Studien zu Literatur und Biopolitik. 1750-1938

Daß die Literatur auch und gerade in der idealisierenden und dialektisierenden Vermeidung der Aporien und Reste die Biopolitik erst als solche erkennbar macht, spricht für den diskursanalytischen Mehrwert der Literatur, insofern sie auch als Kraft der Diskur sivierung (im doppelten Sinn des Genitivs) verstanden wird.

as neue Leben
Studien zu Literatur und Biopolitik. 1750-1938
Hubert Thüring
Verlag Wilhelm Fink

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Goethe ist zweifellos ein ‚Glücksfall‘, was die inhaltliche, formale und dokumentarische Anlage und Ausrichtung der Texte angeht. Denn sie erlauben es einerseits, das Abstraktionsniveau zu etablieren, dessen die Analyse des Lebensbegriffs bedarf, um die Prozesse der Defiguration und Refiguration zu beobachten und nicht immer schon den ‚neuen Menschen‘ der Anthro pologie. Andererseits bieten sie genug Konkretisierungen, in denen die theoretisch an gelegten oder schon aufgebrochenen Aporien praktische Effekte zeitigen. So kann die Analyse zunächst das vom Kraftbegriff dominierte Erscheinen des biologischen Lebens in der Rezension von Sulzers Traktat Die schönen Künste aufnehmen und den damit verbundenen Aporien der Begründung nachgehen. Die Leiden des jungen Werther er lauben sodann eine diskurspraktische Realitätsprüfung, welche die Produktion biopoliti scher Reste offenlegt.
In den genuin biologischen Arbeiten und der Übersetzung der Erkenntnisse in ästhetische Kategorien läßt sich eine Verschiebung des Akzents vom Kraftpol auf denjenigen der Gestalt und die Herausarbeitung eines dialektischen Den kens beobachten, das die beiden Pole im Begriff der Bildung und im Organismusmodell produktiv aufeinander zu beziehen versucht. Die Verschiebung des theoretischen Ak zents von der Kraft auf die Gestalt ermöglicht die Skizzierung ästhetischer Konzepte, die sich im Theorem der ästhetischen Souveränität verdichten lassen. Diese Umsetzung ins Ästhetische behebt die Begründungsaporien indes nicht, sondern produziert wie derum biopolitische Reste, wie die zweite praktische Probe in Wilhelm Meisters Lehr jahren offenbart.


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Erhard Coch ist Autor verschiedener Bücher und Essays.