Das Genossenschaftskapital in der Privatplatzierung – von Dr. jur. Horst Werner

Das Recht der Genossenschaftsanteile im freien Kapitalmarkt, dargestellt von Dr. jur. Horst Werner ( www.finanzierung-ohne-bank.de ).

Eine Definition der Genossenschaft gibt Dr. jur. Horst Werner ( www.finanzierung-ohne-bank.de ) und beschreibt die Platzierung von Genossenschaftsanteilen unter prospektrechtlichen Vorschriften ( mit den Bereichsausnahmen des Vermögensanlagengesetzes ) zur Mitgliederwerbung und zur Aufnahme von Genossenschaftskapital. Die Konzeption durch prospektive Aufbereitung von Genossenschaftsanteilen, so Dr. Werner aus Göttingen, und die Genossenschaftsanteils-Platzierung am Kapitalmarkt erlebt derzeit eine Renaissance und rückt deshalb neuerlich in das Blickfeld des Finanzmarktes. In Deutschland gibt es mehr Genossenschaftsmitglieder ( ca. 16 Millionen ) als in allen anderen Unternehmenseinheiten.

Nach einer Definition der Genossenschaft gilt diese als eine juristisch verselbständigte Vereinigung von natürlichen oder juristischen Personen, die sich auf freiwilliger Basis zusammenschließen, um ihre gemeinsamen wirtschaftlichen, sozialen und/oder kulturellen Interessen zu verfolgen und um ihre Ziele in einer wirtschaftlichen Organisation zu verwirklichen, die ihnen allen unter Stimmrechts- und Anteilsbeschränkung gemeinsam gehört und von Vorstand, Aufsichtsrat und Mitgliederversammlung als gesetzlich vorgesehene Organe geleitet wird. Eine eingetragene Genossenschaft eG im Sinne des § 1 Genossenschaftsgesetzes als im Handelsregister eingetragene e.G. ist also ein Zusammenschluss von Personen mit dem Zweck, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder mittels eines gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebes zu fördern ( gesetzliches Mitglieder-Förderprinzip ). Die Genossenschaft e.G. entsteht als juristische Person mit Vollzug der Eintragung im Handelsregister. Genossenschaften genießen aufgrund der staatlichen Genehmigungsbedürftigkeit durch einen prüfenden Genossenschaftsverband ein größeres Marktvertrauen durch fortlaufende Pflichtprüfungen. Die Platzierung von Genossenschaftsanteilen am Kapitalmarkt ist zudem prospektfrei und ohne BaFin-Billigung umsetzbar.

Die Prospekt- und BaFin-Freiheit für Genossenschaftsanteile gilt im Bereich der AIF-Fonds nach dem KAGB, wie die BaFin in einem Anwendungsschreiben verlauten ließ. Somit besteht z.B. für ein Modell der Genossenschafts-Holding für Bürgerbeteiligungen keine Prospektpflicht und auch keine Genehmigungspflicht nach dem KAGB und grundsätzlich frei von den Beschränkungen des Kleinanlegerschutzgesetzes, was nachfolgend kurz dargestellt wird.

So hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht ( BaFin ) in einem Auslegungsschreiben vom 09. März 2015 festgestellt, dass Genossenschaften unabhängig von ihrem Unternehmensgegenstand nicht unter das KAGB fallen. Da die Genossenschaften mit der Platzierung ihrer Anteile grundsätzlich auch nicht unter das Kleinanlegerschutzgesetz fallen, besteht keine Zulassungs- / Registrierungspflicht nach dem KAGB und grundsätzlich ( mit zwei Ausnahmen ) auch keine Prospektpflicht nach dem Kleinanlegerschutzgesetz vom 10. Juli 2015. Deshalb wird das Modell der Genossenschafts-Holding mit einer Objekt- bzw. Projektgesellschaft in Form einer Tochtergesellschaft als Instrument für BaFin-freie und prospektfreie Bürgerbeteiligungen in der Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Vor einem reinen Genossenschaftsmodell sind viele Initiatoren bisher zurückgeschreckt, weil jedes Genossenschaftsmitglied unabhängig von der Höhe seiner Kapitalbeteiligung eine gleichberechtigte Stimme hat. In der Genossenschaft mit reiner Holdingfunktion werden zwar die Stimmen gleichgewichtig in der Holding gebündelt. In der Tochtergesellschaft der Holding wirkt sich die gleichberechtigte Stimmenmacht der Genossenschafts-Mitglieder jedoch nicht mehr unmittelbar aus. Hier entscheidet die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft in Abstimmung mit dem Vorstand der Genossenschaft.

