Für Mediziner gibt es eine Vielzahl von beruflichen Alternativen zur klassischen Arztkarriere

Von Alexander Hauk

München (aha). Nach Angaben der Bundesärztekammer entscheidet sich bereits heute etwa die Hälfte aller Medizinstudenten nach dem Ende ihres Studiums für einen Beruf im so genannten nicht-kurativen Bereich. Neben der klassischen Karriere im Krankenhaus oder in der eigenen Praxis, arbeiten Ärzte zum Beispiel als Informatiker, Unternehmensberater, Journalisten und Versicherungsexperten arbeiten. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Bei Dr. Martin Hyca zum Beispiel machte eine Rückenverletzung einen Strich durch die geplante Karriere als Herzchirurg: „Mitunter hätte ich am OP-Tisch bis zu zehn Stunden stehen müssen, das hätte ich nicht können“, sagt der 34-Jährige, der heute als Clinical Marketing Manager bei der Softwareschmiede TomTec in München arbeitet. Das Unternehmen sucht für mehrere Stellen Experten mit medizinischem Hintergrund. Kein Einzelfall: Mediziner sind auf dem Arbeitsmarkt gefragte Spezialisten, bestätigt die Bundesagentur für Arbeit.

Nach seinem Medizinstudium an der Universität Bochum belegte Dr. Hyca den Aufbaustudiengang Biomedical Engineering an der Technischen Universität in München. „Weil der Studiengang primär für Ingenieure gedacht ist, musste ich innerhalb weniger Wochen Grundlagen in Maschinenbau, Elektrotechnik und Steuerungs- und Regelungstechnik nachholen“, so Hyca. Über Anstellungen in der Unternehmensberatung HWP Planungsgesellschaft in Stuttgart und dem Deutschen Herzzentrum in München kam er zu TomTec. Die insgesamt 111 Mitarbeiter des Unternehmens entwickeln und vertreiben Software für Ultraschallgeräte. Auf dem Gebiet der 4D-Ultraschallbilderfassung gilt TomTec als Weltmarktführer. Hyca ist für das Klinische Marketing verantwortlich: „Ich sammle Ideen, diskutiere mit Ärzten und Ingenieuren, erstelle Marktanalysen und entwickle neue Konzepte für neue klinische Applikationen“, beschreibt er seine Arbeit. Zwischen einem und zwei Jahren dauert es, bis aus der Idee ein marktreifes Programm geworden ist, wie zum Beispiel „4D RV-Function©“, eine Software für die Funktionsanalyse der rechten Herzkammer.

Medizin- und Gesundheitsthemen verständlich aufbereitet

Ungeregelte Arbeitszeiten, mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ausufernde Bürokratie und die hohe Verantwortung: Es gibt viele Gründe, warum sich Mediziner gegen Klinik, Praxis und direkten Patientenkontakt entscheiden. Mitunter haben die Motive allerdings gar nichts mit dem Klinikalltag zu tun: „ Ich habe mich nicht gegen den Patientenkontakt, sondern ganz bewusst für den Journalismus entschieden“, betont Dr. Frank Schwebke, Redakteur bei der Zeitschrift Bunte. Nach seinem Studium hatte der Mediziner zunächst für drei Jahre am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg in der Neurologie und Psychiatrie gearbeitet. Als er dann Mitte der 80er Jahre in den Journalismus wechselte, sei er in seinem Umfeld auf Unverständnis gestoßen, aber: „Ich habe diesen Schritt nie bereut.“

Vier bis sechs Seiten des Magazins haben Schwebke und sein Team jede Woche zu füllen. „Die Gesundheitsthemen, über die wir berichten, reichen von neuen Behandlungsformen bei Brustkrebs über Allergien, Herzinfarkt bei Frauen, Ayurvedische Medizin und Wellness“, so der Mediziner, der im Fernsehen auch eine eigene Medizinsendung moderiert und dank seiner Medienerfahrung inzwischen selbst ein gefragter Interviewpartner ist. Zum Arbeitsalltag von Schwebke gehören neben Redaktionskonferenzen, Recherchen und das Schreiben der Texte, Kontaktpflege und der Besuch von Kongressen. „Mein Beruf ist lebendig.“

