Opferinitiative warnt vor Fragebogen der Evangelischen Kirche – Retraumatisierungen befürchtet

„Schon die Anschrift ‚Fachstelle für den Umgang mit Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung’ ist verräterisch verharmlosend“, so Helmut Jacob, Mitglied einer Opferinitiative ehemals misshandelter Heimkinder in den Orthopädischen Anstalten Volmarstein in Wetter bei Hagen. An diese Anlaufstelle können sich nämlich Männer und Frauen wenden, die in Kindheit oder Jugend in Einrichtungen der Evangelischen Kirche Opfer sexueller Verbrechen wurden. Viele wurden vergewaltigt, sexuell belästigt oder gedemütigt. Nach viel zu langen Jahren der Aufarbeitung, unter dem Druck der Öffentlichkeit, stellen die Landeskirchen nun einen Fonds bereit, aus dem sie bis zu 5.000 Euro Leistungen zahlen.

Zuvor müssen die Antragssteller allerdings einen Fragebogen ausfüllen. Und gerade vor diesem Formular warnt die „Freie Arbeitsgruppe JHH 2006“: „Hier müssen Fragen beantwortet werden, die ‚Trigger’ auslösen und damit zu Retraumatisierungen führen könnten“, so Jacob weiter.
http://www.fuvss.de/fileadmin/mediapool/baukaesten/FS_fuvss/2013-11-04-A...
Unter vielen für manche Opfer unangenehmen Fragen ist auch diese Aufforderung zu lesen: „Bitte schildern Sie die Umstände und den Hergang der Missbrauchstat“, und weiter: „Die Angaben sind für die weitere Aufklärungsarbeit unerlässlich.“ Bei Bedarf soll ein Zusatzblatt verwendet werden.

Die Arbeitsgruppe ist empört: „Die Anlaufstelle des ‚Fonds sexueller Missbrauch’ im Bundesfamilienministerium ist da viel humaner, weil sie solche Detailauskünfte gar nicht verlangt und ihren Fragebogen viel behutsamer formuliert“, und sie gibt zu verstehen, „Sie müssen nicht alle Fragen [zum Tathergang] beantworten, wenn es Ihnen nicht möglich ist.“

Die kirchliche Anlaufstelle verlangt Auskünfte auch über mögliche bisherige Leistungen. In einem Brief an die Evangelische Stiftung Volmarstein (zuvor Orthopädische Anstalten), geht die Arbeitsgruppe auf diesen Fragekomplex ein: „Weitere 1½ Seiten gelten der Absicherung vor Überzahlung. Könnte es sein, daß sexuell misshandelte Heimkinder schon anderswo abkassiert haben? Und wenn ja, wo und wieviel?“ und sie fragt: „Ja, geht’s denn noch angesichts der Fülle im ‚Füllhorn’, das man reichlich über die Opfer auszuschütten sich anschickt. Wer so fragt, kennt offenbar die Grenzen von Anstand und Zumutbarkeit nicht.“
http://www.gewalt-im-jhh.de/hp2/Aktivitaten_der_Evangelischen_/Antwort_a...

Ein weiteres Schreiben richtete die Arbeitsgruppe unlängst an die Anlaufstelle, Auszüge:
"Wir werden unseren Schulkameraden und Schulkameradinnen empfehlen, diesen Fragebogen nicht anzufordern. ... Auch werden wir diese heute alten Männer und Frauen davor verschonen, in direkten Kontakt mit Ihrer Anlaufstelle treten zu müssen, weil die Gefahr von Trigger und Retraumatisierung viel zu hoch ist."
"Stattdessen wird die Arbeitsgruppe eine interne Anlaufstelle einrichten und Opfern, die aus ihrem Fonds Leistungen erhalten wollen, einen vertrauenswürdigen Gesprächspartner empfehlen. ... Er wird seinerseits den entsprechenden Antrag formulieren. Wenn bekannt ist, welche Leistung zu erreichen ist (Die Landeskirche Hannover zahlt zwischen 2.000 € und 32.000 € und daran werden wir uns orientieren http://helmutjacob.over-blog.de/article-leistungen-der-evangelischen-lan... uellen-missbrauches-keine-unklarhei-122380511.html), wird diese Vertrauensperson mit dem Opfer absprechen, wie weiter zu verfahren ist und ob bei befriedigendem Ergebnis die konkreten Daten nachgereicht werden dürfen. Unseres Erachtens genügt die Glaubhaftmachung."
http://www.gewalt-im-jhh.de/hp2/Aktivitaten_der_Evangelischen_/Fachstell...

In einem Brandbrief an alle Opfer von sexueller Gewalt in kirchlichen Einrichtungen empfehlen die Vertreter behinderter Opfer aus Volmarstein:
1. Benutzung des Formulars des „Fonds sexueller Missbrauch“
2. Kontaktaufnahme mit dem „Weissen Ring“ unter der kostenlosen Rufnummer 116006
3. für die Volmarsteiner Opfer eine Vertretung durch die „Freie Arbeitsgruppe JHH 2006“
http://helmutjacob.over-blog.de/article-brandbrief-in-sachen-antragsstel...