Das Geschäftsmodell der SAP (3/6)

Susensoftware greift drei Klauseln der SAP AGB an
Herzogenrath, 23. Juli 2013. – SAP verwendet aktuell Allgemeine Geschäftsbedingungen zur „Überlassung und Pflege von Standardsoftware“ mit Stand vom 15. Juli 2011. Am 25.Oktober 2012 hat susensoftware Klage wegen Wettbewerbsbehinderung gegen SAP eingereicht und drei Klauseln in den AGB bemängelt. SAP hingegen hält alle angegriffenen Klauseln für rechtlich unbedenklich. Am 7. August 2013 findet eine erste mündliche Verhandlung in Hamburg statt.

1. angegriffene Klausel aus den SAP AGB
Regelungen zur Weitergabe der SAP-Software
Ziffer 2.4.2 der AGB lautet wie folgt:
„Die Weitergabe der SAP Software bedarf in jedem Fall der schriftlichen Zustimmung von SAP. SAP wird die Zustimmung erteilen, wenn der Auftraggeber eine schriftliche Erklärung des neuen Nutzers vorlegt, in der sich dieser gegenüber SAP zur Einhaltung der für die SAP Software vereinbarten Regeln zur Einräumung des Nutzungsrechts verpflichtet, und wenn der Auftraggeber gegenüber SAP schriftlich versichert, dass er alle SAP Software Originalkopien dem Dritten weitergegeben hat und alle selbst erstellten Kopien gelöscht hat. SAP kann die Zustimmung verweigern, wenn die Nutzung der SAP Software durch den neuen Nutzer ihren berechtigten Interessen widerspricht.“
Susensoftware beanstandet die zwingende („in jedem Fall“) Verknüpfung einer Weitergabe der Software mit der Zustimmung von SAP. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Juli 2012 entschieden, dass sich ein Softwarehersteller dem Weiterverkauf der Software durch den Ersterwerber nicht widersetzen darf, soweit bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. SAP hat auf dieses Grundsatzurteil des EuGH aber überhaupt nicht reagiert und verwendet weiterhin AGB, die die Weitergabe der Software an die zwingende Zustimmung der SAP koppeln. Diese Praxis widerspricht nach Auffassung von susensoftware der Rechtsprechung des EuGH. Der EuGH hat ausdrücklich auf den Handel mit Gebrauchtsoftware den urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz für anwendbar erklärt, der dem Erwerber der Software die Möglichkeit gibt, die Software an Dritte weiterzugeben.
Dass die AGB von SAP auch nach dem EuGH-Urteil von SAP noch weiterhin im geschäftlichen Verkehr benutzt werden ist nach Ansicht von Axel Susen und auch vielen Anwendern ein unlauteres Verhalten im Wettbewerb da die SAP mit der Klausel die Softwareerwerber (also die Softwarenutzer) unangemessen benachteiligt. Eine solche unangemessene Benachteiligung durch AGB kann auch von Wettbewerbern unter dem Gesichtspunkt einer Wettbewerbsverletzung beanstandet werden.
Der Erwerb der SAP Standard-Software durch einen Kunden ist nach herrschender Rechtsprechung als Sachkauf einzuordnen, auf den die kaufrechtlichen Vorschriften des BGB Anwendung finden. Bringt die SAP eine Software in den Verkehr, kann der rechtmäßige Erwerber (= der Käufer) die Software für sich nutzen. Gibt der Erwerber die Nutzung endgültig auf, so ist ihm aufgrund der eingetretenen Erschöpfung des urheberrechtlichen Verbreitungsrechts ein Weiterverkauf unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Dies hat der Europäische Gerichtshof durch sein Grundsatzurteil vom Juli 2012 bestätigt.
