Der Massenmord von Katyn

70. Jahrestag der stalinistischen Terrortat

Zum 70. Jahrestag des Massakers von Katyn hatte Russlands Regierungschef Wladimir Putin den polnischen Ministerpräsidenten Ronald Tusk eingeladen, gemeinsam der Ermordeten zu gedenken und damit ein Zeichen der Versöhnung zu setzen. „Wir können es nicht ändern, aber können die Wahrheit und historische Gerechtigkeit wiederherstellen und erhalten“, sagte Putin in seiner Rede. Zwar bat er nicht direkt um Verzeihung, bekannte jedoch eindeutig, dass es sich beim Massenmord von Katyn um ein stalinistisches Verbrechen gehandelt hat. Es sei aber eine Unwahrheit, wollte man nun das gesamte russische Volk für die Untat in Verantwortung nehmen.

Mit „zynischen Lügen“, wie Putin es nannte, sei die Weltöffentlichkeit über die tatsächlichen Geschehnisse im März/April 1940 hinters Licht geführt worden. Ein halbes Jahrhundert lang lastete die Schuld nämlich vollkommen zu unrecht auf deutschen Schultern. Die UdSSR hatte über beinahe 50 Jahre ihre Verantwortung an dem Verbrechen geleugnet und mithilfe der Massenmedien dreist der deutschen Wehrmacht den Massenmord anzuhängen versucht. Erst 1990 räumte Moskau offiziell ein, dass in Katyn stalinistische Verbrecher von der Einheit des sowjetischen Innenministeriums NKWD gewütet hatten.

„VERSCHWÖRUNG DES SCHWEIGENS“ GEGEN DEUTSCHLAND

Schon am 13. April 1943 ging durch den deutschen Rundfunk die Meldung, dass bei Katyn die Massengräber von auf Stalins Befehl ermordeten Polen gefunden worden seien. Die Sowjets beantworteten die Meldung mit kräftigen Gegenvorwürfen und Dementis. Die amerikanische und britische Regierung schenkten in offiziellen Stellungnahmen den Sowjets Glauben, kein Wunder, handelte es sich doch um den Verbündeten gegen Deutschland. So wurde die Wahrheit, und damit auch das Andenken der Opfer, von der alliierten Front gegen Deutschland unterdrückt. Schon 1940, also kurz nach den Geschehnissen, hatte London Informationen über die Erschießungen erhalten, diese aber geheim gehalten. 1971 rührte sich in Großbritannien das Gewissen. Im Oberhaus beschlossen die Lords, den Massenmord von Katyn durch eine neuerlich entsandte Kommission zu untersuchen. Es war die Rede von einer „Verschwörung des Schweigens“, die den kriminellen Charakter des Sowjetimperialismus zu vertuschen versuche.

Deutschland hatte bereits 1943 eine internationale Expertenkommission beauftragt, die Vorgänge von Katyn aufzuklären. Zwölf ausländische Gerichtsmediziner, neutrale, anerkannte Kapazitäten, des Weiteren britische und amerikanische Kriegsgefangene sowie Angehörige des Polnischen Roten Kreuzes reisten vom 28. bis zum 30. April nach Katyn. Die Untersuchungen aller Gerichtsmediziner ergaben, dass die Leichen aus dem Jahr 1940 stammten und somit die Tötung zeitlich in die sowjetische Herrschaft fallen musste. Das Protokoll der Untersuchung, zu der eine ausgiebige und akribische Leichenschau sowie Vernehmungen von Zeugen gehörten, hielt die gerichtlich-medizinischen Ergebnisse der durchgeführten Besichtigungen fest:

