Die Bedeutung jüdischer Kunst für die deutsche Kultur

Lange Zeit, teilweise bis ins ausgehende 20. Jahrhundert, war in der nichtjüdischen und auch jüdischen Bevölkerung die Meinung vorherrschend, dass Juden1 kaum namhafte Maler, Bildhauer oder Architekten hervorgebracht hätten. Diese Ansicht vertraten selbst Gelehrte und (Kunst-)Historiker. Juden galten als ein »Volk des Buches«, und nach Heinrich Heine (1796–1856) bestand deren Beitrag zur allgemeinen Kultur in der Literatur, zumal in der Verbreitung der Bibel.

Kultur und Gedächtnis
Klaus Hödl
Verlag Ferdinand Schöningh

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Auch von einer speziell jüdischen Kunst könne bestenfalls auf religiösem Gebiet, bei der Herstellung von Zeremonialgegenständen, gesprochen werden. Selbst die Jewish Encyclopaedia aus dem Jahre 1902 zweifelt an der Existenz einer eigenständigen jüdischen Kunst. Der Grund für das vermeintliche Unvermögen der Juden, künstlerisch tätig zu sein, wurde einerseits in ihrer religiös-kulturellen Tradition gesehen, d. h. im biblischen Verbot, sich ein Abbild von Gott anzufertigen, das die visuellen Fähigkeiten zugunsten des Gehörsinns verkümmern habe lassen. Und andererseits wurde es rassisch zu erklären versucht.
Zwar stimmt es, dass es bis zum späten 19. Jahrhundert kaum jüdische Künstler gab, die allgemeine Berühmtheit erlangten. Im Gegensatz dazu genoss eine Reihe jüdischer Musiker und Komponisten in der breiten Bevölkerung große Bekanntheit und auch Verehrung. Und dass im jüdischen Alltagsleben künstlerische Berufsambitionen häufig wenig Förderung genossen, wenn nicht gar unterdrückt wurden, ist durch eine Vielzahl von Memoiren ebenfalls belegt. Der jiddische Schriftsteller Isaac Bashevis Singer weiß beispielsweise zu berichten, dass es ihm als Kind untersagt war, einen Menschen zu zeichnen oder zu malen, weil dies gegen das zweite Gebot verstoße.


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