Erfolgsebook- Ich kann keine Krise entdecken

Viele Unternehmer in Hamburg wollen ihre Stammbelegschaft halten und sich neu ausrichten.
Von Alexandra zu Knyphausen

Finanzkrise, Bankpleiten, Stellenabbau, der Ruf nach Milliarden-Bürgschaften - die Großunternehmen gehen in die Knie. Die Kleineren kämpfen: Der Mittelstand stemmt sich tapfer gegen die Krise. So mancher erlebt die Lage nicht mal dramatisch. “Ich kann keine Krise entdecken und auch keine Verzweiflung ausmachen”, sagt Thimo Drews, Geschäftsführer der Speicherstadt Kaffeerösterei. Die Leute trinken von Monat zu Monat mehr von unseren Kaffees.”

“Mittelständische Unternehmen setzen trotz Krise weiter auf Wachstum - und das aus eigener Kraft”, bestätigt Peter Englisch von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young. Kein Zweifel: der zuliefernde Mittelstand, etwa in der Autoindustrie, wird in Mitleidenschaft gezogen. Kurzarbeit und Betriebsschließungen drohen. Wahr ist aber auch, dass 52 Prozent der Mittelständler - und die stellen mit rund 70 Prozent den Löwenanteil der Arbeitsplätze - ihre Lage noch als gut oder sehr gut bezeichnen. Das ergab eine aktuelle Umfrage unter 1600 Mittelstands-Unternehmen des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).

Gut aufgestellt ist beispielsweise die Hamburger Nielsen+

Partner Unternehmensberater GmbH mit 45 Mitarbeitern. “Uns geht es richtig gut, auch unserem Auftragsbestand für 2009?, sagt Geschäftsführer Gerd Klaasen. “Alle reden nur noch über Rezession. Das verunsichert Verbraucher und Wirtschaft.” Die Lage sei viel besser als dargestellt, so Klaasen: “Deutschland hat produzierendes Gewerbe, echte Wertschöpfung. Es ist relativ gut vorbereitet. Wir selber haben uns auf Nischen wie IT im Private Banking oder Zollabwicklung konzentriert, hatten 2007 ein Umsatzplus von 15 Prozent. 2008 erwarten wir 30. Wenn wir 2009 nur wenig oder gar nicht wachsen - was ist daran so schlimm? Das muss man langfristig sehen.” Viele BDI-Unternehmen gaben an, an ihrer Stammbelegschaft festzuhalten, um Kompetenzen zu halten. Oder sie nutzten die Situation, um Produkte und Strategien neu auszurichten. Dabei kommen dem Mittelstand Erfahrungen aus vorherigen Krisen zugute: Die Eigenkapitalquoten liegen heute im Schnitt bei 33 Prozent - sechs Prozentpunkte höher als 2002. Flüssiges Geld sei ein Drittel mehr vorhanden als vor drei Jahren. Die Folge: Wichtige Zukunftsprojekte werden weiter verfolgt. Die Hamburger Arbeitsagentur verzeichnete tatsächlich im November 803 vermittelte Fachkräfte.

Allerdings drücken Schlagzeilen wie “Autokrise immer schlimmer” und “Rezession in Deutschland” auf die Stimmung. “Das halte ich für gefährlich”, sagt die Hamburger Unternehmerin Heidrun Jürgens, die allen Branchen Zeitarbeitskräfte vermittelt. “Ich appelliere an alle Unternehmer, keine Leute zu entlassen und nicht zu resignieren.”

Günther Klemm, Chefvolkswirt der Hamburger Handelskammer sieht es nüchtern: “Ich möchte nichts schönreden, aber auch nicht dramatisieren. Schon Mitte 2008 war der Abschwung zu spüren. Nach guten Jahren ist das auch normal. Die Finanzkrise hat alles zugespitzt. Jetzt ist der Abschwung stärker als frühere Krisen.” Positiv sieht er, dass “der Mittelstand seit fünf, sechs Jahren besser aufgestellt ist als vorher.”

