Nach Amoklauf von Winnenden wieder da: Die Achse des Lösens (I)

Nun ist die Achse wieder am Lösen: Kriminologen, Soziologen und Psychologen sezieren den Amoklauf von Winnenden. Mittendrin statt nur dabei ist Christian Pfeiffer, der vor gut acht Jahren im „Fall Joseph“ eine derart unrühmliche Rolle gespielt hat, dass er die Leitung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen hätte in andere Hände legen müssen.

Man erinnert sich: Im Freibad zu Sebnitz stirbt ein Achtjähriger. Die Mutter behauptet: Der Junge ist von Rechtsradikalen „hingerichtet“ worden. Christian Pfeiffer erstellt ein Gutachten, bescheinigt der Frau Glaubwürdigkeit. Die Presse stürzt sich auf den Fall, erfindet 200 Leute, die bei einem Mord zuschauen und hört sogar die Füße von Joseph auf dem Beckenboden. Doch der Junge wehrt sich vergeblich. Wie eine Kleinstadt lange gegen diese Verleumdungskampagne. Das Ende von der Geschichte: Der kleine Joseph ist im Freibad verunglückt. Akte zu.

Auch nach dem Amoklauf von Winnenden wird von der Achse des Lösens wieder eine ganz einfache Formel an die gesellschaftliche Tafel geschrieben. Je mehr Medienkonsum plus Gewaltspiele desto größer die Gefahr, dass jemand ausflippt. Wenn dann noch die Großeltern erzählen, dass sie früher blutrünstige Märchen geradezu verschlungen haben, muss man sich über die Machtergreifung Hitlers nicht mehr wundern?

Ich erinnere mich noch gut an meine Studienzeit in Mainz. In der ersten Publizistik-Vorlesung hat uns die Professorin Elisabeth Noelle-Neumann mit folgender These vertraut gemacht: Junge Leute, die Sendungen mit Gewaltszenen sehen, schlagen früher oder später zu. Doch dann stellte sich heraus: Die Wissenschaftler hatten Fehler bei der Versuchsanordnung gemacht. Die waren so groß, dass andere Experten bei einem zweiten Test zu dem Ergebnis kamen: Junge Leute, die Sendungen mit Gewaltszenen sehen, leben ihre Wut in ihrer Fantasie aus und sind deshalb im Alltag ganz friedlich. Doch auch diese Annahme löste sich in der dritten Vorlesung in Luft auf. Denn ein weiteres Wissenschaftler-Team war zu der Erkenntnis gelangt, dass man niemandes Verhalten auf sein Medienverhalten allein zurückführen kann.

Nach dem Amoklauf in Winnenden sickert nach und nach durch, dass der Amokläufer Tim K. wie der Amokläufer aus Emsdetten im Internet seine Tat angekündigt haben könnte. Wenn das wieder so ist, dann steht doch gleich die Frage im Internet-Raum: Warum finden Experten, die sich fast schon Tag und Nacht mit dem Thema Gewalt beschäftigen, solche Ankündigungen nicht? Sind die dann immer gerade in einer Talkshow? Diese Frage klingt hart, auch nicht fair. Womit wir bei einer Sendung mit diesem Titel wären.

Wird fortgesetzt

Ein Beitrag für www.2sechs3acht4.de, www.kinderunwohl.blogspot.com und www.sajonara.de


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