Eine SS-Karriere zwischen Nervenklinik, KZ-System und Waffen-SS: Theodor Eicke

Vom 24. März bis zum 3. Juni 1933 befand sich unter der Nummer 1098 ein 40-jähri-ger Mann aus Ludwigshafen als Schutzhäftling »zur Beobachtung« in der Universitäts-Nervenklinik in der Würzburger Füchsleinstraße. In der »Krankengeschichte« füllte der behandelnde Stationsarzt die Spalte Beruf folgendermaßen aus: »ohne / SS. Oberführer«. Bei dem Patienten handelte es sich um den fanatischen Nationalsozialisten Theodor Eicke, bei dem Arzt um den ehrgeizigen, gerade 31-jährigen Privatdozenten für Psy-chiatrie und Neurologie, Dr. Werner Heyde. Eicke sollte in den kommenden Monaten und Jahren als Kommandant des KZ Dachau, als Inspekteur der Konzentrationslager und als einer der Mitbegründer der Waffen-SS furchtbare Berühmtheit erlangen, Heyde als medizinischer Leiter des »Euthanasie«-Programms T4 mitverantwortlich für die Ermordung von über 100.000 Menschen werden. Wäre Eicke nicht im Februar 1943 an der Ostfront gefallen, hätte ihn ein Todesurteil in einem alliierten Kriegsver-brecherprozess erwartet.

Eicke
Eine SS-Karriere zwischen Nervenklinik, KZ-System und Waffen-SS
Niels Weise
Verlag Ferdinand Schöningh
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In der Geschichtswissenschaft wird der »Himmler-Günstling-Eicke« zutreffend als »rechtsradikaler Desperado«, als »ein Zielloser, der erst unter den Nationalsozia-listen seine Aufgabe fand« charakterisiert, als ein »SS-Oberführer dubioser persönli-cher Konstitution«, oder gar als »Himmler’s faithful SS henchman«, »pulled off the psychiatrist’s couch«.Ungeachtet des (mal mehr, mal weniger) quellengestützten Urteils der Historiker wurde das Ansehen Theodor Eickes nicht als KZ-Organisator, sondern, gleichsam im luftleeren Raum als »hochverehrte[r] Divisionskommandeur SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS« auch nach Jahrzehnten von Teilen der Waffen-SS-Veteranen unbeirrt hoch gehalten. Zwölf Jahre nach Kriegsende zeigte sich Kurt Meyer, der vor allem in Veteranenkreisen populäre frühere SS-Brigadeführer »Panzermeyer«, als Aktivist der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehema-ligen Waffen-SS« (HIAG) – »dankbar, von so hervorragenden Soldaten wie Papa Ei-cke« geführt worden zu sein. Mit den Worten »Wir sind stolz, dass er der Unserige war!« erinnerte der »Totenkopf-Melder« 1983 in Versalien an den 40. Jahrestag des »Heldentodes« von »Papa Eicke«.12 Allerdings war dieses geklitterte Eicke-Bild auch unter SS-Veteranen nicht unbestritten. 1979 urteilte ein ehemaliger Waffen-SS-Führer im Rückblick: »Persönliche[r] Mut war wohl seine einzige positive Eigenschaft, sein Charakter hingegen übel.«


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