Initiatoren von Immobilien- oder erneuerbaren Energieprojekten können also eine Genossenschaft gründen und danach z.B. eine Immobiliengesellschaft ( oder mehrere Immobiliengesellschaften ) aus ihrer Gruppe als Tochtergesellschaft(en) in die neue Genossenschaft einbringen ( zunächst nur zu 95% – oder weniger -, um die Grunderwerbsteuer zu sparen ). Auf diese Weise wird die Genossenschaft zur „Mutter“ und das eingebrachte Unternehmen zur „Tochtergesellschaft“. Für den Einbringungswert kann der Initiator zwar nur begrenzte Genossenschaftsanteile erhalten ( max. 3 Genossenschaftsanteile ); es kann jedoch der übrige Wert in Form von gewinnberechtigten stillen Beteiligungen oder Genussrechten übernommen werden ( also z.B. nicht 2.000 Genossenschaftsanteile, sondern z.B. stille Beteiligungsanteile mit einer Laufzeit von 5 Jahren ). Ein Immobilien-Initiator hätte immer noch die „Hand“ auf den Immobilien und wäre für das Konstrukt nunmehr BaFin- und prospektfrei.

Gesetzliche Begrenzungen der BaFin-Prospektfreiheit

1. Bei den Genossenschaftsanteilen tritt eine Prospektpflicht zum einen dann ein, wenn Genossenschaftsanteile und z.B. Nachrangdarlehen ( oder eine andere Vermögensanlage als Finanzinstrument ) zusammen in einer Art Kopplungsgeschäft gleichzeitig platziert werden; wenn der Anleger also beide Zeichnungsangebote annehmen muss. Werden erst Genossenschaftsanteile platziert und später danach in einem zweiten Schritt Nachrangdarlehen verkauft, bleibt es prospektfrei. Ein Kopplungsgeschäft ( das eine Geschäft geht nicht ohne das andere ) macht also Genossenschaftsanteile prospektpflichtig ( wobei auch hier 20 Anteile unter die Regelung der Bereichsausnahme fallen ).

Insbesondere führen die Bestimmungen nicht dazu, dass das Angebot von Genossenschaftsanteilen allein deshalb prospektpflichtig wird, weil im Rahmen einer Werbung für diese Genossenschaftsanteile darauf hingewiesen wird, dass sich die Genossenschaft auch über Mitgliederdarlehen finanziert. Denn entscheidend dafür, ob eine Mitgliederwerbung von Genossenschaften prospektpflichtig ist, ist allein, was bei der Werbung um neue Mitglieder Gegenstand des öffentlichen Angebots ist. Wird ausschließlich für die Mitgliedschaft in der Genossenschaft selbst geworben, fällt dieses Angebot nach § 2 Absatz 1 Nummer 1 VermAnlG nicht unter die Vorgaben des Vermögensanlagengesetzes. Dies gilt auch dann, wenn in der Werbung für die Mitgliedschaft darauf hingewiesen wird, die Genossenschaft finanziere sich auch über Darlehen der Mitglieder. Denn auch in diesem Fall bleibt allein die Mitgliedschaft in der Genossenschaft Gegenstand des öffentlichen Angebots. Prospektpflichtig wäre lediglich ein Angebot, in dem der Antrag auf die Mitgliedschaft mit dem Abschluss eines Darlehensvertrags als Pflichtzeichnung verbunden werden soll.

Der eingetragenen Genossenschaft mit Genehmigung des Genossenschaftsverbandes obliegt als einziger Körperschaft kraft Gesetzes die Aufgabe der Mitgliederförderung. Zur Erfüllung des Förderauftrages, der in der Mehrung der Einnahmen bzw. Verminderung der Ausgaben der Mitglieder liegt, bietet die e.G. ihren Mitgliedern ihre Dienstleistungen an. Aufgrund dieses Förderauftrages steht bei der eG die persönliche Mitgliedschaft und nicht – wie bei Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften – die Stimmrechtsdominanz und nicht die kapitalmäßige Beteiligung im Vordergrund. Keine Person kann die Stimmrechts-Mehrheit erwerben. Ziel einer Genossenschaft ( siehe die Wohnungsgenossenschaften ) ist z.B. vorrangig die Versorgung der Mitglieder mit Eigentums- und Mietwohnungen oder bei den Waren-Genossenschaften der günstige Einkauf für die Mitglieder und die Versorgung mit bestimmten Handels- oder Verbrauchsgütern ( z.B. die Einkaufs-Genossenschaften wie die Raiffeisen e.G. ).

2. Die Prospektfreiheit für Genossenschaftsanteile und für Vermögensanlagen ( z.B. Nachrangdarlehen ) an der Genossenschaft ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 u. Nr. 1 a Vermögensanlagengesetz nur dann gegeben,

„wenn für den Vertrieb der Anteile keine
erfolgsabhängige Vergütung gezahlt wird“.

Finanzdienstleister und Vermittler dürfen also für die Platzierung von Genossenschaftsanteilen keine Provision erhalten. Ein Vertrieb mit erfolgsabhängiger Vergütung liegt nicht vor, wenn Genossenschaftsmitgliedern lediglich im Rahmen einer Werbeaktion für das Werben einzelner neuer Mitglieder eine Prämie gewährt wird. Die gesetzliche Vorgabe soll nur solche Provisionen erfassen, die für den gewerblichen Vertrieb der Anlagen gezahlt werden.

Weitere Informationen erteilt Dr. jur. Horst Werner von der Dr. Werrner Financial Service AG unter dr.werner@finanzierung-ohne-bank.de .