Mit dem wesentlichen Grundgedanken des Erschöpfungsgrundsatzes ist es indes nicht vereinbar, dass SAP die Weitergabe von SAP Software in jedem Fall von ihrer Zustimmung abhängig macht, so dass die streitgegenständliche Klausel einer AGB-rechtlichen Kontrolle nicht standhält. Die SAP-Kunden sind nicht berechtigt, die Software wie ihr Eigentum zu nutzen und entsprechend der grundgesetzlich verbürgten Eigentumsgarantie frei darüber zu verfügen. SAP wäre aber verpflichtet, ihren Kunden dieses Recht einzuräumen, da die Pflicht zur vollständigen Eigentumsübertragung mit allen Konsequenzen eine Kardinalpflicht aus dem schuldrechtlichen Kaufvertrag darstellt. Der Erwerber wird Eigentümer und hat gemäß § 903 BGB grundsätzlich das Recht, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auszuschließen. SAP stempelt ihre Kunden aber mit der streitgegenständlichen AGB-Klausel zu Eigentümern zweiter Klasse und verwehrt ihnen das aus dem Eigentumsprinzip fließende wesentliche Recht, das Eigentum nach §§ 929 ff. BGB weiter zu übertragen. Die Voraussetzung, dass SAP der Weiterveräußerung zwingend zustimmen muss, stellt mithin einen wesentlichen Verstoß gegen den urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz und gegen die aus dem Veräußerungsgeschäft fließenden Kardinalpflichten dar.
Durch diese unangemessene Benachteiligung der SAP-Kunden behindert die SAP auch den fairen Handel mit Gebrauchtsoftware, so dass aus Sicht von susensoftware ein Wettbewerbsverstoß vorliegt. Der SAP-Kunde sollte es daher nicht hinnehmen müssen, dass er vor einer Weiterveräußerung der von ihm gekauften Sache um Zustimmung ersuchen muss.
Satz 2 der Klausel in Ziffer 2.4.2 (wonach SAP stets die Zustimmung erteilt, wenn der Ersterwerber eine schriftliche Erklärung des neuen Nutzers vorlegt, in der sich dieser gegenüber SAP zur Einhaltung der mit SAP vereinbarten Regeln zur Einräumung des Nutzungsrechts verpflichtet, und wenn der Ersterwerber gegenüber der SAP schriftlich versichert, dass er alle Originalkopien dem Dritten weitergegeben hat und alle selbst erstellten Kopien gelöscht hat) ändert an der Rechtswidrigkeit des Zustimmungserfordernisses nichts.
Insbesondere schränkt SAP diese für den Kunden vermeintlich günstige Regelung sogleich wieder durch Satz 3 ein und behält sich eine Verweigerung der Zustimmung ausdrücklich vor:
„wenn die Nutzung der SAP Software durch den neuen Nutzer Ihren berechtigten Interessen widerspricht“.
Wie oben bereits erläutert wurde, gehört es zu den kaufvertraglichen Kardinalpflichten des Verkäufers, dem Erwerber das Eigentum an der Kaufsache zu verschaffen und damit gemäß § 903 BGB das Recht, über die Sache frei verfügen zu können. Der Käufer erhält insoweit eine endgültige Rechtsposition an der Kaufsache,, weshalb käuflich erworbene Software grundsätzlich frei verkauft werden kann. Das bedeutet, dass der Erwerber der Software die Software und das damit verbundene Nutzungsrecht selbst weiterveräußern kann, und zwar ohne bei seinem Verkäufer um eine Erlaubnis bitten zu müssen.
Die streitgegenständliche Klausel dürfte im Übrigen maßgeblich zur Verunsicherung des Ersterwerbers und eines potentiellen Zweiterwerbers beitragen: der Zweiterwerber kann sich erst sicher sein, dass er die Software erwerben und nutzen kann, wenn ihm die Zustimmung der SAP als ursprünglicher Verkäufer vorliegt. Es liegt damit allein in der Hand der SAP, den zeitlichen Ablauf zu steuern, zu verzögern, Nachfragen zu stellen und schließlich ihre „berechtigten Interessen“ in Gefahr zu sehen. Ersterwerber und Zweiterwerber wird insoweit eine erhebliche Rechtsunsicherheit auferlegt, die ebenfalls eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 I BGB darstellt.
„Bei der Regelung zur Weitergabe der SAP-Software handelt es sich um eine in vielen Lizenzverträgen zu findende Regelung, die die kaufrechtlichen Befugnisse eines Kunden einschränken. Es ist wünschenswert, dass das Hamburger Gericht deutlich macht, dass ein Kaufvertrag dem Käufer umfassende Befugnisse, auch bei dem Erwerb einer Software gibt. Bei einer Parallele zum Autokauf wird deutlich, wie wenig eine Weitergabe-Klausel zum Kaufvertrag passt: Übertragen auf den Erwerb eines Fahrzeugs müsste die Klausel dann heißen: >Die Weitergabe des Kraftfahrzeuges bedarf in jedem Fall der schriftlichen Zustimmung von VW oder BMW.