Schadensersatz wegen falscher Ratingangaben

Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hatte sich in einem Fall aus dem Mai 2012 mit der Frage zu beschäftigen, inwieweit sich eine falsche Ratingangabe auf die Anlageentscheidung und damit auf einen möglichen Schadensersatzanspruch auswirkt.

Der Anlageberater machte dem Kläger im April 2008 den Vorschlag seine Commerzbank-Zertifikate gegen Lehman-Zertifikate einzutauschen. In der diesbezüglich versandten E-Mail wurde fälschlicherweise ein Rating der Commerzbank mit A- angegeben. Das korrekte Ranking wäre A gewesen. Erst in einer späteren E-Mail befand sich im Anhang ein Flyer mit dem richtigen Rating der Commerzbank-Zertifikate. Der Kläger tätigte die empfohlenen Anlagegeschäfte vollumfänglich. Ein besonderer persönlicher Hinweis wegen der falschen Daten durch den Berater erfolgte nicht. Bei der Beratung wurde auch unterschlagen, dass das Rating der Commerzbank bei der Agentur Moody's sogar besser war als das von Lehman. Eine Beschränkung im Beratungsvertrag auf lediglich Mitteilung der Bewertungen der Agentur Standard & Poors ist nicht ersichtlich.

Auf Grundlage des Beratungsvertrages ist der Anlageberater dazu verpflichtet eine anleger- und objektgerechte Beratung vorzunehmen. Maßgeblich sind der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes. Grundsätzlich hat eine Bank bei der Beratung diejenigen Eigenschaften und Risiken darzulegen, die für die jeweilige Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sein können. Da ein besseres Rating eines von mehreren Entscheidungskriterien ist, hätte der Anlageberater darüber aufklären müssen. Auch wenn der Berater nicht bewusst mit den Informationen hinter dem Berg gehalten hat, liegt darin ein Beratungsfehler. Fahrlässigkeit ist insoweit ausreichend. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Darüber hinaus geht zulasten des Beraters die Nichtaufklärung im Hinblick auf die bereits zum damaligen Zeitpunkt in der Fachpresse erwähnten Risikofaktoren bei Lehman. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Anlageberater aktuelle Informationen über die Anlage mitzuteilen. Insbesondere negative Berichte aus Wirtschaftszeitschriften und einschlägigen Teilen der Tageszeitungen sind weiterzugeben. Das gilt allerdings nur soweit es sich um eine Berichterstattung handelt, die sich in der Wirtschaftspresse durchgesetzt hat. Nicht erfasst sind reine Meinungen der Autoren. Zum damaligen Zeitpunkt kursierten bereits Informationen über Abschreibungen in Milliardenhöhe. Für den vorgeschlagenen Tausch von Commerzbank und Lehman- Zertifikaten wäre für eine vernünftige Risikobeurteilung eine Aufklärung nötig gewesen. Nur mit diesen Hintergründen ist es für den Investor möglich die Einschätzung des Beraters, wie sicher ein Emittent im Vergleich zu anderen ist, zu überprüfen. Der Anfang 2008 noch durchaus positive Marktbericht kann nicht über die bereits existierenden negativen Fakten hinwegtäuschen. Diese waren in den Ratings noch nicht mit eingeflossen.

Vom Beklagten wird nicht hinreichend ausgeführt, dass eine Kenntnis der Lehman Situation beim Kläger bereits zuvor bestand. Alleine aus dem Wissen um die amerikanische Bankenkrise kann keine spezifische Kenntnis gezogen werden. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Anleger dem Tausch nicht zugestimmt hätte, wenn er von dem in Wirklichkeit besseren Ranking der Commerzbank und den negativen Fakten der Lehman-Bank Kenntnis gehabt hätte. Nur für den Fall, dass der Anleger um die Informationen bereits weiß, müssen diese nicht noch explizit mitgeteilt werden. Dieser Beweis konnte durch den beklagten Berater nicht erbracht werden. Im Ergebnis steht dem Kläger daher ein Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung aus dem Anlageberatungsvertrag zu.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 16. Mai 2012 - 14 U 291/10


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