Auswirkungen des EZB-Anleihekaufprogramms

Seit rund vier Monaten kauft die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen ihres Anleihekaufprogramms für rund 60 Mrd. € im Monat und einem Gesamtvolumen von über eine Billion Euro Wertpapiere, darunter vor allem Staatsanleihen. Nachdem die Renditen der Anleihen (Staats- wie Unternehmensanleihen) zu Beginn des Kaufprogramms gesunken waren, sind sie, zur Überraschung vieler Marktteilnehmer, seitdem wieder etwas gestiegen.

Für Ökonomen und Anleger ist es sehr interessant, aber auch noch sehr früh, um mögliche Auswirkungen dieses Programms auf die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung zuversichtlich einzuschätzen, erläutert Dr. Lutz WERNER, Herausgeber des Finanzportals www.Anleger-Beteiligungen.de und des wöchentlich erscheinenden www.Investoren-Brief.de.

Insbesondere für Investoren und Anleger wäre es bedeutsam, die Auswirkungen auf die Finanz- und Kapitalmärkte richtig einzuschätzen und diese Effekte in ihre eigenen Anlageentscheidungen mit einzubeziehen. Da das EZB-Anleihekaufprogramm also noch eher kurz läuft, bietet es sich an, frühere Anleihekaufprogramme anderer Zentralbanken auf ihre Auswirkungen zu analysieren.

In welchen Ländern liegen Erfahrungen mit Anleihekaufprogrammen einer Zentralbank vor?

Welche Auswirkungen hatten diese Anleihekaufprogramme?

  1. Auswirkungen des Anleihekaufprogramms der Bank of England

Im Frühjahr 2009 begann die Bank of England mit Ankäufen, deren Volumen sich im Herbst 2012 auf 375 Mrd. Pfund beliefen. Drei britische Ökonomen haben kürzlich auf der Basis dieser Erfahrungen die verbreitete These getestet, wonach die mit den Käufen von Anleihen verbundene Schöpfung neuen Geldes die Geschäftsbanken zu einer Vergabe zusätzlicher Kredite an Unternehmen und Privatpersonen veranlasse und auf diesem Wege eine Belebung der Wirtschaft in Gang setze.

Das mit einer solchen Vorstellung verbundene Problem ist, dass eine Zentralbank keinen direkten Einfluss auf die Kreditvergabe der Kreditinstitute an die Privatwirtschaft hat. Die Geschäftsbanken müssen Kredite vergeben wollen, und die Unternehmen und Privatleute müssen Kredite aufnehmen wollen, damit dieser Mechanismus funktioniert. Schon im Jahr 2009 hatte die Führung der Bank of England in diesen aus der ökonomischen Theorie bekannten Kreditkanal (bank lending channel) wenig Vertrauen besessen. Die neue Studie der drei Ökonomen bestätigt den Befund: Einfluss der Käufe von Anleihen durch die Zentralbank auf die Kreditvergabe in der britischen Privatwirtschaft lässt sich nicht nachweisen.

  1. Auswirkungen des Anleihekaufprogramms der Bank of Japan

Einige Jahre früher als die Bank of England hatte die Bank of Japan mit Käufen von Anleihen begonnen. Eine Untersuchung der amerikanischen Zentralbank Fed kommt für die Jahre 2000 – 2009 zwar zu dem Ergebnis, dass die Käufe von Anleihen durch die Zentralbank eine Belebung der Kreditvergabe in der Privatwirtschaft angestoßen hätten. Allerdings heißt es einschränkend, dass dieser Effekt nur klein und vorübergehend gewesen sei.

  1. Auswirkungen des Anleihekaufprogramms der Fed in den USA

In den Vereinigten Staaten hatte die Fed in den vergangenen sieben Jahren mehrere Kaufprogramme für Anleihen umgesetzt. Daher liegen dort reiche Erfahrungen vor, die in einer Vielzahl von Studien untersucht wurden. In den Vereinigten Staaten zielte die Fed vor allem auf den Markt für langlaufende Staatsanleihen, deren Renditen sie senken wollte. Die Ergebnisse dieser Politik sind aber nicht offensichtlich. Es gibt mehrere Studien mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen.

Dies stützt die Ansicht mancher Theoretiker die Anleihekäufe von Zentralbanken für wirkungslosen Aktionismus halten. Es existieren auch theoretische Modelle, aus denen sich solche Ergebnisse ableiten lassen. Insofern sollten auch an das Kaufprogramm der EZB keine so großen Erwartungen gerichtet werden.

