Formel 1 im Speed-Magazin.de: Jackie Stewart über die Königsklasse, Lewis Hamilton, McLaren und Ron Dennis

Der britische Ex-Formel 1 Fahrer und dreifache Weltmeister Jackie Stewart hat seine eigene Meinung zum jungen, amtierenden F1 Weltmeister Lewis Hamilton, seinem Arbeitgeber McLaren und dem gestrigen, unerwartet spontanen Rücktritt von Ron Dennis.

Frei von all dem, was in den Medien über Lewis Hamilton und den Vorkommnissen in Melbourne steht, meint Jackie Stewart, dass sich Ron Dennis in jedem Fall vom Motorsport zurückziehen wollte um sich neuen Aufgaben bei McLaren zu widmen. Wie zum Beispiel der Entwicklung eines neuen McLaren Sportwagens mit Strassenzulassung. Ron Dennis war lange genug im Rennsport unterwegs und braucht auch mal eine Pause von der Formel 1. Doch wie auch immer, Jackie Stewart ist überzeugt, dass McLaren ihn vermissen wird, denn er ist derjenige, der sehr genau weiss wie man gewinnt.
Es gibt eine Menge guter Geschäftsleute, und auch gute Team Manager. Aber nicht so viele, die beides hervorragend und aussergewöhnlich vereinen. Ron Dennis hat mit Williams und Ferrari mehrere Grand Prixs gewonnen. Und diese beiden Teams haben für eine lange Zeit in der Formel 1 dominiert. Diese grossartigen Erfahrungen und das erarbeitete Wissen ist praktisch unersetzbar. Der Rücktritt von Ron Dennis scheint auch für Jackie Stewart etwas plötzlich und veranlasst zu der Spekulation, dass die augenblickliche Situation in der Lügenaffäre Hamilton zu der Entscheidung beigetragen hat. Originalton Stewart: "The FIA and I am not in love with Ron Dennis", und er erklärt gleichzeitig, dass es für ihn eher nach einem taktischen Rückzug aussieht, im Hinblick auf die bevorstehende Bestrafung. Stewart lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass in einem solchen Fall die Reaktion von Ron Dennis übereilt ist.

Die prekäre Situation, in der sich Lewis Hamilton und McLaren zur Zeit befinden, wäre unter Umständen auch völlig vermeidbar gewesen. Nämlich wenn der Anruf von McLaren während der Safety Car Phase in Melbourne von Charlie Whiting beantwortet worden wäre. So hat aber weder Whiting noch irgendeine andere Person im Tower auf die Fragen von McLaren reagiert. Doch selbst unter der Berücksichtigung der besonderen Umstände ist es auch für Jackie Stewart in keinem Fall akzeptabel, dass Lewis Hamilton vor den Rennstewards gelogen hat.

Das Schwierige für die Verantwortlichen der FIA wird jetzt sein die gerechte Bestrafung dafür zu finden, ohne erneut zu übertreiben - wie mit der 100 Millionen Dollar Strafe gegen McLaren wegen der Spionageaffäre letztes Jahr bei Ferrari. Stewart gibt zu bedenken, dass niemals zuvor in der gesamten Geschichte des Sports, inklusive dem American Football, eine so horrende Höhe wie 100 Millionen Dollar als Strafe verhängt wurde. Und er fügt hinzu: "Als das Tankerunglück vor einer der schönsten und tierreichsten Strände Australiens passierte, wurde lediglich eine 30 Millionen Dollar Strafe ausgesprochen. Und dort wurde auf lange Zeit der Strand und viele Tierarten einfach zerstört. Die 100 Millionen Dollar, die die FIA von McLaren verlangte, lässt das im Vergleich lächerlich erscheinen. Ausserdem wurde die angebliche Spionage nie wirklich bewiesen."

