Frauen an die Werkbank! „Bildung in Berlin“ - Die Lösung der Ausbildungsmisere?

Bezirksbürgermeister und Wirtschaftsstadtrat des Bezirks Tempelhof-Schöneberg von Berlin, Ekkehard Band (SPD), hat Ende Januar 2008 gemeinsam mit dem Mercedes Benz Werk Marienfelde im Rahmen des Industrie- und Wirtschaftstreff zur Diskussionsrunde zum Thema „Bildung in Berlin“ eingeladen. Konkreter Diskussionsansatz sollten die Schwierigkeiten der Unternehmen sein, ausreichend viele und qualifizierte Auszubildende zu bekommen.
Es sollten im Laufe der Diskussion zum Beispiel Fragen geklärt werden, wie: Welche Rolle spielt Schule für die Ausbildung? Wie bekommen junge Frauen mehr Lust auf „typische“ Männerberufe? Was haben Kindergarten und Lehrermangel mit Ausbildung zu tun?

Diese Schwerpunkte sollten im Ausbildungsbereich des Mercedes Werkes, im ehemaligen Gebäude des Fritz-Werner-Werkes in der Daimlerstraße in Marienfelde, besprochen werden. Prominentester Gast und Diskussionspartner war Bildungssenator Prof. Dr. E. Jürgen Zöllner (SPD). Neben ihm waren auf dem Podium der Bezirksbürgermeister Band, Werkleiter von Mercedes Benz Thomas Uhr, Personalleiter Stefan Laier, Ausbildungsleiter Udo Asbrand, die bei Daimler für frühpädagogische Bildung zuständige Dr. Ilse Wehrmann und der Geschäftsführer der Promess Gesellschaft für Montage- und Prüfsysteme Herr Dr. Gerhard Lechler vertreten. Die Runde wurde moderiert von der Journalistin Petra Schwarz.

Geladene Gäste waren zum Beispiel Vertreter von bezirklichen Unternehmen und vom „UnternehmensNetzwerk Motzener Straße e.V.“, Vertreterinnen der bezirklichen Wirtschaftsberatung, Vertreter der Polizei, von Schulen und Bildungsstadtrat Dieter Hapel (CDU).

Die abendliche Gesprächsrunde fand in der Produktionshalle von Daimler statt. Im Hintergrund war ständig der Geräuschpegel der Maschinen und Bänder zu hören. Hier wird im Dreischichtsystem rund um die Uhr gearbeitet. Die Fabrik ist die Heimat aller Mercedes-Motoren in Deutschland. Jeder Mercedes und Smart hat Teile verbaut, die in Berlin produziert wurden. So berichtet Werksleiter Uhr stolz, dass sie mit 6.500 Beschäftigten der zweitgrößte Arbeitgeber in Berlin nach Siemens sind. Das Berliner Werk ist das älteste Mercedes-Werk in Deutschland und stellt jährlich ca. 50 Auszubildende mit einer weitreichenden Übernahmegarantie ein. Die Bewerbungszahlen sind 2007 drastisch zurückgegangen. So hat sich die Einstellungsquote bei gleichbleibenden Einstellungsvoraussetzungen von einem Jahr auf das andere von ungefähr 20:1 (20 Bewerbungen zu 1 Ausbildungsplatz) auf ungefähr 11:1 verändert. Werkleiter Uhr stellt sich die Frage: „Warum hat die Attraktivität sich zu bewerben abgenommen?“ Der Anteil der im Test erfolgreichen Hauptschüler ist mit 4 Prozent im Jahr 2007 noch kleiner wie in den Vorjahren. Die Realschüler und Abiturienten können diese Voraussetzungen zumindest zu knapp 50 Prozent erfüllen. Für die Qualifizierung der durchschnittlich 49 Jahre alten Beschäftigten setzt das Unternehmen auf „Jobrotation“ und mit „Training on the job“ auf ein „lebenslanges Lernen“. Für Uhr besteht ein „quantitativer und qualitatives Problem“ in der Ausbildung. Dies bezieht sich aber nicht nur auf Daimler, die sich mit ihrer noch recht großen Auswahl an Bewerbern in einer komfortablen Situation befinden. Auch viele Unternehmen innerhalb und außerhalb von Berlin sind von der Situation betroffen. Auch das Verhältnis bei den Bewerbungen von 50 Prozent Abiturienten findet Uhr „nicht gesund!“

Bildungssenator Zöllner sieht unabhängig von irgendwelchen Zahlen die zentrale Aufgabe von Schule darin, dass Schüler „Ausbildungsreif“ in das Leben entlassen werden können. Es sind aber nicht nur die Probleme in der Hauptschule zu suchen, sondern es gibt auch viele Schwierigkeiten in Schlüsselpositionen nach einem Studium. „Die Problemlösung erreicht man aber nicht nur durch eine Maßnahme“ betont Prof. Zöllner. „Schule ist nicht nur für Wissen und Bildung verantwortlich, sondern wird immer mehr eine zentrale Institution der Erziehung (im Sinne von „Ausbildungsreife“)“. Wichtiger als Wissensvermittlung in der Schule ist die Verlässlichkeit und Kalkulierbarkeit von Schule.
Kern-Aussagen aus dem Input-Referat waren zum Beispiel: Frontalunterricht ist nicht geeignet für das Einüben von Teamarbeit. Schüler brauchen Erlebnisse in der Schule die Spaß machen. Projektarbeit mir Realitätsbezug ist wichtig.

