Fachhochschule wird immer mehr Universität

Zwei richtungsweisende Veröffentlichungen dieses Monats deuten darauf hin, dass der Unterschied zwischen Fachhochschule und Universität auf Dauer keinen Bestand mehr haben wird: ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts und die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Rolle der Fachhochschulen im Hochschulsystem.

Die Studienstrukturen und -abschlüsse der beiden Hochschulformen haben sich durch die Umstellung auf Bachelor und Master angeglichen, die Abschlüsse von Uni und FH sind inzwischen gleichwertig – das führt zu einer immer tiefer greifenden Angleichung in der deutschen Hochschullandschaft, wie in neuesten Publikationen des wichtigsten Wissenschaftsgremiums und des höchsten Gerichts Deutschlands deutlich wurde.

Gleichwertigkeit der Abschlüsse

Der Wissenschaftsrat (WR), dessen Mitglieder vom Bundespräsidenten ernannt werden, hatte am 5. Juli 2010 seine ausführlichen “Empfehlungen zur Rolle der Fachhochschulen im Hochschulsystem” - siehe http://www.wissenschaftsrat.de/index.php?id=245&L= - bekanntgemacht. Darin verweist das für die tertiäre Bildung in Deutschland maßgebliche Gremium auf die Gleichstellung der Fachhochschulen mit den Universitäten in der Wertigkeit der neuen Studienabschlüsse.

Der WR fordert den öffentlichen Dienst auf, die FH-Absolventen nicht länger zu benachteiligen, deren Abschlüsse ja nun mit denen der Universitäten gleichwertig sind.

Er fordert die Universitäten auf, den FH-Absolventen nicht länger den Zugang zur Promotion zu erschweren. Der WR empfiehlt gar formelle Kooperationen zwischen Fachhochschulen und Universitäten sowie gemeinsame Graduate Schools mit kooperativen Promotionsverfahren.

Er schlägt die Schaffung von Forschungsprofessuren an den Fachhochschulen vor, mit gleichem Lehrdeputat wie bei Forschungsprofessuren an Universitäten üblich.

Gleichwertigkeit der Professuren

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) veröffentlichte am 27. Juli 2010 sein Urteil 1 BvR 216/07 vom 13. April 2010, in dem es um die Lehrfreiheit eines Fachhochschulprofessors geht - siehe http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20100413_1bvr021... . Von einem konkreten Fall ausgehend definiert das Gericht zwei wichtige Leitsätze:

1. Fachhochschullehrer, denen die eigenständige Vertretung eines wissenschaftlichen Faches in Forschung und Lehre übertragen worden ist, können sich auf die Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Forschung (Art. 5 Abs. 3 GG) berufen.
2. Anweisungen hinsichtlich der Lehre berühren das Recht des Hochschullehrers, sein Fach in Forschung und Lehre zu vertreten.

Damit stellen sie die FH-Professoren den Uni-Professoren mit Blick auf die im Grundgesetz verankerten Rechte der Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Forschung gleich.

In den Erläuterungen des Beschlusses legt das Gericht dar, dass Bundes- und Landesgesetzgeber in den vergangenen Jahren Universitäten und Fachhochschulen einander angenähert haben und grundsätzlich keine unterschiedlichen Regelungen mehr in den Gesetzen bestehen (Abs. 44). Die 1982 und 1983 vom selben Gericht noch getroffene Unterscheidung zwischen wissenschaftlichen Ausbildungszielen an Universitäten und Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit durch anwendungsbezogene Lehre an den Fachhochschulen will das BVerfG nun, 2010, nicht mehr aufrechterhalten (Abs. 45). Auch seien die Fachhochschulen durch die Landeshochschulgesetze inzwischen zur Forschung beauftragt worden (Abs. 51).

Konkretisiert wird die Gleichstellung für die Professoren an Fachhochschulen hier dadurch, dass das BVerfG ihnen zuspricht, was bislang nur für Professoren an Universitäten als beanspruchbar galt: “Kern der vorbehaltlos gewährten Lehrfreiheit ist insbesondere die freie Wahl von Inhalt und Methode der Lehrveranstaltungen.” (Abs. 59)

Die Zuweisung von fachfremden Lehraufgaben sieht das Gericht als Beeinträchtigung der Lehrfreiheit. Es verdeutlicht, welches Instrument hinter solchen Zuweisungen lauert: “Eine unbeschränkte Möglichkeit für die Hochschulorgane, dem Hochschullehrer fachfremden Unterricht abzuverlangen, würde nicht nur dessen durch die Lehre des eigenen Faches bestimmter Lehrfreiheit nicht gerecht, sondern könnte auch zur Sanktionierung missliebiger Lehre im eigenen Fach benutzt werden (vgl. dazu BVerfGE 122, 89 )” (Abs. 61).

Fazit

WR und BVerfG haben in diesem Jahr eine enorme Aufwertung der Fachhochschulen vorgenommen. Die Abschlüsse der beiden Hochschulformen sind längst gleichwertig, nun sollen die Fachhochschulen ihre Professoren für Forschung freistellen, wie an Universitäten von jeher üblich, und sich an Promotionsprogrammen beteiligen. Zudem bestehen keine unterscheidenden gesetzlichen Regelungen mehr und auf den grundgesetzlichen Schutz der Freiheit von Wissenschaft, Lehre und Forschung können sich ab jetzt die Professoren beider Hochschulformen gleichermaßen berufen.

Ob das vom WR geforderte weitere Nebeneinanderbestehen der beiden Hochschulformen auch in Zukunft noch sinnvoll und tragfähig ist, wird sicherlich dann zu diskutieren sein, wenn die Fachhochschulen die Weichenstellungen dieses Sommers zu ihrer Weiterentwicklung gut umgesetzt haben.

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