Bloße Krankmeldung reicht nicht - BAG begründet Pflicht zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon am ersten Tag!

Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist bekanntlich durch das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) gesetzlich geregelt. Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, § 3 Absatz 1 EntgFG.

Hierbei treffen den Arbeitnehmer umfassende Anzeige- und Nachweispflichten. So ist der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen, § 5 Absatz 1 EntgFG.

In der Praxis knüpfen Arbeitgeber gewöhnlich an diese Gesetzesregelung an, d.h., arbeitsvertraglich wird geregelt, dass ein Arbeitnehmer sich unverzüglich arbeitsunfähig krank meldet, diese Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest jedoch erst spätestens nach drei Kalendertagen nachweisen muss.

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht jetzt dem Arbeitgeber ausdrücklich die Berechtigung eingeräumt, auch ohne Vorliegen besonderer Verdachtsmomente eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer verlangen zu dürfen. Danach ist ein Arbeitgeber berechtigt, von dem Arbeitnehmer die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer schon vom ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen. Die Ausübung dieses Rechts steht im Ermessen des Arbeitgebers, welches nicht an besondere Voraussetzungen gebunden ist (BAG, Urteil vom 14. November 2012, 5 AZR 886/11).

In der hierzu veröffentlichten Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. November 2012 heißt es hierzu:

"Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist der Arbeitgeber berechtigt, von dem Arbeitnehmer die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer schon von dem ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen. Die Ausübung dieses Rechts steht im nicht an besondere Voraussetzungen gebundenen Ermessen des Arbeitgebers.

Die Klägerin ist bei der beklagten Rundfunkanstalt als Redakteurin beschäftigt. Sie stellte für den 30. November 2010 einen Dienstreiseantrag, dem ihr Vorgesetzter nicht entsprach. Eine nochmalige Anfrage der Klägerin wegen der Dienstreisegenehmigung am 29. November wurde abschlägig beschieden. Am 30. November meldete sich die Klägerin krank und erschien am Folgetag wieder zur Arbeit. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, künftig schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest vorzulegen. Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Widerruf dieser Weisung begehrt und geltend gemacht, das Verlangen des Arbeitgebers auf Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits für den ersten Tag der Erkrankung bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung. Außerdem sehe der für die Beklagte geltende Tarifvertrag ein derartiges Recht nicht vor.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Die Ausübung des dem Arbeitgeber von § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeräumten Rechts steht im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Eine tarifliche Regelung steht dem nur entgegen, wenn sie das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließt. Das war vorliegend nicht der Fall".

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht stärkt das Interesse des Arbeitgebers und schafft Rechtsklarheit. Der Arbeitgeber darf uneingeschränkt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits am ersten Tag der Erkrankung des Arbeitnehmers fordern, es sei denn, dieses Recht ist tarifvertraglich - oder individualvertraglich - ausdrücklich ausgeschlossen. Die Praxis wird zeigen, ob sich Arbeitgeber zukünftig auf diese Klarstellung der Rechtslage einstellen und ärztliche Atteste bereits am ersten Tag der Erkrankung eines Arbeitnehmers fordern werden. Der Gang des Arbeitnehmers zum Arzt bereits am ersten Tag der Erkrankung birgt nämlich das Risiko einer länger andauernden Krankschreibung und damit das Risiko, dass Arbeitnehmer krankheitsbedingt mehr als drei Tage ausfallen.


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