Klimaschutz wird national

Die Lehren aus dem Scheitern der Weltklimakonferenz in Kopenhagen.

„Das Weltklima hängt nicht an einer einzelnen Regierung und nicht an der Weltorganisation, sondern muss zur eigenen Sache jedes Landes werden!“

Diese Stellungnahme des SPD-Bundestagsabgeordneten und Eurosolar-Präsidenten Hermann Scheer zur Weltklimakonferenz in Kopenhagen ist Ausdruck eines Umdenkens nach dem Scheitern des Gipfels, der die Supershow der Politik-Superstars hatte werden sollen. Die vergangene UN-Klimakonferenz war die 15. Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen. Sie stellte zugleich das fünfte Treffen im Rahmen des Kyoto-Protokolls dar und sollte den allseits erhofften Durchbruch beim Klimaschutz bringen. Geplant war die Verabschiedung eines verbindlichen Nachfolgeabkommens zum 2012 auslaufenden Kyoto-Protokoll.

DAS NULLUM VON KOPENHAGEN

Alles, was in der Politik Rang und Namen hat, kam nach Kopenhagen, um sich als Retter der Welt feiern zu lassen. Von der deutschen „Klima-Kanzlerin“ Angela Merkel bis zum amerikanischen Präsidenten Barack Obama waren hoch- und höchstrangige Vertreter von 193 Staaten anwesend. Doch den Experten schwante bereits, dass dieser Gipfel unter keinem guten Stern stehen würde. Denn bei den informellen Beratungen im Vorfeld hatte sich keinerlei Einigung abgezeichnet. Die Gipfelteilnehmer hätten also in Kopenhagen eine Lösung aus dem Hut zaubern sollen, die in den Monaten zuvor nicht gefunden werden konnte.

Anstelle einer völkerrechtlich bindenden Vereinbarung über die Reduktion der Treibhausgasemissionen, etwa die Halbierung des globalen Kohlendioxidausstoßes bis zum Jahre 2050, oder über den Schutz der Urwälder und andere dringend notwendige Fragen nahmen die Konferenzteilnehmer lediglich ein vollkommen unverbindliches politisches Papier „zur Kenntnis“. Rechtlich ein absolutes Nullum. So ist das Wort „Katastrophe“, das der schwedische Umweltminister für den Ausgang der Konferenz gefunden hat, die treffende Bezeichnung.

DER „WEITE WEG“

Es ist klar, dass die beteiligten politischen Akteure das nicht zugeben. Immerhin wollen sie nicht mit dem völligen Scheitern in einer existentiellen Frage in Verbindung gebracht werden. Wie die diversen Staatschefs die Nullnummer beschönigen, lässt immerhin ein hohes Maß an Einfallsreichtum erkennen. So sprach beispielsweise Barack Obama von einem „bedeutsamen und unerwarteten Durchbruch“. Verschämt fügte er dann noch hinzu: „Wir sind einen weiten Weg gegangen, aber wir müssen noch viel weiter gehen.“ Der „weite Weg“, den er gegangen ist, kann sich dabei offenbar nur auf die Reise von Washington nach Kopenhagen bezogen haben. Denn in der Sache gibt es rein gar nichts vorzuweisen. Die pure Tatsache, dass das unverbindliche und auch nicht etwa förmlich verabschiedete, sondern nur „zur Kenntnis genommene“ Konferenzpapier, der so genannte „Copenhagen Accord“, das Ziel erwähnt, die Erderwärmung auf weniger als 2 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen, ist kein Grund zum Jubel. Denn irgendwelche näheren Ziele für die Verringerung der Treibhausgasemissionen wurden nicht beschlossen, von konkreten Programmen oder Maßnahmen ganz zu schweigen. Genauso gut hätte man das Ziel benennen können, dass alle Menschen sich lieben, die Luft wieder sauber, das Wasser klar und die Atmosphäre rein ist. Was für ein Fortschritt!

GREENPEACE: „VERSAGEN DER POLITIKER“

Dass nicht einmal dieses völlig unverbindliche Papier förmlich verabschiedet wurde, liegt übrigens daran, dass viele Entwicklungsländer gegen die Zielsetzung, die Erderwärmung auf 2 Grad zu begrenzen, als nicht weitgehend genug protestierten. Nicht zuletzt verschiedene Inselstaaten sehen darin den Todesstoß für ihr Land infolge des ansteigenden Meeresspiegels. Der Vertreter Tuvalus etwa formulierte drastisch:

„Es sieht so aus, als würden uns 30 Silberlinge angeboten, um unser Volk und unsere Zukunft zu verraten. Doch unsere Zukunft steht nicht zum Verkauf.“

Zum Teil wurde von Entwicklungsländern vorgebracht, dieses zu lasche Ziel würde langfristig Millionen Todesopfer in den ärmsten Staaten verursachen. Daher waren sie nicht bereit, dieses Konferenzpapier zu unterschreiben.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sprach, ähnlich wie Bundeskanzlerin Merkel und Umweltminister Norbert Röttgen, beschönigend von einer „Einigung“, die „zwar nicht perfekt, aber die bestmögliche“ sei. Klartext redet dagegen der Direktor des Copenhagen Consensus Center, Björn Lomborg:

„Die Einigung ist nichts als der Versuch der führenden Politiker, ihr Gesicht zu wahren.“

Andere Klimaschützer sprechen von einer „reinen Farce“ und einer „Ohrfeige für das Weltklima“.

