscavige physisch attackiert oder anderweitig eingeschüchtert wurden.
Andere ehemalige Mitglieder, wie Jeff Hawkins, der jahrelang in den Führungsetagen der Organisation als Marketingexperte gearbeitet hat, bezeugen seine Behauptungen.

Marc Headly's Frau, Claire, hat im Februar eine weitere Klage gegen CSI eingereicht, in der sie zusätzlich zu den von Marc Headly vorgebrachten Anschuldigungen, beklagt, dass sie dazu genötigt wurde ein Kind abzutreiben, da es Sea Org Mitgliedern nicht erlaubt ist Kinder zu haben.

Gestützt wird diese Behauptung durch eine dritte Klage, die im April von Laura Decrescenzo gegen die Organisation vorgebracht wurde.
Sie wurde im Alter von 12 Jahren in die Sea Org rekrutiert und wurde mit 17 Jahren schwanger.
Auch sie behauptet, dass man sie dazu genötigt habe ihr Kind abzutreiben.

In den letzten Monaten sind viele ehemalige Mitglieder der Sea Org hervorgetreten und haben von ähnlichen Mißhandlungen in der Sea Org erzählt.
Der lokale amerikanische Nachrichtensender KESQ News Channel 3 hat kürzlich in einer Serie von investigativen Berichten die Geschehnisse um Golden Era Productions beleuchtet und Jeff Hawkins, so wie Maureen Bolstad, eine weiteres ehemaliges Sea Org Mitglied, das als Kind in die Organisation eingetreten ist, dazu interviewt.

Sollte Headlys Klage vor Gericht standhalten, so würde damit ein Präzedenzfall geschaffen, der es auch anderen durch die Organisation geschädigten Exmitgliedern erlauben würde, in einer Sammelklage Kompensationen für ihre jahrelange Ausbeutung einzufordern.

Quellen und weiterführende Informationen:
http://infinitecomplacency.blogspot.com/
Marc Headlys Klage
Claire Headlys Klage
Laura Decrescenzos Klage
Berichte von KESQ News Channel 3
TV interview mit Jeff Hawkins
TV interview mit Maureen Bolstad
Rede von Marc Headly auf der "Das ist Scientology!" Konferenz in Hamburg