Bei der 20-iger-Regel des VermögensanlagenG gibt es Platzierungsvorteile bei Volumina und Laufzeiten - von Dr. jur. Horst Werner

1. Platzierungsvorteil bei der Unabhängigkeit von der Beteiligungshöhe

a) Die Bereichsausnahmen ( Befreiungen von der Prospektpflicht ) befinden sich für die nicht wertpapierverbrieften Vermögensanlagen im § 2 Vermögensanlagengesetz (VermAnlG), die durch wichtige Hinweise zu ergänzen sind. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ( VermAnlG ) „Maximal 20 Anteile bedeuten in der Regel 20 Beteiligte pro Finanzinstrument“ ( = 20-iger-Regel ) unabhängig von der Beteiligungshöhe. Es dürfen also z.B. 20 Genussrechtsanteile platziert werden. Welches €-Volumen ein Genussrechtsanteil hat, ist unerheblich. Ein Genussrechtsanteil kann € 20.000,- oder 30.000,- wert sein. Die Genussrechtsanteile können unterschiedliche Werte haben. Die Genussrechtsanteile können auch zu unterschiedlichen Preisen verkauft = platziert werden. Genussrechtsverträge sind anders als Gesellschaftsverträge sogen. "Individualverträge", die zu unterschiedlichen Preisen verkauft werden dürfen. 20 Genussrechtsanteile dürfen also 20-mal zu unterschiedlichen Preisen verkauft = platziert werden.

b) Zur 20-Regel zählen z.B. nicht die Genussrechts-Beteiligungen, die über Euro 200.000,- hinausgehen. Beispiel : Jemand hat 23 Genussrechtsanteile verkauft. 19 Anteile zu jeweils € 10.000,- bis € 50.000,-; aber vier Anteile zu jeweils über € 200.000,-. Die zuletzt genannten Anteile zu jeweils über 200.000,- zählen nicht zur 20-iger-Regel, da diese hohen Summen gemäß § 2 Abs. 3 c) VermögensanlagenG ohnehin prospektfrei sind.

2. Platzierungsvorteil bei der "anlegerbezogenen Auslegung“ der BaFin bei der 20-iger-Regel

Wann liegen mehrere Vermögensanlagen vor, so dass Bereichsausnahmen bei der gleichen Vermögensanlage zwei- oder sogar dreifach in Anspruch genommen werden könnten. Die Bafin akzeptiert die anlegerbezogenen Auslegung, wonach die 20-iger-Prospektbefreiungsregel zur 40-iger oder 60-iger-Prospektbefreiungsregel werden kann.

Wenn z.B. Nachrangdarlehen mit unterschiedlichen Rechten ( Verschiedene Laufzeiten wie zwei Jahre ( als Kurzläufer ) und zehn Jahre (als Langläufer ) sowie gleichzeitig unterschiedliche Zinshöhen von z.B. 3% p.a. und 6 %p.a. ) ausgestaltet sind, dann handelt es sich dann um verschiedene Vermögensanlagen, so dass jeweils jedes Finanzinstrument mit 20 Verträgen ohne Prospektpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Vermögensanlagengesetz ( VermAnlG ) abgeschlossen werden darf ?

Mehrere Vermögensanlagen liegen u.a. dann vor - so die BaFin in einer aktualisierten, schriftlichen Stellungnahme vom 20. 10. 2021 ( BaFin - Prospekte für Vermögensanlagen - Häufig gestellte Fragen zu Prospekten für Vermögensanlagen und VIB ) - wenn durch Modifikationen in der Ausgestaltung den Anlegern wesentliche unterschiedliche Rechte und Pflichten ( z.B. Rateneinlagen ) gewährt und somit unterschiedliche Anlegergruppen angesprochen werden.

Beispiel der BaFin: Der Anbieter bietet qualifiziert nachrangige Darlehen an. Eine Tranche wird mit einer festen Verzinsung in Höhe von 6% p.a. verzinst, die andere Tranche wird mit einer verhältnismäßigen Beteiligung am Unternehmenserfolg verzinst.

Hier werden zwei unterschiedliche Arten von Vermögensanlagen angeboten. Bei der ersten Variante handelt es sich um Nachrangdarlehen (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 VermAnlG), bei der zweiten Variante handelt es sich um partiarische Nachrangdarlehen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 VermAnlG). Folglich liegen in diesem Fall zwei Vermögensanlagen vor. Was gilt aber, wenn es sich zivilrechtlich um gleichartige Nachrangdarlehen handelt, die jedoch nur von den Konditionen her unterschiedlich ausgestaltet sind.

Neben dem Angebot verschiedener Arten von Vermögensanlagen führt auch eine stark unterschiedliche Ausgestaltung der Beteiligung dazu, dass mehrere Vermögensanlagen vorliegen können ( so die BaFin ).

Dazu ein Beispiel der BaFin: Der Anbieter bietet Nachrangdarlehen mit unterschiedlichen Verzinsungen an. Der Anleger hat die Möglichkeit, zwischen Verzinsungen in Höhe von 2,5%, 5%, 7,5% und 10% p.a. zu wählen. Auch hier werden den Anlegern unterschiedliche Rechte gewährt, sodass verschiedene Vermögensanlagen vorliegen können, so die BaFin.

Darüber hinaus liegen mehrere Vermögensanlagen vor, wenn bei der Ausgestaltung der Laufzeit starke Modifikationen vorliegen.

Beispiel der BaFin: Der Anbieter bietet Nachrangdarlehen an, bei denen der Anleger zwischen einer Laufzeit von drei, fünf oder zehn Jahren wählen kann; also sogen. Kurzläufer und auch Langläufer. In diesem Fall werden drei unterschiedliche Laufzeiten angeboten. Den Anlegern steht es mithin frei, zwischen drei rechtlich unterschiedlich ausgestalteten Vermögensanlagen zu wählen, je nachdem wie lange sie sich binden möchten, sodass hier drei unterschiedliche Vermögensanlagen vorliegen können, wenn dann noch unterschiedliche Zinsen und Mindestbeteiligungshöhen dazu kommen.

Neben den oben genannten Beispielen kann es noch weitere Fallgestaltungen geben, bei denen den Anlegern wesentlich unterschiedliche Rechte oder Pflichten ( z.B. Rateneinlagen ) eingeräumt werden und die somit dazu führen, dass mehrere, unterschiedliche Vermögensanlagen für verschiedene Zielgruppen vorliegen. Nach der BaFin gilt die sogen. „anlegerbezogene Auslegung“, wonach mehrere unterschiedliche Rechte und Konditionen der Finanzinstrumente zu den Bereichsausnahmen gemäss dem § 2 Abs. 1 Nr. 3 a VermAnlG führen.

Allein unterschiedliche Zinshöhen reichen der BaFin im Sinne von wesentlich unterschiedlichen Rechten vermutlich nicht. Die BaFin urteilt streng, weil sie eine missbräuchliche Umgehung der 20-iger-Regel verhindern will.

Weitere Auskünfte erteilt der Wirtschaftsjurist Dr. jur. Horst Werner von der Dr. Werner Financial Service AG unter der Mail-Adresse dr.werner@finanzierung-ohne-bank.de . Referenzen :
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