„Medizin“ ist oft reiner Mumpitz

Der Autor Jürgen Ahrens schreibt ein Buch über das Milliardengeschäft mit nutzlosen Therapien

Beim Stichwort "Scharlatanerie" denkt man gemeinhin an obskure Wunderheiler, die ihre Patienten mit Handauflegen, Beschwörungsformeln, Amuletten und ähnlichem Hokuspokus "behandeln". Was mancher vielleicht ahnt, aber kaum jemand weiß: Es gibt auch ein riesiges Schattenreich an so genannten Arzneimitteln, Therapien und Gesundheitsratschlägen, die sich selbst unter Fachleuten breiter Zustimmung erfreuen - und trotzdem nichts weiter sind als fauler Zauber.

Nein, hier ist nicht von Haifischknorpeln, Tigerhoden oder Nashornpulver die Rede. Sondern von völlig ernst gemeinten und scheinbar ernst zu nehmenden Heil- und Vorsorgemitteln, die unser Arzt oder Heilpraktiker verordnet, unser freundlicher Apotheker empfiehlt oder selbst ernannte Gesundheitsexperten in Lifestyle-Magazinen propagieren.

"Mumpitz-Medizin" heißt folgerichtig das neue Sachbuch-Projekt von Jürgen Ahrens, in dem all diese Grauzonen-Therapien erstmals zusammenfassend beschrieben, analysiert und bewertet. Der Münchner Autor befasst sich seit über einem Jahr mit dem brisanten Thema - und seine Recherchen ließen ihn selber staunen, mit welcher Unmenge von dubiosen, wirkungslosen und meist überteuerten Methoden und Medikamenten der heutige Gesundheitsmarkt überschwemmt wird. Und wie viel Geld dabei fließt: Die Ausgaben für nutzlose bis schädliche Behandlungen summieren sich alljährlich auf zweistellige Milliardenbeträge.

Ahrens entwickelte 25 Jahre lang Marketing-Strategien und Kampagnen für pharmazeutische Unternehmen und hat in dieser Zeit viel Hintergrundwissen über die Branche erworben. Er schrieb eine Reihe von Patientenbroschüren zu verschiedenen Krankheiten und Therapien, berichtete über wissenschaftliche Studien und begleitete die Einführung zahlreicher neuer Medikamente. Das Material zu "Mumpitz-Medizin" trug er gemeinsam mit einem erfahrenen Arzt und Psychologen zusammen, der neben seiner Arbeit als niedergelassener Kassenarzt auch als unabhängiger medizinischer Berater für Versicherte der Gesetzlichen Krankenversicherung tätig ist. Entsprechend hoch ist der fachliche Anspruch des Buches: Der Inhalt basiert ausschließlich auf seriösen klinischer Studien und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Außerdem wird auf anschauliche Weise klargemacht, dass viele der so genannten Therapien im Widerspruch zu unumstößlichen Naturgesetzen stehen - und schon deswegen gar nicht funktionieren können.

Die Bilanz ist teils zum Lachen, teils zum Weinen und manchmal geradezu erschreckend. Fazit: Wer's danach immer noch glaubt, wird vielleicht selig, aber bestimmt nicht gesünder. Nicht selten sogar kränker - und wenn die Kasse nicht zahlt, auf jeden Fall ärmer.

"Mumpitz-Medizin" soll keine Hoffnungen zerstören und Patienten womöglich noch ratloser zurücklassen als bisher. Es soll vielmehr sensibel machen und anregen: wachsam zu sein, den gesunden Menschenverstand einzuschalten und sich im Zweifelsfall aus allen verfügbaren Quellen zu informieren, ob eine Therapie wirklich das halten kann, was die Propaganda vollmundig verspricht.