Feinrippporzellanmodellbahn oder Wie Flickschusterei das Chaos stützt

Was haben Schiesser, Rosenthal und Märklin gemeinsam? Sie gehören zu den ersten prominenten Opfern der aktuellen Krise. Samt ihren Mitarbeitern, den Vorständen, den Teilhabern und den Stammkunden. Zulieferer, Kreditgeber und Lobby inbegriffen.
Was bleibt ist ein jeweils mehr oder weniger großes Loch im Flickenteppich deutscher Wirtschaftspolitik.

Die ausgewählten Beispiele sind längst nicht die einzigen prominenten Opfer der altbackenen Wirtschaftslenkung in heimischen Landen. Viele dem Namen nach weniger bekannte, aber doch große Zulieferbetriebe insbesondere der Automobilindustrie sind pleite und machen dicht. Und ob die Größen aus Politik und Wirtschaft morgen noch den edlen Zwirn von BOSS tragen können steht auch in den Sternen. Erstmals in der deutschen Geschichte haben Mercedes und BMW sich gegenseitig einer engen Zusammenarbeit versichert und Experten gehen davon aus, dass noch in diesem Jahr 35.000 Unternehmen ihre Tore für immer schließen werden.

Düstere Aussichten für ein Land, dass sich bislang selbstbewusst als Erfinder der sozialen Marktwirtschaft, Exportweltmeister und eines der reichsten Länder bezeichnet hat. Wer jetzt glaubt, alleinige Schuld an der prognostizierten und bereits stattfindenden Regression sei die aktuelle Krise, der irrt.

Viele, der jetzt ach so plötzlich auftauchenden Probleme sind hausgemacht! Seitens der Politik wird dies zwar lauthals bestritten, die Fakten belehren jedoch eines Besseren. Wenn ein Staat die ureigensten Kräfte einer kapitalistischen Wirtschaft immer wieder zum willfährigen Instrument neoliberaler Mischmaschpolitik macht, muss sich der staunende Bürger nicht wundern, wenn der Flickenteppich deutscher Wirtschaft irgendwann zerfällt.
Die aktuelle Krise ist nur der Katalysator für einen Prozess, der so ohnehin zum Scheitern verurteilt war.

Durchhalteparolen, Ruhighalten murrender Bevölkerungsteile, entmündigte Wirtschaftsexperten und selbstgefällige Politiker sind das Ergebnis einer Entwicklung, die immer weiter von den Menschen entfernt ausschliesslich auf Gewinn und Verlust orientiert war.

Ein undurchdringlicher Dschungel an Gesetzgebungen, Steuerverpflichtungen oder –entlastungen, halbherzigen Unterstützungsmaßnahmen nach Gutdünken und Lobbystärke, irrwitzigen europäischen Gesetzgebungsbemühungen haben aus dem Wirtschaftswunder einen maroden und aufgeblähten Bürokratenstadl gemacht, der kaum wirklich zu beschreiben ist. Und die aktuelle Krise bringt weiteren Irrwitz zu Tage. Konjunkturprogramme stopfen aktuelle Löcher in der Auftragslage einiger Industriezweige während Wirtschaftsprofessoren überlegen, wie viel Geld ein Hartz-IV-Empfänger zum Überleben braucht.

Großbanken als die Regulierer des versiegenden Geldstromes werden mit Steuergeldern aus einer völlig danebengegangenen Abgabenpolitik in der arbeitsfähigen Gewinnzone gehalten, während kleine und mittlere Unternehmen aufgrund zunehmender Finanzierungsausfälle zugrunde gehen.
Der Kreis der Flickschusterei schließt sich, wenn das Zukunftsszenario in die Probeaufführung des Affentheaters Staatswirtschaft gelangt: Massenhaft Unternehmens- und Privatinsolvenzen, weitere Steuerausfälle, die Krise treibt sich selbst in den Staatsbankrott.

Düstere Aussichten, die dennoch nicht davon abhalten, halbherzige Konjunkturprogramme zu erfinden. Ob Schrottberge abgewrackter Prämienautos, angemalte Schulen und mit Lärmschutzwänden zugemauerte Städte und Dörfer das System retten werden bleibt fraglich. Die Gewinner solcher Maßnahmen sitzen in aller Regel ohnehin nicht im nasskalten Deutschland.

Dabei wäre es gerade jetzt an der Zeit, einen neuen Wind durch den zerrissenen Flickenteppich deutscher Wirtschaft zu blasen. Instrumente dafür liegen in der Wiederbesinnung auf alte deutsche Tugenden. Hohes Wissen, Fleiß und Gründlichkeit waren Attribute für Made in Germany. Allerdings hat man vergessen, diese Werte zu beziffern und zu fördern. Und so haben wir heute das, was offensichtlich blinde Politiker noch immer als hohe Wirtschaftskraft verkaufen. Wenn aber die rein wirtschaftlichen Bilanzen nicht mehr halten, was versprochen wurde, dann ist es an der Zeit, andere Werte zu bilanzieren. Humankapital, Strukturkapital und Beziehungskapital sind die eigentlich nicht neuen Reichtümer deutscher Unternehmen. Jetzt wäre die beste Zeit, auch diese immateriellen Werte zu ermitteln. Das Instrumentarium dafür steht bereit, bewegt sich jedoch abseits jeglicher Flickschusterei!

Wird auch in dieser Krise die Chance für echte Veränderungen verpasst, dann ist es nur eine Frage der Zeit, wann aus der Feinrippporzellanmodellbahn ein CommerzadidasmercedesBMW wird. Mögen die Entscheidungsträger, die nicht stark und phantasievoll für einen Wandel sind noch recht lange ihren BOSS-Anzug tragen können!

Alle genannten Namen sind leider nicht frei erfunden und die Handlung an das wirkliche Geschehen angelehnt.

Olaf Hoffmann
Geradeaus…die Berater