„Die drei Wochen Praktikum im Betrieb langen nicht!“ erläutert Zöllner. „Schule muss gemeinsam mit den Eltern als Gesamtauftrag den klassischen Bereich der Erziehung und Integration junger Menschen bewältigen.“ So sieht der Bildungssenator es als gesellschaftliches Problem an, dass der gesellschaftliche Wohlstand von der Industrie abhängt, aber andererseits Naturwissenschaften im gesellschaftlichen Stellenwert ausgeblendet werden.
Auf einer Nachfrage aus dem Publikum, dass die Behebung vom Lehrermangel ein wichtiger Schritt sei, erläutert der Bildungssenator ausführlich das Berliner Bemessungssystem und weiß zu berichten, dass in anderen Bundesländern auch bei weniger Lehrern nicht mehr Unterricht ausfällt. Auch in Berlin ist das tatsächliche Problem, trotz gleicher Kriterien, in den Schulen unterschiedlich. So gibt es auch nach dem Bildungssenator nicht Schlimmeres als „Modellprojekte ohne Ende“, die letztlich alle überleben wollen und so die Verteilungsmasse der Lehrkräfte noch reduzieren. Das Ganze hängt teilweise auch von den Umständen in den Schulen ab. Bildungssenator Zöllner betont aber auch: „Das ist zentral mein Problem! Die Zuweisungsproblematik ist in Schritten abzuändern, damit die Personalproblematik ausgeglichen wird.“

Ausbildungsleiter Asbrand sieht das Problem darin, dass die Jugendlichen „überhaupt etwas lernen wollen“. Mathematik und Physik sind heute wichtige Grundlagen in der industriellen Fertigung. Wichtig sind „gute“ Patenschulen. So kann Unterricht, auch in Form von Projekten, in Werksräumen stattfinden.

Diskussionsteilnehmer stellen als Anforderungen an Auszubildende zum Beispiel besondere methodische Kompetenzen, Sozialkompetenz und sich ein Leben lang beruflich „fit“ zu halten in den Vordergrund. Übersetzt gehören auch Eigenschaften wie Pünktlichkeit und ein gepflegtes Äußeres dazu. Nach den Erfahrungen der betrieblichen Vertreter ist dies alles keine Selbstverständlichkeit. Das Vermitteln von Fachlichkeit im Beruf wird als geringstes Problem in der Ausbildung angesehen. Vermehrte Praktika in den letzten Schuljahren werden als sinnvolle und notwendige Ergänzung angesehen.

Ein großes Problem verbindet der Werksleiter damit, dass sich immer noch wenige Frauen für industrielle Berufe bewerben und stattdessen schlechter bezahlte Berufe wählen. Wenn Frauen eine Ausbildung beginnen, können in der Regel ausgezeichnete Ergebnisse beobachtet werden. Außerdem wird das Arbeitsklima verbessert und die Kreativität angeregt. Ein Vorschlag aus dem Publikum war dann auch, dass Daimler sich mit Geldern eine junge Frau als Hauptfigur in eine "Daily-Soup" reinschreiben lässt, die Lust und Erfolg in einem industriellen Beruf, beispielsweise Mechatronikerin, hat. Es ist immer noch „uncoll“, wenn Mädchen als Mechanikerin in der Fabrikhalle stehen. Moderatorin Schwarz weiß zu berichten, dass sich damit auch schon Universitäten beschäftigen.

Als wichtiger Schritt für die gesellschaftliche Problematik wird laut Dr. Ilse Wehrmann auch die frühpädagogische Bildung gesehen. Hier werden die Grundlagen für die spätere Ausbildungsfähigkeit gelegt. Andere Länder sehen diesen Ansatzpunkt bereits seit Jahren. So will Mercedes auch in Berlin zum Sommer 2008 eine eigene betriebliche Kita einrichten.

Daimler bietet dem Unternehmensnetzwerk Motzener Straße eine verstärkte Kooperation, auch im Bereich des Kindergarten, an. Der Unternehmenszusammenschluss plant eine vergleichbare Einrichtung.

Senator Zöllner betont abschließend, dass ein „dualer Ansatz im letzten Schulabschnitt“ ein wichtiger Schritt in einem Bündel von Maßnahmen wäre. Bezirksbürgermeister spricht von der gesellschaftlichen Gesamtverantwortung: „Wir werden alle jungen Leute brauchen!“ In der Schlussrunde der Diskussion werden u.a. „starke Mädchen“, „Begeisterung wecken“, „Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft praktizieren“, „Stärkung des Selbstbewusstseins und das ernst nehmen von Jugendlichen“ gefordert.

Als Abschluss der Diskussionsveranstaltung führten Auszubildende die Gäste engagiert und informativ durch die laufende Produktion in der V 6-Motorenherstellung.

Thomas Moser für BerLi-Press (www.berli-press.de) für www.lichtenrade-berlin.de

Lt. Wikipedia:

Job-Rotation (auch: Arbeitsplatz-Rotation) ist ein systematischer Arbeitsplatz- oder Aufgabenwechsel innerhalb einer Organisation.


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