Lascher Umgang mit Sozialdaten

Eine kürzlich veröffentlichte Studie mit dem Titel „Missbrauch-Risiken der Schweigepflichtentbindung in der Kinder- und Jugendhilfe (siehe Anhang) zeichnet ein sehr düsteres Bild, was den Umgang mit vertraulichen Daten durch deutsche Jugendämter angeht. Die deutschen Jugendämter kommen zunehmend in Verruf. Beschwerden und Proteste nehmen stetig zu. Tausende von Petitionen und Klagen wegen Menschenrechtsverletzungen sind nach Brüssel und Straßburg gesandt worden.
Nahezu unbemerkt blieb aber, dass der Datenschutz sträflich vernachlässigt wird. Die Studie zeigt, dass kaum eine Schweigepflichtentbindung den gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Eine wirksame Einwilligung im Sinne von § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Einwilligende eine im Wesentlichen zutreffende Vorstellung davon hat, worin er einwilligt, sowie die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken vermag. Er muss deshalb wissen, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Personen von der Schweigepflicht entbindet und über Art und Umfang der Einschaltung Dritter unterrichtet worden sein (BGH, NJW 1992, 2348,2350).
Die Einwilligung des Betroffenen bedarf sowohl seiner Einsicht, dass die Hilfestellung erforderlich ist und zugleich seine Bereitschaft mögliche Hilfestellungen durch das Jugendamt oder einer von ihm vermittelte dritte Stellen, anzunehmen. Vor der Einholung der Einwilligung des Betroffenen ist daher eine ausführliche Aufklärung unumgänglich. Diese bleibt aber meist aus. Die in Rahmen der Studie befragten Betroffenen gaben zu 100% an, nicht oder nicht richtig unterrichtet worden zu sein.

Bei weniger als der Hälfte, der Formulare wurden Namen angegeben. In der Mehrzahl der Fälle wurden nur anonyme Vereine oder Institutionen genannt. Fast zweidrittel der verwendeten Formulare hatten nicht mal den gesetzlich vorgeschriebenen Hinweis auf ein Widerrufrecht. Da fragt man sich unwillkürlich: „Warum unterschreiben die Leute so etwas?“ Aus Unkenntnis und aus Angst um die Kinder, ist die Antwort. Diese Angst ist auch durchaus berechtigt. Viele Jugendämter schrecken nicht davor zurück, die Kinder als Druckmittel zu benutzen, um ihre Formulare unterschrieben zu bekommen. Kürzlich hat das Jugendamt in Dillingen an der Donau einer Mutter ein Kind weggenommen, nachdem sie eine gesetzwidrige Schweigepflichtentbindung zurückzog. Sie wollte nur eine korrekte!
Das erste, was das Jugendamt bei einer Maßnahme macht, ist eine Schweigepflichtentbindung unterschreiben zu lassen. Da das Jugendamt selbst keine Hilfemaßnahmen durchführt, übergibt es den Fall an eine Einrichtung der Erziehungs- und Hilfe-Branche. Zur Kooperation ist ein Datenaustausch zwischen Jugendamt und Dienstleister erforderlich. Das Datenschutzgesetz lässt aber keinen freien Datenaustausch zu. Mit einer Schweigepflichtentbindung verzichtet der Unterzeichnende auf seine Rechte aus dem Datenschutzgesetz. Daher muss er wissen, wen er für welche Daten von der Schweigepflicht entbindet und an wen die Daten zu welchem Zweck weitergeleitet werden.
Daten, welche aufgrund einer gesetzwidrigen Schweigepflichtentbindung erhalten wurden, dürfen nicht verwendet werden. Was, wenn sie dennoch verwendet wurden? Jetzt sind die Juristen gefragt. Rollt jetzt eine Prozesslawine auf die Familiengerichte oder Verwaltungsgerichte zu? Warten wir´s ab.

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