Abends 22:30. Die Freundin liegt schon im Bett und er geht noch einmal an den Computer. Angeblich um zu gucken, ob es neue Emails gibt. In Wirklichkeit aber geht es auf seine Lieblingsschmuddelseite. Schnell ein Filmchen mit nackter Haut, und dann noch eins, und noch eins, und es ist wieder halb eins und plötzlich steht die Freundin in der Tür. "Was machst du denn da?"
So sieht es in vielen deutschen Wohnungen aus. Geschätzte 4% der Deutschen leiden an Schuld- und Schamgefühlen wegen übermässigem Konsum schmuddeliger Bilder im Internet. Oft bleibt es nicht nur bei Bildern im Internet, sondern führt zu Seitensprüngen, ständig wechselnden Partnern und Beziehungsunfähigkeit. Viele der Betroffenen sind bereits in einer Sucht gefangen oder auf dem Weg hinein. Und es betrifft beileibe nicht nur Männer. Ein Viertel der Süchtigen sind Frauen. Während Männer eher an übermässigem Konsum von Bildern am Computer leiden, sind es bei Frauen deutlich häufiger schnell wechselnde Beziehungen oder One-Night-Stands. Ausserdem werden die Betroffenen immer jünger, da über das Internet mittlerweile auch die meisten 14jährigen schon Zugang zu pornographischen Inhalten im Web haben.
Hilfe gab es bisher nur über den Besuch beim Psychotherapeuten oder in Selbsthilfegruppen. Viele der Süchtigen haben jedoch Angst davor, sich jemandem völlig Fremden zu öffnen und über ihre dunkelsten Fantasien und Praktiken zu sprechen oder scheuen die Kosten monatelanger Besuche beim Therapeuten. Krankenkassen übernehmen häufig zwar die Kosten, aber dies setzt eine Überweisung voraus, für die man zunächst erst einmal mit seinem Hausarzt sprechen muss - eine oft unüberbrückbare Schamgrenze.
Jetzt gibt es jedoch auch zum ersten Mal im deutschsprachigen Raum ein Therapieprogramm, das man sich im Internet herunterlädt und bei dem man anonym bleibt. Ehemals selber Süchtige haben zusammen mit Therapeuten das „Lavario-Programm“ entwickelt. Dabei lernen die Betroffenen, wie sie sich innerhalb von 8 Wochen von ihren Qualen befreien. Man versteht, wieso man überhaupt süchtig wurde, wie man den Suchtdruck kontrolliert, wie man mit Rückfällen umgeht und wie man sein Leben und seine Beziehung wieder sinnvoll in den Griff bekommt. Zum einen helfen "Sofort-Tipps" dabei, bei akutem Druck sofort den Computer auszuschalten oder nicht schon wieder den nächstbesten Typen an der Bar mit nach Hause zu nehmen. Zum anderen enthält das Programm eine grosse Anzahl an Übungen, mit denen die Betroffenen für sich herausfinden, warum sie eigentlich in ihre Situation hineingeraten sind und wie sie es wieder schaffen, ihr persönliches Lebensglück zurückzuerlangen.
Ein kritischer Punkt ist natürlich auch, wie man mit seinem Partner und der Sucht umgeht. Erzählt man ihm oder ihr von der Sucht oder nicht? Und wenn ja, wie? Und wie geht man mit den Reaktionen um? Auch hier liefert das Programm die passenden Antworten.