Die BDI-Befragung bestätigt das: Mittelständler haben Bewusstsein für die Herausforderungen der Zukunft und kombinieren das mit Flexibilität und Einsatz für effektive Energienutzung und Umweltschutz. Jeder zweite Mittelständler sei darin schon aktiv. Frank Wallnau vom Institut für Mittelstandforschung: “Im kleinen Mittelstand schlummert da noch Potenzial, das auch international gefragt ist.”

Hamburg mit seinem Hafen und Deutschland als Exportnation sei vom Rückgang des Welthandelsvolumens natürlich betroffen, räumt Günther Klemm ein. Aber: “Man muss sehen, von welchem Niveau die Umsatzrückgänge kommen. Mehrere Jahre lang waren die Zuwächse zweistellig. Mittelfristig erwarten wir, dass der Welthandel sich weiterentwickelt und erholt.” Hamburg als überwiegend mittelständisch strukturierte Stadt sei noch “relativ gut aufgestellt” und habe eine relative Stabilität beim Konsum, wie das Vorweihnachtsgeschäft zeige. Nur elf Prozent der Hamburger schätzen ihre wirtschaftliche Situation als schlecht ein.

Klemm erwartet keine zusätzlichen Jobs. Aber: “Man muss die Arbeitslosenzahlen im Verhältnis betrachten: 2005 hatten wir 4,9 Millionen Arbeitslose, jetzt weniger als drei. Wir müssen dem Mittelstand helfen, seine Möglichkeiten zu nutzen. Dazu gehört die Kreditvergabe, auch wenn es etwas teurer wird.”

Genau das erwartet Jan Iden, Hamburger Geschäftsführer der brasilianischen Fruchtsaft-Hersteller und -Vertreiber Citrovita. “Da gibt’s vielleicht ein bisschen mehr Druck”, glaubt er, “aber unsere Branche leidet mit Abstand mehr unter den Schwankungen der Rohwarenpreise als unter der Finanzkrise.” Die Verbrauchszuwächse seien mit vier Prozent gleich geblieben bis gestiegen.

Mit einem Zusammenbruch des Mittelstands rechnet Klemm nicht. “Ich schätze, dass die schwierige Zeit anderthalb Jahre dauert. Vorausgesetzt, wir schaffen es, die Welt-Finanzsituation zu beruhigen - ohne neue Schocks. Man sollte die Menschen nicht so verunsichern, dass es zu weiterem Angstsparen kommt.” Er hofft, dass viele Firmen “vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels versuchen werden, mit flexiblen Arbeitsmarktinstrumenten die Durststrecke durchzustehen.”

erschienen am 13. Dezember 2008- Quelle:Hamburger Abendblatt

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Eine globale Finanzkrise hält die Welt in Atem. Vom amerikanischen Immobilienmarkt ausgehend, hat sie selbst renommierten Großbanken Verlustabschlüsse beschert. An den Devisenmärkten verlor der Dollar dramatisch an Wert. Finanzkrisen sind jedoch kein Kind unserer Zeit, sondern spätestens seit dem Beginn der Neuzeit bekannt. Vom Staatsbankrott des spanischen Hauses Habsburg im Jahre 1557, der angesehene Finanzdynastien wie die Fugger in eine existenzbedrohende Krise riss, über die Tulpenspekulation im Holland des frühen 17. Jahrhunderts bis zum legendären New Yorker Börsenkrach des Jahres 1929 und dem Niedergang der New Economy zu Beginn des 21. Jahr-hunderts reicht ein Spannungsbogen mit einem immer wiederkehrenden Muster: Am Beginn jeder Krise steht eine durch billiges Geld und zügellose Gier ausgelöste Euphorie, die in einem bitteren Zusammenbruch endet.

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Der Autor über sein Buch
Gerald Braunberger ist seit 1988 bei der F.A.Z., davon fast zehn Jahre als Korrespondent in Paris und drei Jahre in der Wirtschaftsredaktion der F.A.S. Seit Juli 2007 Verantwortlicher Redakteur für den Finanzmarkt der F.A.Z. Benedikt Fehr, Dr., berichtete von 1989 bis 1999 für die F.A.Z. als Korrespondent in New York über amerikanische Unternehmen und die Wall Street. 2000 kehrte er nach Frankfurt zurück und schreibt seither über die Finanzmärkte.

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