Ausübung des Widerrufsrechts bei einem sittenwidrigen Fernabsatzvertrag über ein Radarwarngerät

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hatte zu entscheiden, ob denn bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht eines Verbrauchers zur Geltung käme, wenn der Fernabsatzvertrag ein unerlaubtes Radarwarngerät zum Gegenstand habe, welcher jedoch sittenwidrig und damit nichtig ist.

Nach einer telefonischen Werbung und anschließender Faxbestellung schloss die Klägerin einen Fernabsatzvertrag über einen Pkw-Innenspiegel mit einer unter anderem für Deutschland codierten Radarwarnfunktion zum Preis von 1.129,31 € (brutto) zuzüglich Versandkosten. Der von Klägerin ausgefüllte Bestellschein enthält unter anderem den vorformulierten Hinweis:

Ich wurde darüber belehrt, dass die Geräte verboten sind und die Gerichte den Kauf von Radarwarngeräten zudem als sittenwidrig betrachten.

Gut eine Woche später erhielt die Klägerin das Radarwarngerät per Nachnahme. Weitere 10 Tage später übersandte die Klägerin an die Beklagte das Gerät zurück und bat um Erstattung des Kaufpreises. Die Beklagte verweigerte die Annahme des Gerätes und die Rückzahlung des Kaufpreises.

Die Klägerin zog daher vors Amtsgericht und begehrte unter anderem die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises zuzüglich 8,70 € Rücksendungskosten, insgesamt 1.138,01 €. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Die Berufungsinstanz gab der Klage statt. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Der zuständige VIII. Senat des Bundesgerichtshofes entschied, dass der Klägerin als Verbraucherin aufgrund des ausgeübten Widerrufs Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags zustehe. Sie kann daher die Rückzahlung des Kaufpreises (§ 346 BGB) und Erstattung der Kosten für die Rücksendung des Gerätes verlangen (§ 357 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Interessant an dem Verfahren war jedoch vielmehr die Frage, ob und ggf. wie sich die Sittenwidrigkeit des zugrunde liegenden Fernabsatzvertrages auf das Widerrufsrecht auswirke, da der Vertrag von Anfang an wegen seiner Sittenwidrigkeit nichtig war und die Klägerin aufgrund der vertraglichen Vereinbarung in dem Bestellschein Kenntnis von der Sittenwidrigkeit des Vertrages hatte.

Hierzu hat der Bundesgerichthof ausgeführt, dass der Kaufvertrag über den Erwerb eines Radarwarngeräts nach der Rechtsprechung des Senats sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist , wenn der Kauf nach dem für beide Seiten erkennbaren Vertragszweck auf eine Verwendung des Radarwarngeräts im Geltungsbereich der deutschen Straßenverkehrsordnung gerichtet sei (Senatsurteil vom 23. Februar 2005 – VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490 f.). Das Recht der Klägerin, sich von dem Fernabsatzvertrag zu lösen, werde davon jedoch nicht berührt. Ein Widerrufsrecht nach §§ 312d, 355 BGB beim Fernabsatzvertrag sei unabhängig davon gegeben, ob die Willenserklärung des Verbrauchers oder der Vertrag wirksam ist.

Sinn und Zweck des Widerrufsrechts beim Fernabsatzvertrag bestehe darin, dem Verbraucher ein an keine materiellen Voraussetzungen gebundenes, einfach auszuübendes Recht zur einseitigen Loslösung vom Vertrag in die Hand zu geben, das neben den allgemeinen Rechten besteht, die jedem zustehen, der einen Vertrag schließt.

Mit dieser Entscheidung ist der Senat der Auffassung entgegengetreten, nach der sich ein Verbraucher bei einer Nichtigkeit des Vertrages dann nicht auf ein Widerrufsrecht berufen könne, wenn er den die Vertragsnichtigkeit nach §§ 134, 138 BGB begründenden Umstand jedenfalls teilweise selbst zu vertreten habe. Danach sei die Ausübung des Widerrufsrechts wegen unzulässiger Rechtsausübung nur bei besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers ausgeschlossen. Daran fehlt es, wenn beiden Parteien ein Verstoß gegen die guten Sitten zur Last fällt.

Der Bundesgerichtshof ist von seiner ursprünglichen Entscheidung (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 2005 – VIII ZR 129/04, NJW 2005, 1490) nicht abgewichen, da dieser ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Im Gegensatz zum hiesigen Fall hatte der damalige Käufer kein Widerrufsrecht ausgeübt und seinen Rückforderung aufgrund der Nichtigkeit des Vertrages allein auf ungerechtfertigte Bereicherung abgestellt. Dieser Anspruch auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) scheiterte jedoch an der Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB.

Die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB besagt, dass die Rückforderung einer zur Erfüllung eines wegen Sittenwidrigkeit nichtigen Vertrages erbrachten Leistung ausgeschlossen ist, wenn beiden Parteien ein Sittenverstoß zur Last fällt.

Bösel, Kohwagner & Kollegen bietet unterschiedliche Schutzpaketeprogramme an. Wir beraten Sie diesbezüglich hinsichtlich aller im Zusammenhang mit dem Widerrufsrecht sich ergebenden Rechtsfragen. Gerne informieren wir Sie über unsere Schutzprogramme telefonisch und kostenlos.

Bei Ausübung eines Widerrufsrecht greift diese bereicherungsrechtliche Kondiktionssperre nicht.

Urteil vom 25. November 2009 – VIII ZR 318/08

AG Leer – Urteil vom 28. April 2008 – 071 C 130/08 (I)

LG Aurich – Urteil vom 21. November 2008 – 1 S 140/08 (138)

Bösel, Kohwagner & Kollegen
Sozietät von Rechtsanwälten
Berlin Dresden München
Hohenzollerndamm 133
14199 Berlin

Office: +49 (30) - 34 90 27 63
Fax: +49 (30) - 34 90 27 65
kreuzinger@boesel-kollegen.de

www.boesel-kollegen.de
blog.boesel-kollegen.de/

Bösel, Kohwagner & Kollegen ist eine überörtliche Rechtsanwaltssozietät.

Unsere Beratung zeichnet sich dadurch aus, dass wir mit den Besonderheiten verschiedener Branchen bestens vertraut sind. Unsere Anwälte denken unternehmensbezogen und orientieren sich an den Bedürfnissen unserer Mandanten, um der jeweiligen Branche sowohl in rechtlicher, als auch wirtschaftlicher Hinsicht entsprechen zu können.

Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung und unserer hohen fachlichen Qualifikation gestalten wir die Zukunft der unterschiedlichen Rechts- und Beratungsbereiche unserer Mandanten aktiv mit und sind so für unsere Mandanten jederzeit ein kompetenter Ansprechpartner. Wir beraten Unternehmen umfassend und praxisnah in allen Fragen des Wirtschaftsrechts.

Als wirtschaftsorientierte Kanzlei legen wir dabei besonderen Wert auf die individuelle Betreuung und persönliche Beratung unserer Mandantschaft. Durch die Bündelung von Kernkompetenzen gewährleistet Bösel, Kohwagner & Kollegen bei Projekten und Transaktionen jeder Größenordnung optimale und individuell zugeschnittene Lösungen. Auseinandersetzungen und Prozessführungen bei gerichtlichen Streitigkeiten gehören ebenfalls zu unserem Tagesgeschäft.


Über RA Marcus Kreuzinger