Albanien am Vorabend des 1. Weltkrieges: zwischen Autonomie und Abhängigkeit

Wer sich schon einmal auf die Website der Hamburger Ortsgruppe der Deutsch-albanischen Freundschaftsgesellschaft (DAFG) verirrt hat (www.dafg.de), konnte feststellen, dass in deren monatlicher Veranstaltungsreihe im Hamburg-Haus Eimsbüttel recht interessante Themen zur Sprache kommen. So referierte am 12. Juni 2009 Peter Müller über eine frühe politische Beziehung Deutschlands mit Albanien, die allerdings nicht lange hielt.
Nachdem 37 albanische Patrioten am 28. November 1912 in Valona (heute Vlorë) in einer Nacht-und-Nebel-Aktion, aber mit Rückendeckung der habsburgischen Monarchie einen eigenen Nationalstaat ausriefen, wurde nämlich ein Throninhaber für das neue Land in Europa gesucht. Von über 20 Prinzen war es schließlich ein Deutscher aus Neuwied am Rhein, der allen Großmächten genehm war. Es ging nämlich - wie auch heutzutage - nicht allein nach dem Willen der Einwohner, sondern nach dem der mächtigen Beschützer eines solchen neuen, meist kleinen Staates.
Als Prinz Wilhelm zu Wied am 7. März 1914 schließlich mit seiner Frau Sophie von Schönburg-Waldenburg in Durazzo (heute Durrës) als neuer ›Mbret‹ (Fürst, König) einzog, um ›sein‹ Volk zu regieren, hielt er nur rund 180 Tage durch. Der Rivalität zwischen Österreich-Ungarn und Italien, dem Ehrgeiz eines Essad Pascha, selbst König zu werden, dem mangelnden Volkswillen, der jungtürkischen Wühlarbeit, einem mittelalbanischen Bauernaufstand und der dauerhaften Besetzung des Südens durch griechische Truppen war er nicht gewachsen. Hinzu kam, dass sein Cousin, der deutsche Kaiser Wilhelm II., zwar zu Ostern seinen Urlaub ganz in der Nähe, auf Korfu nämlich, verbrachte und sich mit seiner Schwester, der griechischen Königin, dort traf, aber von dem ›Unsinn mit Albanien‹ nichts hielt, und keinerlei Unterstützung in Aussicht stellte.
Als am 28. Juni 1914 in Sarajewo, 350 Kilometer nördlich von Wieds ›Hauptstadt‹, die berühmten Schüsse fielen, hatten die Großmächte ganz andere Sorgen und überließen Albanien samt deutschen Regenten seinem Schicksal. Entnervt reisten Wied und sein Hofstaat am 3. September 1914 aus dem unwirtlichen Land fluchtartig ab, der junge Nationalstaat wurde Auf- und Durchmarschgebiet fremder Truppen. Der Vortrag wird demnächst in gebundener Textform in den Albanischen Heften erscheinen (Informationen über www.albanien-dafg.de). Die Powerpointversion ist auf der Website der Hamburger Ortsgruppe (s. o.) unter dem Link ›Veranstaltungen‹ einzusehen. Ausführlich und als Sachroman verkleidet ist das Thema von Peter Marxheimer 2007 unter dem Titel Nach Albanien, Karl! Eine andere Reise in das Jahr 1914 abgehandelt worden (Book-on-Demand, 343 S., 19,90 €, ISBN 978-3-8370-0265-2), Informationen unter www.peter-marxheimer.de.


Über Dr. K.P.Müller