Es ist keine Frage, dass es keine Ausreden dafür gibt, dass Lewis Hamilton gelogen hat. Er ist fähig ein Formel 1 Rennauto zu fahren, und mit 23 Jahren ist man auch kein Teenager mehr und muss wissen, dass Lügen kurze Beine haben. Trotzdem ist es nur fair an dieser Stelle auch zu erwähnen, dass Hamilton sich öffentlich entschuldigt hat und dabei auch glaubhaft machte, dass er zuallererst Teamplayer ist, der Entscheidungen mit seinem Team abspricht und dem Teammanager Folge leistet.

Die Formel 1-Welt war neugierig darauf, wie Ron Dennis´ Verhältnis nun zu den Hamiltons ist. Gestern äusserte sich Ron Dennis im Zuge seiner Rücktritts-Erklärung dazu in der Weise, dass er klarstellte kein Problem in seiner Beziehung zu Lewis und seinem Vater Anthony zu haben. Im Gegenteil: "Jeder macht mal Fehler, aber nicht jeder hat dann auch den Mut und die Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, sich dafür in aller Öffentlichkeit zu entschuldigen." Ron Dennis hat eine ziemlich lockere Beziehung mit den Formel 1 Behörden. Er bezweifelt, dass Max Mosley als FIA-Präsident über die Rücktritts-Nachricht erfreut sein wird. Aber er betonte auch, dass man keinen Druck auf ihn ausgeübt hat, zu gehen. Natürlich hat Ron Dennis die Hoffnung, dass die FIA die Erklärung von McLaren für die Vorkommnisse in Melbourne akzeptieren wird, die nach seiner eigenen Meinung nur auf einem Fehlurteil basierten.

Für manch Einen mag das Image der Königsklasse mittlerweile den Charakter haben, dass es keinen Charakter mehr gibt und sozusagen eine "Gewinnen-um-Jeden-Preis"-Strategie in der Formel 1 herrscht, speziell bei McLaren.

Auch für Jackie Stewart ist es keine einfache Sache dazu Stellung zu beziehen. Doch immerhin gibt er zu bedenken, dass es in jedem Sport die Bemühungen zu siegen gibt. Das sollte selbstverständlich nicht in einer unethischen Weise passieren, sondern immer nach den geltenden Regeln. Doch genau hier hakt er auch ein: "Das muss aber natürlich in beiden Richtungen so funktionieren. Man wird als Verantwortlicher unglaubwürdig, wenn man eine so wahnsinnig hohe Summe von 100 Millionen Dollar Strafe ausspricht, die so sehr übertrieben ist und noch nie, niemals zuvor in irgendeinem Sport oder irgendeiner Aktivität verhängt worden ist. Ich meine, seitdem hängt doch das Gleichgewicht schon schief. Mit dieser neuen Geschichte könnte man die Balance wiederherstellen. Ich denke sowieso, dass wir eine Art von Restrukturierung brauchen, um wieder das korrekte Gleichgewicht zu erreichen."

Zum bevorstehenden 3.Rennen der Saison in China sowie zur gesamten Formel 1 Saison ist es für den ehemaligen Formel 1-Weltmeister einfacher seine Meinung in Worte zu fassen: "Der Diffusor arbeitet hervorragend, das sehen wir an Toyota, Williams und Brawn GP. Das sind zur Zeit die Teams, die am wettbewerbsfähigsten sind. Von den anderen Teams ohne Diffusor denke ich, dass es das Red Bull Team ist, das zum jetzigen Zeitpunkt die Möglichkeit zu gewinnen hat. Alle anderen Teams benötigen Zeit, um ihr Auto umzurüsten. Man beachte, dass keine Tests mehr erlaubt sind, und insoweit schon viel Zeit gebraucht wird, um wieder zu dem Level der Wettbewerbsfähigkeit zurückzukommmen, bei dem man vorher war. Ich glaube nicht, dass wir schon in China irgendeine Änderung sehen werden, Brawn GP wird immer noch das Team sein, das den Wettbewerb vorgibt. Mit Toyota und Williams das Gleiche und ich denke, dass Red Bull puschen wird. Denn Webber ist gut, und genauso Vettel. Aber wir haben auf jeden Fall auch eine sehr spannende Saison vor uns."

Alle Berichte über die Formel 1 in Shanghai: http://www.speed-magazin.de

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