Staatsschuldenkrise: Neuverschuldungen angesichts drohender Konjunkturflaute grob fahrlässig - von Dr. Horst Siegfried Werner
Pressetext verfasst von HorstWerner am Mi, 2011-11-23 11:03.Die Neuverschuldung Deutschlands mit geplanten Euro 26 Mrd. in 2012 ist mittel- bis langfristig ein Finanzierungswahnsinn vor dem Hintergrund von Hochkonjunktur in 2011 ( = höchste Steuereinnahmen aller Zeiten ), niedrigsten Zinsen aller Zeiten, dem demographischen Wandel und einem nicht bezahlbaren Renten- und Pensions-Tsunami, der auf alle Staaten Europas ungebremst zuläuft. Wer solche positiven Zeiten bei höchsten Staatseinnahmen und geringsten Zinskosten nicht für die Vermeidung von Neuverschuldungen oder gar für den Schuldenabbau nutzt, handelt grob fahrlässig. Spare in guten Zeiten, dann hast Du in der Not. Und die Konjunktureinbrüche sowie höhere Kapitalmarktzinsen werden so sicher kommen, wie der Wechsel von Sonne und Regen. Alle Staaten Europas sind darauf nicht vorbereitet. Spanien bezahlt für 6-Monats-Bonds bereits über 5,3 %. Bundesanleihen rentieren derzeit mit 1,8 %. Würden die Zinslasten um 2%-Punkte auf 3,8% p.a. steigen, hätte Deutschland Euro 40 Mrd. höhere Kosten jährlich. Das wäre bereits heute fast nicht bezahlbar.
Alle EU-Länder müssten statt der seit über 60 Jahren praktizierten Neuverschuldung einen systematischen Schuldenabbau betreiben und das Renteneintrittsalter auf 70 Jahre plus X anheben, um an den Finanzmärkten glaubwürdige Schuldner zu sein. Anders sind die Finanzmärkte nicht mehr zu überzeugen und bei den Investoren kann das Vertrauen nicht zurück gewonnen werden. Erstaunlich ist nur, daß die Finanzmärkte in der seit dem Frühjahr 2010 anhaltenden Staatsschuldenkrise so geduldig und langatmig sind.
Die Investoren an den Finanzmärkten treiben wegen der erkennbaren Risiken die Zinsen für Staatsanleihen unaufhaltsam nach oben, die alsbald nicht mehr zahlbar sind. Die EZB hat die Zinsführerschaft längst verloren. Die Märkte bestimmen die Zinsen mit den notwendigen Risikoaufschlägen. Der Schuldenschnitt von 50 % bei Griechenland macht deutlich, wie wichtig für Investoren die Risikoaufschläge sind.
Aufgrund der in den letzten Jahren exorbitant gestiegenen Staatsverschuldungen sind ( historisch gesehen lediglich durchschnittliche ) Anleihezinsen von 7 % für die Euro-Staaten bereits heute nicht mehr bezahlbar. In den siebziger Jahren rentierten die Bundesanleihen und die Anleihen anderer europäischer Staaten unproblematisch mit 7 % – 9 %. Ein solches Zinsniveau, das im historisch oberen Mittel liegt, führt heute ohne Rettungsschirme ganz schnell zur Insolvenz. Jeder Unternehmer müßte sich den Vorwurf der absichtlichen Insolvenz gefallen lassen, wenn er sich so verschuldet und finanziert hätte, daß er die laufende Betriebsmittel-Finanzierung von 7 % nicht mehr bezahlen könnte. Jeder Unternehmer muß seine Pensionsverpflichtungen in der Bilanz passivieren, um einen realistischen Vermögensstatus bzw. Schuldenstatus ermitteln zu können. Die Staaten lassen dies ausserhalb ihrer Berechnungen. So kommen Lasten, von denen Fachleute heute bereits sagen, daß sie nicht ohne drastische Rentenkürzungen bezahlbar sein werden.
Die Finanzmärkte, die aus den Euro-Anleihen fliehen, sind nicht böse, sondern haben aus Investorensicht Recht (!) : Solange die Staaten nicht die Neuverschuldung um jeden Preis stoppen; solange die Renten nicht auf ein deutlich höheres Eintrittsalter von 70 + angehoben werden und solange die Staaten bereits bei Durchschnittszinsen von 7 % insolvenzreif sind, wird die Staatsschuldenkrise kein Ende finden und sich monatlich verschärfen. Frankreich ( mit dem Witz der Anhebung des Rentenalters von 60 auf 62 Jahre ) spürt die eintretenden Verschärfungen mit immer höheren Risikoaufschlägen ( jetzt als - noch - Triple-A-Staat bei 3,9% )schon. Und es wird in 2012 der Monat kommen, in dem auch Deutschland bei den Rating-Agenturen und den Investoren auf dem Prüfstand steht und die Anleihezinsen deutlich anziehen werden, sofern das Ruder nicht radikal herumgerissen wird. Der Konjunktureinbruch in der europäischen Autoindustrie, der Wachstumsrückgang in China und die Verminderung der Auftragseingänge im produzierenden Gewerbe sind Vorboten für die Finanzmärkte.