Laterne, Laterne

Laterne gehen zum Martinstag in Berlin Mitte

Laterne, Laterne

"Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne...". Kennen Sie das noch? Oder haben Sie dieses Lied beim Laternenumzug mit Ihren Kindern bereits wiederentdeckt? Das "Laterne gehen" gehört noch immer zum Martinstag wie der Gänsebraten. Und wenn letzterer auch vielleicht eher den Großen schmeckt, ist der Laternenumzug (eigentlich: Martinszug oder Martinsritt) in der jahreszeitlich früh eintretenden Dunkelheit eindeutig ein Ereignis für die Kinder. Im Heimatdorf des Autors wurde der Zug der kleinen Laternenträger und ihrer Eltern immer von einem rot bemantelten Reiter angeführt, der den heiligen Martin von Tours in seiner römischen Offizierstracht darstellte. Laterne gehen war immer auch deshalb spannend; wann sah man schon mal einen Reiter auf öffentlichen Straßen?

Laterne gehen und Laterne singen

Zum Laternenumzug gehören natürlich die entsprechenden Lieder. St. Martin und seine barmherzige Tat wollen ebenso besungen sein wie die Laterne zu seinem Gedächtnis und damit auch man selbst als Laternenträger/in. Damals im Dorf sorgte - natürlich - eine Abordnung des Posaunenchors für die melodische Unterfütterung der Sangeskünste. Die Liedtexte waren bekannt, Intonation und Tempo der begleitenden Bläser ebenfalls und so war im kindlichen Duktus "Laterne gehen" vor allem auch "Laterne singen". Szenenwechsel: Anno 2013 in Berlin Mitte. Auch in den hiesigen Kitas und Kindergärten wird "Laterne, Laterne..." noch immer erlernt, zum entsprechenden Laternenzug wurde ebenfalls geladen.

Vernünftiger Traditionsbruch

Von St. Martin allerdings hatte unsere Tochter zu Hause nichts erzählt, aber Singen geht ohnehin vor; klar. Entsprechend waren von der Kita-Leitung auch 2,50€ pro Kind für "die Musik" eingesammelt worden. Ok. Gegen 17 Uhr war der Treffpunkt in einem Kita-nahen Stadtpark erreicht, der Regen hatte rechtzeitig aufgehört, es war sogar halbwegs dunkel und die mit Laternen ausgerüsteten Kinder samt Eltern waren bereits zahlreich anwesend. Ein fröhliches Laternen-Vergleichen unter den Kleinen begann sofort und die größte kindliche Freude galt der Tatsache, dass beinahe alle Laternen vom identischen Stab-Modell getragen und beleuchtet wurden. Elektrisch natürlich, von den Kerzen damals im Dorf keine Spur. Aber angesichts lebhafter Dreijähriger erschien dieser Traditionsbruch nicht unvernünftig.

Musik ja, Mitsingen nein

Auch eine Trompete war bereits vor Beginn des Laternenzugs zu hören, dazu Tenorhorn, Snare-Drum, Saxophon und Banjo. Naja, kein Posaunenchor, aber immerhin Blasmusik. Doch halt, was wurde da gespielt? Laterne, Laterne war es nicht, auch kein Martinslied, aber diese Melodie... Genau: "When you're smiling..." wurde da gegeben. Der Swing-Klassiker, den Louis Armstrong und später Dean Martin unsterblich gemacht hatten. Weitere eingängige Jazz-Standards folgten. Offenbar wurde hier Musik eher für die Eltern gemacht. Nun ja, der Umzug begann und tatsächlich erklangen einige Stücke, die die Ohren an den Laternenumzug gemahnten. Aber das swingte alles so flott und wurde zudem von rasanten Soli der einzelnen Musiker ausgeschmückt, dass eines eben nicht möglich war: das Mitsingen. Die Kinder schien es zunächst nicht zu stören, das ganze "Event" war ja auch so aufregend genug.

Ironisch gebrochene Laterne

Aber hier und da begannen doch einige der Kleinen das zu dieser Gelegenheit erlernte Liedgut zu skandieren. Ein allgemeiner Gesang wurde freilich nicht daraus; Eltern und Erzieher beteiligten sich kaum und die Kapelle war längst wieder nach New Orleans unterwegs. Dann endlich, der Zug hielt auf einem größeren Platz im Park und "Laterne, Laterne" wurde intoniert, im Mitsingtempo. Die Kinder sangen und bemerkten - natürlich - nicht, dass die Combo das Stück nur als Persiflage so langsam zum Besten gab. Das Tempo wurde nach der ersten Strophe denn auch flugs wieder ins Unsingbare angezogen und gegen Ende verewigte sich der Schlagzeuger mit einem langen Solo. Laterne, Laterne, ironisch gebrochen? Offenbar nötig und vielleicht auch nur passend zu diesem reiterlosen Zug in Berlin Mitte. Nächstes Jahr gibt’s echte Kerzen.

Andreas Kelner

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