Fragen zu Fukushima
Pressetext verfasst von Klaus Gärtner am Mi, 2011-03-16 19:36.(Technische Hintergründe zum besseren Verständnis der laufenden Nachrichten aus Japan) 16.03.11
Antworten auf Fragen zu Fukushima
In den letzten Tagen kamen Fragen an, von denen ich einige allgemein beantworten möchte:
Ist die Kernschmelze in Fukushima noch zu verhindern? Wahrscheinlich nicht, so schlimm das klingt. Zur Zeit ergreifen die Techniker vor Ort die unkonventionellen Notmaßnahmen, die ich in meinem Artikel vom 12.03.11 schon vorweg beschrieben habe. Das kann durchaus Erfolg haben, aber nur, solange es Menschen gibt, die ihr Leben dafür opfern. Denn die Strahlung in der gesamten Anlage ist so hoch, dass die Menschen auf Dauer – also in den folgenden Jahren – ziemlich sicher mit Schäden rechnen müssen. Wenn diese Menschen aufgeben, brennen alle verlassenen Reaktoren unweigerlich durch, weil die normalen Kühlmöglichkeiten ja alle ausgefallen sind. Wenn der erste Reaktor durchgebrannt ist, wird die Strahlung so hoch, dass selbst die heldenhaftesten Techniker keine Chance haben, weil sie sehr schnell sterben werden. Im Moment hängt wirklich alles an der Opferbereitschaft der Menschen vor Ort. (In Tschernobyl wurden Tausende von Soldaten einfach abkommandiert. Das wird in Japan wohl so nicht gehen.)
Sollte man Japan sofort verlassen, wenn man sich dort zufällig befindet? Ja, unbedingt, wenn man Kinder hat oder noch Kinder bekommen möchte. Dieser Rat ist aber nicht damit begründet, dass die radioaktive Wolke so schnell kommt, sondern damit, dass sie garantiert kommt und es von Tag zu Tag weniger Möglichkeiten geben wird, wegzukommen. Wer als Techniker oder Korrespondent dort arbeitet und seinen Beruf sehr ernst nimmt, sollte ruhig bleiben, wenn er über das Gebär- oder Zeugungsalter hinaus ist.
Hat die Strahlung auch Auswirkung auf Deutschland? Natürlich hat sie das, aber Panik oder irgendwelche spezielle Aktivitäten sind völlig unangebracht. Die ersten radioaktiven Partikel sind in den nächsten Monaten zu erwarten, sind aber noch völlig unbedeutend. Es dauert Jahre, möglicherweise Jahrzehnte, bis sich die bodennah ausgestoßenen radioaktiven Stoffe aus Japan weltweit verteilen. In der Zeit sind etliche schon zerfallen, aber auf jeden Fall wird die radioaktive Hintergrundstrahlung ebenso wie die Anwesenheit von Plutonium weltweit sehr deutlich zunehmen. Dagegen kann man gar nichts tun. Deshalb ist jeder Aktivismus sinnlos.
Kann uns ein Unglück wie in Japan auch in Deutschland ereilen? Selbstverständlich. Es bedarf keines Erdbebens, um ein Atomkraftwerk, dessen Grundprobleme ja immer dieselben sind, zum Entgleisen zu bringen. Meistens handelt es sich eher um eine folgenschwere Kombination etlicher Fehler, sowohl technischer als auch menschlicher Art. Menschliche Fehleinschätzung brachte die Kernschmelze in Harrisburg (USA, im letzten Moment gestoppt). Übertriebener Ehrgeiz brachte die Katastrophe von Tschernobyl (Ukraine, explodiert, ohne die Nachbarreaktoren zu beschädigen). Ein Studium der Vorfälle von Forsmark (Schweden, Unfall nur durch Zufall abgewendet) aus dem Jahr 2006 zeigt, wie Atomunfälle gemacht werden. In Deutschland würden aber nicht so viele Reaktoren auf einmal betroffen sein. (In Frankreich schon!) Aber wenn auch nur ein Reaktor, zum Beispiel AKW Krümmel, das nur 30 km vom Hamburger Rathaus entfernt und wie in Fukushima ein Siedewasserreaktor ist, zur Kernschmelze kommt, ist die Millionenstadt Hamburg mit einem weiten Umkreis komplett verloren und auch nicht evakuierbar. Die Auswirkungen auf ganz Deutschland wären unvorstellbar.
Über Klaus Gärtner
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Atomtechnik