„Als Todesursache der sämtlich bisher ausgegrabenen Leichen wurde ausnahmslos Kopfschuss festgestellt. Es handelt sich durchweg um Genickschüsse … Aus der Sprengung des Schädels und dem Befund von Pulverschmauch … ist auf Schuss mit aufgesetzter Mündung oder aus unmittelbarer Nähe zu schließen. … Bei zahlreichen Leichen konnten gleichartige Fesselungen der Hände und in einigen Fällen auch vierstrahlige Bajonettstiche an Kleidung und Haut festgestellt werden. Die Ausführung der Fesselung entspricht den an Leichen russischer Zivilisten festgestellten Fesselungen, die ebenfalls im Wald von Katyn ausgegraben und schon viel früher begraben wurden. Es wurde ferner festgestellt, dass auch die Genickschüsse bei den Leichen von Zivilrussen ähnlich zielsicher abgegeben wurden.“

Die Untersuchungen der Kommission, die Zeugenaussagen, die bei den Leichen gefundenen Briefe oder Tagebücher, Zeitungsberichte usw. ergaben eindeutig, dass die Erschießungen im März und April 1940 stattgefunden haben. Das Gutachten belegte somit die Täterschaft der Sowjets. Von alliierter Seite ließ es sich nicht widerlegen. Doch wenige Wochen nach der Veröffentlichung wurde das Gebiet um Katyn von der Roten Armee zurückerobert und im November 1943 eine „außerordentliche Staatskommission“ gegründet, die mit einer eigenen Untersuchung dem von neutraler Seite erstellten Gutachten entgegentreten sollte. Wissenschaftlichkeit spielte dabei gar keine Rolle, die bolschewistische Propaganda behauptete einfach das Gegenteil.

So wurde Katyn in seiner sowjetischen Lesart sogar Bestandteil der Anklage in den Nürnberger Prozessen. Der sowjetische Ankläger Pokrowsky verlas dazu: „Wir ersehen aus der Anklageschrift, dass eine der wichtigsten verbrecherischen Handlungen, für die die Hauptkriegsverbrecher verantwortlich sind, die Massenhinrichtung polnischer Kriegsgefangener war, die in den Wäldern von Katyn bei Smolensk von den deutschen faschistischen Eindringlingen vorgenommen wurde.“ Schließlich blieb aber das Massaker von Katyn unbeachtet – weil die Alliierten genau wussten, auf wessen Seite die Schuld lag. Nichtsdestotrotz waren Anfang 1946 in Leningrad zehn deutsche Kriegsgefangene von der bolschewistischen Justiz verurteilt und sieben gehängt worden, nachdem zwei der Angeklagten in dem Schauprozess (unter anderem) das Massaker von Katyn eingeräumt hatten. Die Offiziellen der Bundesrepublik Deutschland unternahmen keine Anstrengungen, sich für die Rehabilitation der Verurteilten einzusetzen. Die wahrhaft Verantwortlichen wurden nie zur Rechenschaft gezogen.

AUSROTTUNG DER POLNISCHEN INTELLIGENZ

„Es ist aktenkundig, dass der Entschluss, die Gefangenen zu liquidieren, ideologisch motiviert war; es ging darum, große Teile der gesellschaftlichen Gruppen auszurotten, die sowohl bewaffneten als auch geistigen Widerstand gegen die sowjetische Okkupation leisten konnten“, schreibt der Historiker Tomasz Mianowicz.

Im Herbst 1939 waren beinahe 15.000 polnische Offiziere und Soldaten in sowjetische Gefangenschaft geraten. Anfang März 1940 unterzeichnete das Politbüro der KPdSU – namentlich also Stalin, Molotow, Kaganowitsch, Woroschilow, Mikojan, Beria und Kalinin, nach dem heute Königsberg Kaliningrad heißt – den Befehl zur Exekution von „Nationalisten und konterrevolutionären Aktivisten” in den besetzten Gebieten. So fielen in Polen bis zu 22.000 Personen dem stalinistischen Terror zum Opfer.

In Katyn wurden unter anderem 11 Generale, ein Konteradmiral, 77 Obristen, 197 Unterobristen, 541 Majore, 1.441 Kapitäne, 6.061 andere Offiziere sowie 18 Kapläne und andere Geistliche erschossen. 55 Prozent der Ermordeten, darunter viele Juden, hatten Hochschulbildung.

Marleen Loebuch


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