Ein Blick hinter die Kulissen christlicher Glaubensgemeinschaften (VI): Zeugen Jehovas und Neuapostolische Kirche

Einige Versorgungsämter erkennen inzwischen an: Die Mitgliedschaft in Sekten kann zu seelischen Behinderungen führen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass strenge religiöse Erziehung die Wahrscheinlichkeit psychischer Krankheiten erhöht. Deswegen bin ich bei meiner Arbeit als Berater von Sektenaussteigerinnen und Sektenaussteigern oft an Grenzen gestoßen. Gelegentlich blieb mir nur der Rat: “Gehen Sie zu einem Therapeuten.” Doch die sind auf diesem Gebiet rar gesät.

Dabei ist oft schnelle Hilfe erforderlich. Eine Frau, die in die Fänge eines fanatischen Predigers geraten war, fühlte sich von Dämonen verfolgt und konnte nur noch schlafen, wenn das Licht brannte. Wenn sie allein war, vertrieb sie ihre Angst mit Telefongesprächen und redete ihre Rechnungen in Schwindel erregende Höhen, bis sie finanziell ausgeblutet war.

Solche Prediger und Sekten haben darauf eine einfache Antwort. Ein Beispiel dafür ist eine Geschichte aus der neuapostolischen Zeitschrift “Unsere Familie” vom 20. Juni 2006. Die neigt sich so dem Ende zu: “Kaum betraten die Geschwister den Raum, wurde eine Tür geöffnet und heraus trat der Bezirksapostel, umgeben von etlichen Brüdern. Er reichte Schwester Schweiger die Hand, und ohne etwas von ihren Sorgen zu wissen, wünschte er ihr alles Gute. Schwester Schweiger fühlte augenblicklich, wie sie von einer starken Kraft durchzogen wurde. In der großen Hoffnung, dass nun manches besser würde, ging sie ihres Weges, voller Staunen darüber, wie minutiös der liebe Gott arbeiten kann.”

Auch in anderen Geschichten, die man sich in dieser Glaubensgemeinschaft erzählt, lösen sich Probleme irgendwann in Luft auf. Ein fieser Abteilungsleiter wechselt plötzlich die Firma, ein anderer kämmt seine Befürchtungen jeden Morgen einfach weg: “Immer wenn ich mich morgens kämme und im Kamm so viele Haare sehe, dann freue ich mich: Gott denkt an mich. Er weiß, wie viele Haare wir auf dem Kopf haben. Ist das nicht wohltuend?” (NAK-Apostel Franz-Wilhelm Otten am 7. Mai 2006 in Dieburg)

Die Kehrseite der Medaille ist: Mit dem Bild von einem Gott, der derart minutiös arbeiten kann und sogar schon bei der Morgentoilette mit kämmt, kann Angst erzeugt werden, wenn ein Sektenmitglied meint, es habe sich falsch verhalten.

Hinzu kommen der Teufel, Geister und Dämonen. Besonders eifrig bei der Verbreitung des Dämonenglaubens sind die Zeugen Jehovas. Diese Glaubensgemeinschaft verbreitet derart haarsträubende Geschichten, dass ich sie keinem Kind vorlesen würde.

Bei Gesprächen mit Sektenaussteigerinnen und Sektenaussteigern habe ich deswegen oft genug Vorstellungen gegen den Strich gebürstet. Fakt ist: Der achte Chef der Neuapostolischen Kirche (NAK) heißt Wilhelm Leber, er ist Doktor der Mathematik und 61 Jahre alt. Da wären Fragen angebracht.

Denn: Als Wilhelm Leber drei Jahre alt war, stand vorne ein über 80 Jahre alter Mann, der den Gemeinden einhämmerte und einhämmern ließ: “Ich sterbe nicht mehr. Jesus kommt zu meinen Lebzeiten wieder.” Jede Sekunde könne es so weit sein, deswegen dürfe in der Neuapostolischen Kirche niemand mehr auf das Irdische blicken. Verbunden mit diesem Ratschlag wurden Drohungen. In jede Predigt wurden schlimmste Weltuntergangsszenarien eingebaut.

Das hat viele Mitglieder der Neuapostolischen Kirche derart beeindruckt, dass sie keine Häuser mehr bauten und sich bei der Schulbildung mit dem Allernotwendigsten begnügten. Dazu gehörte Wilhelm Leber aber offensichtlich nicht. Er machte Abitur und studierte später Mathematik. 1972 heiratete er die Enkelin jenes Mannes, der 1960 trotz seiner Behauptungen gestorben war. Die Nachfolge trat jemand an, der bis zu seinem Ausscheiden aus dem Amt als derjenige galt, der nun wirklich der letzte Kirchenchef der Neuapostolischen Kirche war. Wilhelm Leber muss davon ausgegangen sein, dass es auch anders kommen könnte…

Ein Beitrag für http://zeugenjehovas.blogspot.com und www.onlinezeitung24.de


Über Heinz-Peter Tjaden