50+1-Regel: Sportrechtler legt juristische Schwachstellen offen

Die Bundesliga ist beileibe kein Armenhaus – und doch sind nach der WM 2010 wieder viele junge Topstars in vergleichsweise finanzkräftigere Ligen abgewandert. Ein Qualitätsverlust, der durch Altstars wie Raúl oder Ruud van Nistelrooy nur bedingt kompensiert werden kann. Um ihre nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, erhoffen sich einige deutsche Vereine daher eine Abschaffung der hierzulande geltenden „50+1-Regel“. Diese sichert ihnen zwar eine Stimmenmehrheit gegenüber Kapitalanlegern zu, verhindert nach Ansicht des Sportrechtlers Dr. Thomas Steeger aber auch eine höhere Investitionsbereitschaft Dritter. Zudem verstößt die umstrittene Regel möglicherweise gegen EU-Recht.

Duisburg/NRW. „Natürlich grenzen die Ablösesummen und Gehälter, die im Ausland für Spieler wie Ronaldo oder Rooney gezahlt werden, an Wahnsinn“, räumt der Duisburger Sportrechtler Dr. Thomas Steeger ein. „Aber Fakt ist nun einmal, dass die führenden Clubs der englischen Premier League oder der spanischen Primera División über entsprechende Finanzmittel verfügen.“ Selbst wirtschaftlich florierende Bundesligavereine wie der FC Bayern München könnten da auf Dauer nicht mithalten, befürchtet der 45-jährige Doktor der Rechte, Steuerberater und DFB-lizenzierte Spielerberater, dessen Agentur Dr. Steeger Sportmanagement neben Spielern und Trainern auch diverse Vereine betreut.

„Nostalgikern mag das nicht gefallen, aber der Fußball ist eben seit vielen Jahren ein stark wachsender Wirtschaftszweig, und wenn im Ausland besser bezahlt wird, sind Spitzenspieler hier leider nicht zu halten“, so Steeger weiter. Der Wechsel von Mezut Özil und Sami Khedira zu Real Madrid im Sommer 2010 sowie der spektakuläre Transfer von Edin Dzeko zu Manchester City Anfang 2011 belegen dies auf ernüchternde Art und Weise.

Eine Regel mit Ausnahmen

Die Lösung des Dilemmas sehen Steeger und andere Fachleute in der Änderung oder Abschaffung der in Deutschland und Österreich geltenden und seit jeher kontrovers diskutierten 50+1-Regel. Diese stellt sicher, dass Vereine gegenüber Kapitalanlegern die Stimmenmehrheit behalten und dadurch – zumindest theoretisch – eigenständig entscheiden und handeln können.

In der Praxis sieht dies bisweilen jedoch etwas anders aus: Während bei der TSG Hoffenheim 1899 oder dem FC Schalke 04 davon ausgegangen werden kann, dass die jeweiligen Geldgeber – namentlich der millionenschwere Mäzen Dietmar Hopp sowie der russische Energie-Multi Gazprom – einen größeren Einfluss auf die Vereinsgeschicke nehmen, als es das im internationalen Vergleich eher konservative DFL-Konstrukt vorsieht, sind die Werksclubs Bayer 04 Leverkusen und VfL Wolfsburg gleich ganz von der 50+1-Regel ausgenommen. Letztere sind 100-prozentige Töchter der Bayer AG beziehungsweise der Volkswagen AG, die Konzernvorstände behalten also das letzte Wort. Gegner sehen in diesen „Ausnahmen von der Regel“ einen klaren Wettbewerbsnachteil für alle anderen Clubs, welcher mit dem via EU-Recht eingeforderten „Gebot der Gleichbehandlung“ nur schwerlich in Einklang gebracht werden kann.

Investoren werden ausgebremst

Dies ist allerdings nicht die einzige juristische Schwachstelle. Noch weitaus schwerer wiegt aus Steegers Sicht der damit verbundene potenzielle Verstoß gegen die ebenfalls im EU-Recht festgelegte Freiheit des Kapitalverkehrs: „Grundsätzlich ist es so, dass in den EU-Mitgliedstaaten beheimatete Investoren mit ihrem Geld machen können, was sie wollen. Daran dürfen sie weder von staatlicher Seite noch von marktbeherrschenden Verbänden oder Vereinen gehindert werden.“ Mit ihrer prima facie unrechtmäßigen 50+1-Regel, die zudem auch kartellrechtlich problematisch sei, unterbinde die DFL jedoch den freien Kapitalverkehr in der Fußballwirtschaft.

„Insgesamt werden Investoren so nicht gerade dazu ermutigt, mehr Geld in Vereinen anzulegen“, bringt Steeger das Problem auf den Punkt. Dazu müsste ihnen mehr Mitspracherecht eingeräumt werden. „Es ist doch nachvollziehbar, dass Großinvestoren auch maßgebliche Entscheidungen treffen möchten. Schließlich ist es ihr Geld.“ Hierbei sei vor allem Bayer 04 Leverkusen ein sehr gutes Beispiel dafür, dass ein Verein trotz (oder gerade wegen) des großen Einflusses des Geldgebers sportlich erfolgreich sein kann – wodurch die „Investitionsbremse 50+1“ letztlich ad absurdum geführt werde. „Nicht zu vergessen ist auch, dass sich ohne diese Restriktion auch für Clubs der unteren Ligen völlig neue Perspektiven eröffnen würden“, ergänzt Steeger.

96-Clubchef reicht Klage ein

Einer der Hauptgegner der 50+1-Regel ist seit Jahr und Tag der Präsident von Hannover 96 Martin Kind. Der niedersächsische Unternehmer hat seiner angesichts der oben geschilderten juristischen Implikationen wohl nicht unberechtigten Dauerkritik jetzt Taten folgen lassen und ist als erster Clubchef in die Offensive gegangen: Dem Ständigen Schiedsgericht liegt seit Anfang Februar 2011 eine Klage gegen die DFL-Regelung vor.

„Ich gehe davon aus, dass sich im Verlaufe eines damit sehr wahrscheinlich gewordenen Gerichtsverfahrens herausstellen wird, dass 50+1 tatsächlich gegen geltendes EU-Recht verstößt. Damit dürfte die Regel bald Geschichte sein“, prognostiziert Sportrechtsexperte Steeger. „Allerdings bin ich mir sicher, dass die meisten Fans und Clubs ihr keine Träne mehr nachweisen, wenn der deutsche Fußball dadurch wieder finanzkräftiger und attraktiver für Topstars geworden ist.“

Übrigens hat ein von der Gegenseite beauftragter Sportrechtler, der Kicker-Kolumnist Dr. Thomas Summerer, bereits Mitte 2008 leise Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Regelung geäußert. In seinem im Fachmagazin SpuRT abgedruckten Beitrag heißt es abschließend: „(Es) kann nicht mit Sicherheit vorhergesagt werden, dass ein Gericht, insbesondere auf europäischer Ebene, die 50+1-Regel billigt.“ Genau das dürfte sich nun bald zeigen. Info unter: www.players-agent.de

Pressekontakt:
Andreas Quinkert
Telefon: 0203 / 372730
Mobil: 0173 / 3952948
E-Mail: presse@players-agent.de


Über Andreas Quinkert