Guildo Horn hat euch - Hellseherinnen haben mich lieb

„Guildo hat euch lieb“ trällerte Guildo Horn vor elf Jahren ins europäische Schlager-Mikrophon und verdiente damit eine Menge Geld. Ich in diesem Jahr mehr. Das bekomme ich fast schon täglich schriftlich, beigefügt wird von jedem Medium aus dem In- und Ausland ein Talisman. Eine Schweizerin ist für mich sogar nach Lourdes gefahren, um dort den Glückbringer, den sie mir zukommen ließ, segnen zu lassen. Ein anderer Talisman wurde von einer Hellseherin derart magnetisiert, dass seitdem mein Handy nicht mehr funktioniert. Ist von T-mobile. Ich kenne also den wahren Grund für das Schweigen der Simser, das in dieser Woche Schlagzeilen gemacht hat.

Doch so einfach wie kurz nachgedacht funktioniert´s nicht mit dem angekündigten Reichtum. Antworten müsste ich schon und jeweils einen Betrag um die 100 Euro überweisen. Das verstehe ich nicht. Denn jedes Medium gibt mir eine Geld-zurück-Garantie. Wie heute eine gewisse Maria Sarah, die ihre hellseherische Zeit an einem „Brunnen der Geldwünsche“ verbringt. Daraus fischt sie: Wasserperlen. Auf meiner steht: „Sie erhalten am kommenden 15. Mai mehr als 547 000 Euro.„ In ihrem fünfseitigen Brief verrät mir diese Frau aus Zürich auch noch, dass sie vor zehn Tagen einen „wahrsagenden Freund“ an Gevatter Tod verloren hat. Ob das für den nun Toten überraschend kam, teilt mir Maria Sarah allerdings nicht mit, dafür grinst sie mir auf einem grauhaarigen Schwarzweiß-Foto entgegen. Für etwas Buntes hat´s eben nicht gereicht.

Bunt geworden ist es mir mit diesen meist weiblichen Leuten vor Jahren, als ich für mein Buch „Für die Hellseherin wird es dunkel“ recherchierte und niemand auf diesen meinen Vorschlag einging: Bin ich erst reich, zahle ich das verlangte Voraus-Honorar nachträglich sozusagen aus der Portokasse. Sogar persönlich vorbei kommen würde ich: in Lourdes, am „Brunnen der Geldwünsche“ und bei dem Magneten, der mein Handy kaputt gemacht hat.

Ich lach mich kaputt, wenn ich mir vorstelle, dass es Zeitgenossinnen und Zeitgenossen geben muss, die auf solche Ankündigungen hereinfallen. Es muss welche geben, denn woher sonst bekommen diese Medien das Geld für Schreibautomaten, Papier, Briefumschläge und Porto her? Fürs Rückporto reicht es allerdings bislang bei keiner Hellseherin.

Vielleicht deswegen schickt mir beispielsweise Maria Sarah nicht nur ein „feierliches Annahmeformular“ für die über 547 000 Euro, sondern auch eine Verzichtserklärung. Die lautet: „Ich weiß, dass Sie heute die Macht haben, einen unglaublichen Reichtum in mein Leben zu bringen. Doch ich möchte jetzt nicht die 547 345 Euro nutzen! Ich befreie Sie deshalb also von Ihrem Schwur, den Sie Ihrem Freund, dem Wahrsager, gegeben haben.“

Dann sackt sie das Geld wohl selbst ein…

Ein Beitrag für www.sajonara.de


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