„Der Klimagipfel in Kopenhagen ist zum Symbol für das Versagen der Politiker geworden“, erklärt Roland Hipp, Kampagnen-Geschäftsführer von Greenpeace. Auf der anderen Seite jubeln Industrievertreter in den USA. Die Nichteinigung würde „Millionen von Arbeitsplätzen retten“.

DER STERN DER USA IM SINKEN

Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus dem Debakel von Kopenhagen ziehen? Dass 193 Staatschefs in einer Nacht- und Nebelaktion den Gordischen Knoten durchschlagen, ist vollkommen unrealistisch. Dem Kopenhagener Gipfel fehlten sinnvolle, im Vorfeld unter den Verhandlungsführern abgestimmte Arbeitsunterlagen und Beschlussvorlagen. Insofern war das Gipfelmanagement gleichermaßen chaotisch wie dilettantisch.

Zweitens zeigte sich auf dem Gipfel eine gravierende Verschiebung der weltpolitischen Machtverhältnisse. So ist bekannt geworden, dass Barack Obama versucht hat, eine nächtliche Kompromissformulierung in direkten Verhandlungen mit dem chinesischen Premier Wen Jiabao zu erreichen. Doch Wen war nicht allein. Obama traf ihn in einer Runde mit den Regierungschefs von Indien, Brasilien und Süd-Afrika an. Als sich Obama dann mit diesen vier Staatschefs zugleich auseinandergesetzt hatte und meinte, eine abgestimmte Lösung gefunden zu haben, reiste er am nächsten Tag ab. Nicht ohne vorher in einer Pressekonferenz seinen vermeintlichen Verhandlungserfolg zu verkaufen. Doch als sich unter den Entwicklungsländern Kritik an der Kompromissformel regte, rückten China, Indien, Brasilien und Süd-Afrika von ihrer Einigung mit den USA kurzerhand wieder ab. Ganz deutlich zeigte sich hier, dass der Stern der USA auf der weltpolitischen Bühne im Sinken begriffen ist.

Drittens spielte die Bundesregierung eine absolut jämmerliche Rolle auf dem Kopenhagener Gipfel. Angela Merkel war der „Ritter von der traurigen Gestalt“. Über die nächtliche Verhandlungsrunde zwischen den USA, China, Indien, Brasilien und Südafrika war sie Berichten von Beobachtern zufolge nicht einmal informiert worden. Und wie Barack Obama reiste sie in völliger Fehleinschätzung der Lage von dem Gipfel vorzeitig ab, als sie meinte, die Dinge seien geregelt. Bei der nachfolgenden, stundenlangen dramatischen Auseinandersetzung unter den Delegationen war sie nicht mehr zugegen.

„CHANCE IN JEDEM EINZELNEN LAND ERGREIFEN“

Niemand kann sich also auf eine von allen Staaten der Welt unterzeichnete Globalregelung in ferner Zukunft verlassen. Auch der eingangs zitierte Hermann Scheer erteilt dem globalen Ansatz eine Absage:

„Was solche Weltkonferenzen von Beginn an lähmt, ist der praktisch aussichtslose Versuch, einen Handlungskonsens unter allen beteiligten Regierungen für ein einheitliches Weltregime zu finden. Denn die Ausgangsbedingungen zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern sind extrem verschieden, abgesehen von ihren geografischen, sozialen und kulturellen Besonderheiten.“

National soll es nun weitergehen:

„Das richtige Vorgehen wäre, den grundlegenden Wechsel der Energiebasis als Chance zu verstehen. Sie muss in jedem einzelnen Land unter den jeweiligen konkreten volkswirtschaftlichen Bedingungen ergriffen werden.“

Umwelttechnologie als Chance wurde freilich schon lange gepredigt. Geschehen ist hierzulande wenig. Mittlerweile hat China etwa im Bereich der Solarenergiegewinnung Deutschland meilenweit den Rang abgelaufen. Peking plant ehrgeizige nationale Klimaschutzprogramme, unabhängig von Kyoto oder der Kopenhagener Nullnummer. Deutschland muss aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren.

Dr. Petersen


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