Euthanasie durch die Hintertür – im Jahr 2013

Behinderte Menschen brauchen, wenn sie krank sind, oft technische Hilfen, die der Linderung ihres Leidens dienen und zusätzlich therapeutische Effekte bewirken, durch die aufkommende Erkrankungen schneller beendet werden.
Etliche Behinderte sind körperlich so geschwächt, dass die Atemmuskulatur nicht mehr reicht, um beispielsweise „abhusten“ zu können. So setzen sich oft die Bronchien zu und der kranke Mensch kann schlechter und nur rasselnd atmen. Gelegentlich kommt es auch zu derartigen Festsetzungen des Schleims in den Bronchien, dass ein massiver Brustschmerz entsteht, wenn der muskelgelähmte Mensch ein- und ausatmet.
In dem hier vorgestellten Fall stand ein Behinderter kurz vor der Krankenhauseinweisung, weil eine Lungenentzündung in Folge einer bakteriellen Bronchitis drohte. Oft sind die Krankenzimmer unmenschlich beengt. Drei Betten reihen sich aneinander, getrennt von schmalen Nachtschränkchen. Viele schwerbehinderte Menschen brauchen jedoch Assistenz rund-um-die-Uhr, die von den Krankenhäusern nicht geleistet werden kann. Darum ist ein Krankenhausaufenthalt für diese Gruppen Behinderter eigentlich unmöglich.
Dieser behinderte Mann konnte eine Einweisung verhindern, weil er versprach, die Empfehlung der Notärztin strickt umzusetzen. Sie riet dringend zur Anschaffung eines Großflächenmassagegerätes. Darunter ist ein Hilfsmittel zu verstehen, welches an der Auflagefläche eine Platte ähnlich einer Bügeleisenplatte besitzt. Bei Einschaltung dieses Massagegerätes wird diese Platte jedoch nicht heiß, sondern vibriert je nach Einstellung schwach oder stark. Dieses Gerät wird auf dem Rücken rechts und links des Rückrats, an den Oberkörperseiten rechts und links und auf der Brust aufgelegt. Die Vibrationen gelangen bis zu Bronchien und lösen dort festsitzende Sekrete.
Schnell wurde das Gerät bestellt und war bereits 2 Tage später im Einsatz. Jeden Abend kam die Hausärztin und stellte deutlich fest, dass dieses Gerät unverzichtbare Auswirkungen auf die Heilung der bakteriellen Bronchitis hatte. Schon nach drei, vier Tagen waren die Bronchien praktisch sekretfrei und in den Lungenflügeln im Stethoskop keine rasselnden Geräusche mehr hörbar. Auch das Fieber war auf Normalwerte gesunken.
Solch ein Gerät kostet Geld und viele behinderte Menschen verdienen nichts mehr. Entweder sind sie altersbedingt oder aus Gründen der Behinderung nicht mehr im Berufsleben aktiv. Sie zählen in diesen Fällen zu den Grundsicherungsempfängern, wenn die Rente nicht ausreicht. Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme ab mit Verweis auf das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung.
Hilfe erwartete der Behinderte, der behinderungsbedingt Grundsicherung bekam, vom Sozialamt. In diesem Fall ist es der „Fachdienst Soziales“ der Stadt Wetter an der Ruhr. Auch hier: Antrag abgelehnt. Nachfrage des Antragsstellers: Wie kann man die Kosten erstattet bekommen? Antwort: Zusatzversicherung abschließen. Rückfrage des Antragsstellers: Übernehmen Sie die Kosten für die Zusatzversicherung eines Behinderten, die einige Hundert Euro monatlich kostet? Antwort: Nein.
Rückantwort des behinderten Menschen: „In der Schlussfolgerung ergibt sich für mich aus Ihrem Schreiben, dass Sie bei Zahlungsunfähigkeit dieser nichtgedeckten Kosten in zukünftigen Fällen den Tod eines Grundsicherungsempfängers billigend in Kauf nehmen, weil er die erforderlichen Behandlungen aus finanziellen Gründen nicht annehmen kann.“ Letztes Schreiben der Stadt Wetter:
„Ihnen wurde mitgeteilt, dass
• der Basistarif in Art, Umfang und Höhe dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht,
• Kosten, die über das Leistungsspektrum der GKV (Gesetzliche Krankenversicherung) hinausgehen, auch vom Sozialhilfeträger nicht übernommen werden können, da gem. § 52 Abs. 1 SGB XII die Hilfen zur Gesundheit grundsätzlich den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Sozialgesetzbuch - 5. Buch (SGB V) entsprechen,
• die über den Basistarif hinausgehenden Kosten nicht übernommen werden können,
• auch der Behandlungsausweis der Debeka für Basistarif-Versicherte den Hinweis enthält, dass Art, Umfang und Höhe der Leistungen grundsätzlich den Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen. Außerdem werden die Gebührensätze, die von der Debeka übernommen werden, aufgeführt.
Sie fragen an, bei welcher Versicherung Sie eine Zusatzversicherung abschließen sollen.
Meine Auskunfts- und Beratungspflicht beschränkt sich auf die Bestimmungen des Sozialgesetzbuch - 12. Buch (SGB XII). Es gehört nicht zu den Aufgaben des Sozialhilfeträgers, in Bezug auf Beihilfe- und Versicherungsangelegenheiten zu beraten und aufzuklären.
Es ist Ihnen überlassen, zu entscheiden, ob und wie Sie ungedeckte Krankenhilfekosten absichern.“

So funktioniert Euthanasie durch die Hintertür. Man verweigert einfach Hilfe zur möglichen Lebensrettung und damit Lebensverlängerung.

Man reibt sich verwundert die Augen. Gab es nicht Euthanasie nur in der NS-Zeit? Anscheinend nicht. ´

Übrigens: In Wetter leben weit über 1.000 behinderte Männer, Frauen und Kinder. Scheinbar hat die Stadt Wetter sich nicht über die besondere Problematik dieser Menschen den Kopf angestrengt. Der Bedarf ist ja offensichtlich. Anders hätte sie einen solchen Bescheid nicht ausgestellt, sondern nach individuellen Lösungen gesucht. Es drängt sich nahezu das Gefühl auf, dass der Bürgermeister und seine Verwaltung behinderte Menschen nicht mögen. Gerade Wetter wäre der Ort, der mit der Inklusion Behinderter strunzen könnte.