Dr. Hans-Joachim Kerger: „Kreuzbandrisse waren im Frauenfußball schon immer ein Problem“

Heidelberg. In der Frauenfußball-Bundesliga verging zuletzt kaum ein Spieltag, ohne Kreuzbandriss. So hatte der SC 07 Bad Neuenahr im Oktober binnen weniger Tage die Ausfälle von Claudia Götte und Anne-Kathrin Westphal zu beklagen. Beim 1. FFC Frankfurt hat es Anna Marciak erwischt. Der 1. FFC Turbine Potsdam muss wiederum ein halbes Jahr auf Isabel Kerschowski verzichten. Diese Liste ließe sich noch deutlich erweitern. Framba.de-Redakteur Oliver Zimmermann sprach mit Frankfurts Mannschaftsarzt Dr. Hans-Joachim Kerger über die aktuelle Kreuzbandmisere.

Herr Dr. Kerger, woran liegt es, dass sich die Kreuzbandrisse im Frauenfußball in dieser Saison häufen?

Dr. Hans-Joachim Kerger: Dieser These muss ich gleich widersprechen. Ich kann bislang keine sonderliche Anhäufung feststellen. Kreuzbandrisse waren im Frauenfußball schon immer ein Problem. Man erinnere sich nur an Nia Künzer, die im Verlauf ihrer sportlichen Karriere gleich viermal von einem Kreuzbandriss betroffen war. Es ist allerdings richtig, dass Kreuzbandrisse bei Frauen häufiger auftreten, als bei Männern. Das liegt an der speziellen Anatomie des weiblichen Knies, das dafür leider anfälliger ist.

Es heißt, dass Zweidrittel aller Kreuzbandrisse ohne gegnerische Einwirkung auftreten ...

Das ist richtig. Gerade bei Fußballern liegen zumeist diverse Vorschädigungen im Knie vor. Zum Beispiel Überdehnungen, Reizungen, kleinere Risse, usw. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Summe dieser Verletzungen schlussendlich zum Kreuzbandriss führt - und da reicht ein Tritt in den Boden oftmals schon aus. Man sollte sich in diesem Zusammenhang auch einmal Gedanken über das Schuhwerk machen! Hier sind möglicherweise noch Verbesserungen angebracht. Aus ärztlicher Sicht muss ich zudem anmerken, dass die meisten Spieler nach einem Kreuzbandriss viel zu früh in den Leistungssport zurückkehren. Das erhöht natürlich das Risiko auf einen Rückfall. Oft stehen männliche wie weibliche Fußballer ja schon nach vier bis fünf Monaten wieder auf dem Platz. Dabei braucht ein gerissenes Kreuzband etwa ein Jahr, bis es wieder vollständig eingewachsen ist.

Trotzdem finden heutzutage viele Sportler nach der Verletzung zur alten Stärke zurück. Noch vor wenigen Jahren war ein Kreuzbandriss ein Synonym für das Karriereende. Was hat sich in der Zwischenzeit in der Medizin getan?

Die Operationstechniken haben sich gewaltig verbessert. Zudem hat die Versiertheit der Ärzte zugenommen. Ich kann sagen, dass wir heute aus der Experimentierphase heraus sind. Wir haben in den letzten Jahren viel dazugelernt und profitieren nun von den gewonnenen Erkenntnissen.

Zur Vorbeugung von schweren Verletzungen gehören Entlastungspausen. Können die im Bundesliga-Frauenfußball ausreichend gewährleistet werden?

Nein! Das verrät bereits ein Blick auf den Spielplan. Für einen Verein wie den 1. FFC Frankfurt ist die Belastung enorm. Wir spielen seit neun Jahren in der Bundesliga vorne mit. Hinzu kommen Freundschaftsspiele, DFB-Pokalspiele, europäische Wettbewerbe sowie für viele Akteurinnen zusätzliche Länderspiele und internationale Turniere. Nehmen wir nur das Jahr 2008. Da sind unsere Nationalspielerinnen quasi direkt nach dem DFB-Pokalfinale zur Olympiavorbereitung weitergefahren. Dann kamen die Olympischen Spiele in Peking und nur drei Tage später ging bereits die neue Bundesligasaison wieder los.

Das hört sich nach einem strammen Programm an ...

Genau. Da muss man sich nicht wundern, wenn Vereine mit vielen Nationalspielerinnen eine lange Verletztenliste haben. Hier ist unter anderem der DFB gefordert, für die nötige Entlastung zu sorgen. In diesem Zusammenhang bewundere ich übrigens Spielerinnen wie Birgit Prinz, die eine derart hohe körperliche Belastung über viele Jahre klaglos hinnehmen. (Quelle: www.framba.de)

Das vollständige Interview gibt es hier.

Foto: Dr. Hans-Joachim Kerger, Mannschaftsarzt 1. FFC Frankfurt (Foto: Zetbo / Framba.de)

Das Bildmaterial ist im redaktionellen Zusammenhang mit dieser Pressemeldung honorarfrei.

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