 

  1. Portfolioeffekte des Anleihekaufprogramms?

Ökonomen, die sich von Anleihekäufen einer Zentralbank positive Wirkungen für die wirtschaftliche Entwicklung versprechen, setzten eher auf einen anderen Effekt, den sog. Portfolioeffekt. Er geht davon aus, dass nicht alle Anleger, die der Zentralbank Anleihen verkaufen, das zinslose Geld halten wollen, dass sie für die verkauften Anleihen erhalten. Stattdessen ist damit zu rechnen, dass diese Anleger mit dem Geld Wertpapiere kaufen wollen, die sie als Substitute für ihre verkauften Anleihen betrachten.

Anleger, die Staatsanleihen mit fünf jähriger Laufzeit an die Zentralbank verkauft haben, könnten beispielsweise auf die Idee kommen, mit dem Geld fünf jährige Unternehmensanleihen zu kaufen. Dies hätte steigende Kurse und sinkende Renditen für Unternehmensanleihen zur Folge.

Diese Umschichtungen von Finanzvermögen können in zweierlei Hinsicht die Wirtschaft beleben: Niedrige Renditen für Unternehmensanleihen und höhere Aktienkurse führen zu niedrigeren Finanzierungskosten für Unternehmen und können damit zusätzliche Sachinvestitionen anregen. Hinzu kommt, dass als Ergebnis höherer Kurse für Anleihen und Aktien der Wert der Vermögen steigt. Dies könnte die Besitzer der Vermögen zu zusätzlichen Konsumausgaben veranlassen.

Auf diese Portfolioeffekte hatte unter anderem der frühere Fed-Vorsitzende Bernanke vertraut. Auch der Chefvolkswirt der EZB hat vor Beginn des Ankaufprogramms seine Hoffnungen auf diesen Effekt gesetzt. Aber auch dieser Effekt lässt sich nicht leicht nachweisen. Eine Arbeit von Ökonomen der Bank of England kommt zwar zu dem Schluss, dass der Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank eine zusätzliche Nachfrage privater Großanleger nach Unternehmensanleihen zur Folge hat. Allerdings ist ein positiver Effekt auf dem Aktienmarkt nicht nachweisbar gewesen.

  1. Internationale Auswirkungen von Anleihekaufprogrammen der Zentralbanken

Damit ist die Frage nach möglichen Auswirkungen von Anleihekaufprogrammen der verschiedenen Zentralbanken aber noch nicht abschließend geklärt. Viele Studien spüren zwar nur binnenwirtschaftlichen Wirkungen von Anleihekäufen nach. In zweierlei Hinsicht sind aber auch internationale Auswirkungen auf die Finanz- und Kapitalmärkte vorstellbar und nachweisbar.

Erstens ist denkbar, dass die Zentralbanken mit ihrer Geld- und Kaufpolitik den Wechselkurs ihrer Währung beeinflussen. Eine Abwertung der Währung ist eine wahrscheinliche Folge. Dies könnte zumindest vorübergehend den Export und einen leichten Anstieg der Inflationsrate befördern. So ist die öffentliche Diskussion des EZB-Kaufprogramms von einer spürbaren Abwertung des Euros am Devisenmarkt und einer Ankurbelung des Exports aus dem Euro-Raum begleitet worden.

Zweitens sind auch Auswirkungen von Anleihekaufprogrammen in Industrienationen auf Schwellen- und Entwicklungsländer denkbar. Aktuell wurde dies in einer Studie aus der Weltbank für Mexiko nachgewiesen. Die sehr niedrigen Renditen für Anleihen aus Industrienationen haben in den vergangenen Jahren viele Großanleger zu Anleihekäufen in Schwellenländern bewogen. Gelichzeitig haben die Abwertungen von Währungen aus Industrienationen Schwellenländer zu Senkungen ihrer Leitzinsen veranlasst, um die Aufwertungen ihrer Währungen zu bremsen.

Der Export der Wirkungen von Anleihekäufen in Schwellenländern wird von zahlreichen Ökonomen sehr kritisch gesehen, weil er mit Gefahren für die Stabilität des internationalen Finanzsystems einhergehen kann. Davor warnen unter anderem Experten aus der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.

27.07.2015: | |