Sommeroper Selzach (Schweiz): Zehn Minuten Standing Ovations nach überzeugender Leistung

(Paul-Georg Meister) - Ein Feuerwerk von Ideen zaubert Regisseur Thomas Dietrich mit seiner Inszenierung von Gaetano Donzettis opera buffa „Viva la Mamma“ auf die Bühne des Selzacher Passionsspielhauses (Schweiz). Der tolle Gesamteindruck, die musikalischen Raffinessen und die Leistung von Nikolaus Meer als Mamm’ Agatha rissen das Premieren-Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen hin.

Gaetano Donizettis Werk, „Viva la Mamma“ ist keine fix-fertige Fasssung. Im Gegenteil, der Komponist hat ganz bewusst ein Werk geschaffen, das sich auf die jeweiligen Gegebenheiten des Spielortes transponieren lässt. Und genau dies machen sich die Verantwortlichen der Sommeroper Selzach zu Nutze. Ihre Inszenierung spielt nämlich im Selzacher Passionsspielhaus im Jahre 1953: Die traditionellen Passionsspiele wurden abgesagt und nun kommt eine italienische Theatertruppe, ins Haus und möchte eine üppige Barockoper inszenieren. Natürlich geht das nicht ohne Irrungen und Wirrungen, nicht ohne Intrigen und Liebschaften. Und natürlich ist gerade dieser Stoff Ausgangspunkt für viel Klamauk und Slapstick.

Thomas Dietrich (Regie), Bruno Späti (Musikalische Leitung), Oskar Flury (Ausstattung), Sigi Salke (Licht) und Georgia Eilert (Dramaturgie) haben eine Inszenierung geschaffen, welche die Besucherinnen und Besucher in eine optisch wie akustisch opulente Theaterwelt entführt. Rückblicke auf vergangene Selzacher Opernproduktionen, ein abwechslungsreiches Bühnenbild, überzeugende Solisten und ein gesanglich starker Chor runden den positiven Gesamteindruck ab.

Die turbulente Geschichte rund um die italienische Operntruppe schafft auch die Möglichkeit, skurrile Figuren zu (über)zeichnen. So beispielsweise Nikolaus Meer, der in der Rolle der Mamm’ Agatha für manche Überraschung auf der Bühne sorgte. Sehr schön gezeichnet und dargestellt ist auch die Primadonna (Maria Leyer), die sich mit ihrer Wahnsinns-Arie „Lucia die Lammermoor“ in die Herzen des Premiere-Publikums sang.

Überzeugend wirken auch Fabrice Raviola als Ehemann Stefano, Anna Traub als zweite Sängerin, Arno Wilhelm als Inspizient und Jan Marin Mächler als russischer erster Tenor der Truppe, der immer wieder mit seinen Stimmbändern und der richtigen Tonlage zu kämpfen hat. An der Premiere besonders positiv aufgefallen ist Alexandra Forster als verklemmte englische Sopranistin.

Ein besonderes Augenmerk auf sich gezogen haben an der Premiere Richard Ackermann (als Komponist) und Gero Bublitz (Impressario), welche sich in einem wundervollen Duett ihre gegenseitige Liebe gestehen. Ein sicherer Wert ist immer auch Karl Fäth, den man auf der Selzacher Bühne bereits in verschiedenen Rollen (Wildschütz, Zar und Zimmermann usw.) erlebt hat. Eine besondere Note zauberten schliesslich Clarissa Schröter und Reto Baschung mit ihren Ballett-Einlagen auf die Bühne.

Auf grosse Beachtung beim Publikum stiess auch die Leistung des Chors. Nicht nur seine präzisen musikalischen Werte, sondern auch die vielen Verwandlungen und die schönen Gesamtbilder kamen bei den Besucherinnen und Besuchern sehr gut an.

Das Publikum erlebte an der Premiere ein wahres Feuerwerk aus Klamauk, Komik, Leidenschaft und Liebe. So gesehen verwundert es wohl auch nicht, das sich das Publikum mit rund zehnminütigen (!) Standing Ovations für diesen unvergesslichen Opernabend bedankte.