Die Achse des Lösens nach Winnenden (II): Arme laufen nicht Amok?/Trittbrettfahrer in Schneverdingen und Ilsfeld

Christian Pfeiffer hin, Psychologen und Soziologen her, vertreten wird auch diese These: Amokläufer kommen aus bürgerlichen Kreisen, Arme laufen nicht Amok. Dann dürfte das Rezept gegen solche schrecklichen Taten einfach sein…

Die Achse des Lösens treibt also auch nach Winnenden allerlei Unfug. Mehr als Unfug ist allerdings, was zurzeit so genannte Trittbrettfahrer tun. In Ilsfeld im Landkreis Heilbronn ist heute nach einer Amokdrohung im Internet eine Realschule abgeriegelt worden, in Schneverdingen (Landkreis Soltau-Fallingbostel) wurde ein 21-Jähriger gefasst, der Internetbeiträge wie „Ich habe eine Waffe und werde alle töten“ verfasst hatte.

Derartige Ankündigungen hat es auch schon vor dem Amoklauf von Tim K. gegeben, dessen Familienname inzwischen auf Euronews verraten wurde.

Er ist 18 Jahre alt und wohnt in Friesland, er hat die Berufsbildende Schule (BBS) in Jever besucht, im Freundeskreis machte er sich im November 2008 wichtig: „Am Mittwoch kommt es an meiner ehemaligen Schule zu einem Blutbad.“ Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, bei der Polizei klingelte immer häufiger das Telefon. Einige Anruferinnen und Anrufer beriefen sich auf den 18-Jährigen. Er wurde ins Revier gebracht und war plötzlich ganz kleinlaut. „Alles nur ein Scherz. Ich wollte mich wichtig machen“, gab er zu Protokoll.

Von Jever bis Wilhelmshaven sind es nur 14 Kilometer. Dort ermittelte die Polizei einige Wochen zuvor fieberhaft, als die Leute tuschelten: „Montag kommt es zu einer Katastrophe an einer Schule in der Friedenstraße.“ Stichhaltiges jedoch kam bei den Ermittlungen nicht heraus. Alle beriefen sich auf Hörensagen, deswegen wurde der Unterricht nicht abgeblasen. Die Polizei bezog Beobachtungsposten und hat bis heute nicht herausgefunden, wer das Gerücht von einem Amoklauf in die Welt setzte.

Auch an einer Berufsschule in Pforzheim gab es Amok-Alarm. 400 Schüler und Lehrer wurden evakuiert, gefunden wurde nichts. Ähnliches geschah in Erfurt, wo im April 2002 ein ehemaliger Schüler tatsächlich ein Massaker angerichtet hat.

Einen Tag später klingelte im Sekretariat eines Schulzentrums in Althengstett das Telefon. Es war kurz vor neun, als eine Frauenstimme warnte: „Sie müssen sofort räumen.“ 1 000 Schülerinnen und Schüler wurden daraufhin in Sicherheit gebracht. Wieder hatte sich jemand einen üblen Scherz erlaubt.

Werden die Urheber solcher Gerüchte erwischt, müssen sie mit Geld- und Gefängnisstrafen rechnen. Das ist vor gut zwei Jahren in Baden-Württemberg gelungen. Die Nachahmungstäter waren zwischen 14 und 21 Jahre alt. Ein 19-Jähriger bekam am 7. Dezember 2006 vom Amtsgericht in Rastatt vier Wochen Dauerarrest aufgebrummt, am 8. Dezember 2006 verurteilte das Amtsgericht von Singen einen 15-Jährigen zu einer Woche Dauerarrest, außerdem wurde er seinen Computer und Software los, in Künzelsau musste ein Jugendlicher am 12. Dezember 2006 für vier Wochen hinter schwedische Gardinen, hinzu kamen 80 Stunden gemeinnützige Arbeit.

Damals sagte Justizminister Goll: „Wer also keine Lust hat, wegen drei Minuten öffentlicher Aufmerksamkeit sein halbes Leben lang Schulden abzustottern, dem kann ich nur raten, schleunigst vom Trittbrett abzuspringen.“ Das gilt nach Winnenden wieder.

Ein Beitrag für www.2sechs3acht4.de und www.sajonara.de


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