Forschung und Entwicklung in der Pharmaindustrie

„Die Kernfrage lautet, ob man sich als Arzt vorstellen kann, den direkten Patientenkontakt aufzugeben“, sagt Prof. Dr. Torsten Strohmeyer,
Leiter Forschung und Medizin bei GlaxoSmithKline (GSK), einem der weltweit führenden forschungsorientierten Arzneimittel- und Healthcare-Unternehmen. Allein in Deutschland forschen bei GSK neben den rund 80 Naturwissenschaftlern auch 40 Mediziner an neuen Wirkstoffen. Sie planen und organisieren klinische Studien. Dazu gehören unter anderem die Bewertung von Arzneimittelnebenwirkungen und die Entwicklung von Studienprotokollen. Aktuell arbeiten die GSK-Mediziner an der Markteinführung eines Medikamentes mit dem Wirkstoff Lapatinib, der das Wachstum von Brustkrebszellen verhindert. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Schulung des Außendienstes, der potenziellen Kunden erklären können muss, wie eine Substanz wirkt. Mediziner ohne Klinikerfahrung haben bei GSK allerdings kaum eine Chance auf Einstellung: „Wenn es um eine Einstiegsposition geht, sollte der Bewerber etwa zwei bis drei Jahre in einer Klinik gearbeitet haben, damit er die dortigen Arbeitsabläufe kennt“, so Strohmeyer.

Wer bereits während des Medizinstudiums eine künftige Karriere in der Pharmaindustrie plant, für den kann ein Forschungsprojekt an einer Universität der Einstieg sein. Recht international geht es zum Beispiel an der medizinischen Fakultät der Universität Regensburg zu. Dort betreibt Prof. Dr. Ralph Witzgall mit Doktoranden und promovierten Wissenschaftlern aus Syrien, Indien, China und Frankreich Grundlagenforschung. Die insgesamt zwölf Wissenschaftler wollen klären, wie bestimmte Erbkrankheiten zu chronischem Nierenversagen führen.

Dr. Andreas Emmendörffer hat sich in der Forschung selbstständig gemacht: Sein Unternehmen, die euroderm GmbH, wurde 2002 als Biotech StartUp in Leipzig gegründet. „Schwerpunkte sind die Entwicklung und Produktion von Hautmodellen für die Behandlung chronischer Wunden und für die pharmazeutische, chemische und kosmetische Industrie“, erklärt Emmendörfer. Die Mediziner des Unternehmens arbeiten mit einer Kliniken in Deutschland und der Schweiz zusammen und verbringen viel Zeit mit Patienten und Kollegen.

Zahl der Medizinstudenten und Absolventen gefallen

Arbeitsmarktexperten rechnen damit, dass die Nachfrage nach Medizinern in nichtkurativen Bereichen künftig weiter zunehmen wird.“ Das ganze Umfeld wird komplexer und anspruchsvoller. Als Konsequenz wird die Anzahl der Dialoge, etwa mit Krankenkassen und Politikern, weiter zunehmen“, so Prof. Torsten Strohmeyer. Dabei hat die Zahl der Studierenden im Fach Humanmedizin laut Statistischem Bundesamt deutlich abgenommen, von rund 88.000 im Jahr 1994 auf 77.700 im Jahr 2005. Im gleichen Zeitraum fiel die Anzahl der Absolventen von rund 12.000 auf 8.900. Die Bundesärtzkammer warnt deshalb schon länger vor einem Medizinermangel.

Unternehmen wie TomTec haben die Zeichen der Zeit erkannt. Mit Annehmlichkeiten, von denen der gewöhnliche Angestellte wohl nur träumen kann, versucht Geschäftsführer und Personalchef Ulrich Haupt neue Mediziner zu gewinnen und in der Softwareschmiede zu halten. Dazu zählen neben einem überdurchschnittlichen Gehalt und Zuzahlungen zur betrieblichen Altersvorsorge, Arbeitszeiten auf Vertrauensbasis, ein Firmenhandy, das auch für private Gespräche genutzt werden darf und ein eigener Betriebsbiergarten. Selbst regelmäßige Massagen am Arbeitsplatz gehören zum Verwöhnprogramm. Nicht ganz überraschend landete TomTec bei einer Umfrage in diesem Jahr unter den besten 100 Arbeitgebern in Europa.

(Internet: www.tomtec.de)


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