Vor der Bayern-Wahl: Wird der Trend zur Entwicklung?

Morgen sind alle Scheinwerfer auf München gerichtet, zumal es so aussieht, als komme der Freistaat nach fast 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland endlich in der Demokratie an. Denn allem Anschein nach wird die CSU unter der 50-Prozent-Marke landen. Da bleibt nur zu hoffen, dass es mehr als 47 Prozent werden. Dann - aber nur dann können die Statements der Politikerinnen und Politiker wieder die übliche Richtung einschlagen. Die kennen wir:

18 Uhr: Radio und Fernsehen versichern, dass die Wahllokale geschlossen sind und verkünden eine erste Trendmeldung. CSU 47,8 Prozent, SPD 20,4 Prozent, Grüne 7,3 Prozent, FDP (da sind wir noch nicht ganz so sicher, ob sie in den Landtag einziehen wird) um die 5,0 Prozent, Freie Wählergemeinschaften 8,6 Prozent, die Linke 4,2 Prozent und die Sonstigen bekommen die restlichen Stimmen.

Anschließend vergewissern sich die CSU-Mitglieder erst einmal, ob wirklich alle Wahllokale geschlossen sind und spülen ab 18.15 Uhr ihren Frust mit Bier herunter. Zwei sind in normalen Zeiten erlaubt, jetzt sogar mehr. Die Fernseh- und Radioteams stöbern derweil ein paar Parteimitglieder auf, die man vorher nicht gekannt hat und an die man sich anschließend nicht mehr erinnert. Prominente lassen sich auch nach der ersten Hochrechnung noch nicht blicken. Die wissen eigentlich schon seit 16 Uhr, wie der Hase gelaufen ist und verhalten sich entsprechend.

Eine Viertelstunde später haben sich die Hochrechnungen endlich verfestigt, nun gibt es nur noch geringe Abweichungen vom tatsächlichen Wahlergebnis - und schon stehen zumindest Vertreterinnen und Vertreter der Grünen, der Linken und der FDP um einen runden Tisch. Der Liberale schaut ein wenig ratlos drein, die Grünen erinnern an Wahlergebnisse, die schlechter gewesen sind und die Linken konzentrieren sich ab sofort auf das Saarland.

Dann kommt der große Augenblick des SPD-Spitzenkandidaten, der nach meiner Erinnerung so ähnlich heißt wie der Trainer des VfL Wolfsburg und erklärt, dass seine Partei offenbar erst wieder zu alter Geschlossenheit zurück kehren müsse - und schließlich kommt der Höhepunkt: Beckstein gibt den Huber und weist darauf hin, dass man besser abgeschnitten habe als bei den jüngsten Umfragen. Die Fernseh- und Radioteams fragen die CSU immer wieder nach Stoiber und die SPD nach Beck.

So schleppt sich der Wahlabend dahin - ich schaue mir Columbo an. Die Folge morgen heißt „Schreib oder stirb“. Ähnliches geschieht in allen Redaktionsstuben und die CSU-Mitglieder freuen sich auf den 30. September, denn an diesem Tag strahlt das ZDF die erste Folge von „Franz Josef Strauß“ aus. Bis dahin sind sie auch wieder nüchtern und zappen sich in den nächsten Rausch…


Über Heinz-Peter Tjaden