Peter Cornelius - Handschrift

Die meisten von uns kennen den Wiener Sänger, Songschreiber und Gitarristen PETER CORNELIUS als Interpreten sanfter, eher stillerer Ohrwürmer der Sorte "Du entschuldige, I kenn Di", "Reif für die Insel", "Süchtig" oder "Der Kaffee ist fertig". Fraglos allesamt unverbrüchliche Klassiker österreichischer Popmusik der 80er Jahre von höchster Qualität.

Nach seinem ebenfalls überwiegend ruhigen, introvertierten Comebackalbum "Lebenszeichen" (2001- der passionierte Gitarrensammler und bekennende "Kinks"-Fan hatte sich 1993 entnervt aus dem Musikgeschäft zurückgezogen und eine kreative Schaffenspause eingelegt), glänzte Peter Cornelius jedoch hauptsächlich mit rockigen, drastischen Klängen, die mit "Der Kaffee ist fertig"-Seligkeiten nicht viel gemein haben.

Dieser Tage legte der Vollblutmusiker aus der Donaumetropole seine aktuelle CD "Handschrift" (Masterfader Records) vor: Zwölf überaus profunde, nicht selten komplexe, durchwegs musikalisch, wie textlich äußerst vielseitige Rock/Pop-Kleinode voller Intensität und Aussagekraft, die einen offensiven, voranstrebenden, im besten Sinne des Wortes "aggressiven" Peter Cornelius präsentieren.

Als sprichwörtlichen "Austropop" kann man das Material von "Handschrift" keinesfalls bezeichnen. Dieser vielgeschundene Begriff würde den darauf vorhandenen zwölf Songs niemals gerecht. In musikalischer Hinsicht unüberhörbar von Tom Petty, Bruce Springsteen oder den "Beatles" beeinflußt, fallen die Arrangements, die klanglichen Umsetzungen seiner Kompositionen, bei denen Peter Cornelius übrigens, mit Ausnahme des Schlagzeugs, sämtliche Instrumente selbst bedient und eingespielt hat, trotz ab und zu genutzten Wiener Dialekts, letzten Endes eindeutig in das Spektrum des traditionellen Deutschrock der mittleren bis ausgehenden 80er Jahre, wobei das 57jährige Multitalent aus der Donaustadt auch (und öfters als je zuvor) diverse Elemente modernerer Rockmusik kongenial in seine Inszenierungen eingebunden hat.

Bereits der Eröffner von "Handschrift" zeigt einen Peter Cornelius in gesanglicher und textlicher Bestform. Fette Gitarrenklänge – von Ferne an Peters 1981er-Hit "Ganz Wien hat den Blues" gemahnend – untermalen den inhaltlich sehr philosophisch ausgerichteten Geradeaus-Rocker "Wer wird Dich halten".

Daran anschließend folgt der nachdenkliche, immens Tom-Petty-beeinflußte Mid-Tempo-Rocker "Pfauenrad" – ein sehr persönlicher, graziler Titel, der die – im positivsten Sinne des Wortes – "chaotische", ruhelose Persönlichkeit seines Interpreten in Höchstform darlegt.

Intim, sensibel, so verletzlich, wie verletzt, berichtet Peter in Track 3 von "Handschrift" über einen Besuch, gemeinsam mit seiner Gattin, in der "72sten Straße" (Liedtitel) in New York. Dort, direkt gegenüber dem sagenumwobenen Central Park, wurde am 08. Dezember 1980 "Ober-Beatle" John Lennon, der zusammen mit Yoko One im "Dakota Building" in ebenjener "72sten Straße" residierte, von einem irren Fan erschossen. Peters Hommage an John ist einerseits sehr, sehr persönlich ausgefallen. Sie vereint Hochachtung, Verehrung, Trauer, Dankbarkeit und Offensive auf genialische Art und Weise – Tenor dieser wunderbaren Ehrerbietung: Ohne Dich, lieber John Lennon, wäre ich womöglich nie Musiker geworden, ich säße heute in irgendeinem langweiligen Job – Fazit: Ohne Dich, lieber John, wäre ich niemals das geworden, was ich heute bin.

Der Verfasser dieser Zeilen denkt sich, daß John Lennon ob dieser traumhaften Reminiszenz seines großen Fans Peter Cornelius vor Freude im Grabe rotiert : ))

Sehr Springsteen’esk ausgefallen sind dagegen die hymnischen, eindringlichen, geradezu aufpeitschenden Rocknummern "Jede Menge Zeit" und "Wenn der Wind zum Sturm wird".

Das sog. "Burn-Out-Syndrom" ist eine psychosomatische Störung, die, laut Wikipedia.de, 1973 erstmals diagnostiziert wurde und zunächst vor allem bei "Helfenden Berufen" (Lehrern, Sozialpädagogen, Ärzten, Pflegekräften) auftrat. Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Frustrationen, Depressionen sind die häufigsten Merkmale dieses Syndroms. Peter Cornelius vermochte es auf "Handschrift", diese, dem Verfasser dieser Zeilen ganz und gar nicht unbekannte Erkrankung, gleichsam sarkastisch, liebe- und verständnisvoll im Kontext einer fetzigen, eher dunkel-düsteren Rockhymne, darzustellen.

Der halbakustische Blues "Fußgängerzone" überzeugt musikalisch, wie textlich enorm; ein phänomenaler Titel, in den man sich zweifelsfrei erst mal "hineindenken" muß – wenn man dies aber getan hat, findet man sich jedoch umgehend darin wieder.

Die eher balladesk/gemächlich, durchaus romantische, mit leckeren Hintergrundchören ausstaffierte Gitarrenelegie "Weihnachtsamnestie", die sehr synthesizerlastige, experimentelle Elektropop/Triphop/Rock-Melange "Nebenwirkung", sowie die schräge Computerpop-Klangkaskade "Digitale Mona Lisa" zeigen einen vollkommen ungewohnten, ultra-unkommerziellen Peter Cornelius, bevor die knisternde, bluesorientierte Liebes-/Freundschaftsballade "Du fehlst mir so" vorliegendes, insgesamt knapp 46minütiges Meisterwerk liebenswert und versöhnlich beschließt.

"Handschrift" ist tatsächlich eine Produktion mit Hand und Fuß. Sie ist Peter Cornelius pur – textlich brillant, musikalisch zumeist rockig, gitarrenbetont ausgestaltet. Das Album ist garantiert nichts zum Nebenbeihören, man muß sich in die einzelnen Beiträge darauf langsam und mit viel Fingerspitzengefühl hineinfühlen, hineinleben, vielleicht sogar hineinsteigern. Jeder einzelne Titel steht für sich, die klassische "Hit-Single" ist nicht dabei. Für das Mainstreampublikum ist "Handschrift" nicht geschaffen; so verschrobene, wie nicht scheuklappenbehaftete Freaks, Intellektuelle und Querdenker werden die CD aber umgehend in ihr Herz schließen.

Genannte Menschentypen, die an einer Augenkrankheit leiden, werden "Handschrift" per se genauso lieben. Allerdings werden diese große Schwierigkeiten mit dem CD-Beiheft haben. Die durchgehend lesenswerten Texte sind in einer derart kleingehaltenen Schrift darin abgedruckt, daß sich der an einer Augenproblematik leidende Rezensent von seiner Frau Mama eine Lupe zusenden lassen mußte, um Peter Cornelius’ perfekte Wortspielereien nachlesen zu können.

Davon abgesehen aber, stellt "Handschrift" eine schier perfekte Gratwandlung zwischen knalligen Rocksounds und hochintelligenter Lyrik dar, die in der deutschsprachigen Popszene des Jahres 2008 ihresgleichen lange suchen muß.

Das Album verbindet traditionellen Deutschrock der 80er Jahre auf phantastische Weise mit aktuelleren Klangexperimenten, ohne die "alte" Fan-Generation zu verschrecken, die – wie der Verfasser dieser Zeilen – mit Peters eingangs erwähnten Evergreens a la "Du entschuldige..." oder "Reif für die Insel" letzten Endes intim aufgewachsen sind!

Gesamtnote: Bestwertung

Quelle: Holger Stürenburg

www.petercornelius.com

12.09.2008: | |

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