Geschehen in Gotha: Wenn sich Wilfried Klingler ein wenig für die Vergangenheit der Neuapostolischen Kirche entschuldigt...

„Ich bin einerseits sehr froh, dass ich diesen Gedanken aussprechen kann, auf der anderen Seite fällt es mir auch nicht schwer.“ Das sagt am 1. Januar 2009 jemand, der immer noch den Eindruck erweckt, er gehöre zu den wenigen, die im Namen Gottes sprechen. Veröffentlicht worden ist dieser Satz Ende Januar 2009 von einem Mitglied der Neuapostolischen Kirche aus Gotha, der ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich bei seinem Internetauftritt nicht um einen offiziellen handelt.

Wieder einmal geht es angeblich um die Vergangenheit dieser Glaubensgemeinschaft, auf die besagter Redner „mal unseren Blick ein wenig“ richten will. Die nächsten Sätze lauten: „Es hat dort Zeiten gegeben, da sind Menschen von uns gegangen, Schwestern und Brüder. Ich sage es ganz klar, aber ohne Vorwurf, auch aufgrund von Fehlverhalten leitender Amtsträger.“

Wilfried Klingler heißt dieser Redner und hat das zweithöchste Amt in der Neuapostolischen Kirche inne. Seit dem 21. Juni 2002 ist er für Thüringen und Sachsen zuständig. Außerdem unterstehen ihm die Bezirke Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Der 59-Jährige stammt aus Hannover. Dort sind wir uns einmal über den Weg gelaufen. Ich als Autor, er hat als Funktionär dieser Glaubensgemeinschaft.

Dieser Begegnung ging ein Interview mit dem Evangelischen Kirchenfunk voraus, das an einem Novembersonntag des Jahres 1988 ausgestrahlt wurde. Der Redakteur hielt mich für einen Experten, weil ich zwar evangelisch getauft worden bin, aber als Kind einer neuapostolischen Familie die Gottesdienste dieser Glaubensgemeinschaft besuchen musste. Nach Ausstrahlung der Sendung wurden mein Kollege und ich von Mitgliedern der Neuapostolischen Kirche wüst beschimpft, außerdem hatten wir schnell einen Strafantrag am Hals. Die Staatsanwaltschaft in Hannover kam jedoch schnell zu dem Ergebnis, dass an meinen Aussagen nichts auszusetzen war.

Damit endete die Kampagne aber nicht, denn ich hatte wegen dieser Vorkommnisse geschichtliches Interesse an dieser Glaubensgemeinschaft entwickelt, die nach dem Interview sogar versuchte, bei der evangelischen Kirche Druck auf den Redakteur des Evangelischen Kirchenfunkes auszuüben. Darüber informierte uns der Weltanschauungsbeauftragte der evangelischen Kirche und beruhigte uns: „Wir haben denen gesagt, dass wir niemals Einfluss nehmen werden auf Sendungen des Evangelischen Kirchenfunks.“

Bei meinen Recherchen erfuhr ich, wie eng die Neuapostolische Kirche mit dem Kaiserreich, mit den Nationalsozialisten und mit der SED-Diktatur zusammengearbeitet hatte. Nun wurden sie noch wütender. Meine Versuche, die Führung der Neuapostolischen Kirche einzuschalten, damit man mich endlich in Ruhe ließ, scheiterten. Wenn ich eine Antwort bekam, fiel sie spöttisch aus. Heute ist man dazu übergegangen, Fragen meinerseits gar nicht mehr zu beantworten. Den materiellen Schaden, der ganz nebenbei angerichtet wurde, erstatteten sie mir auch nicht.

Inzwischen ist Wilfried Klingler dazu übergegangen und preist seine Glaubensgemeinschaft als „offene Gemeinde“ an. Das tat er auch Neujahr 2009 und doch fiel ihm zur Vergangenheit der Neuapostolischen Kirche nur ein: „Wo man Äußerlichkeiten zum Dogma erhoben hat, wo man praktisch dem Einen oder Anderen den Weg gewiesen hat.“ Das ist schon wieder Hohn und Spott, denn meistens ist es nicht um Äußerlichkeiten gegangen, sondern ums Eingemachte. Interne Machtkämpfe wurden mit einer derartigen Brutalität geführt, dass Einige nicht mehr ein noch aus wussten. Ein paar krochen sogar zu den jeweiligen Chefs der Neuapostolischen Kirche und flehten um Gnade.

Zu Zeiten des Hitlerfaschismus haben sie von allen, die auch nur im Verdacht standen, nicht mit Hitler und seiner Verbrecherregierung einverstanden zu sein, Bescheinigungen verlangt, dass die Nationalsozialisten gegen eine Mitgliedschaft in der Neuapostolischen Kirche nichts einzuwenden hatten. Juden mussten gleich draußen bleiben. Dafür hat sich diese Glaubensgemeinschaft bis heute nicht offiziell entschuldigt. Ein Funktionär der Neuapostolischen Kirche schrieb mir sogar vor Jahren, dass er die damalige Führung immer noch dafür bewundere, wie unbeschadet sie die Glaubensgemeinschaft durch die damaligen schrecklichen Jahre gebracht hätte.

Weiß man das, wundert man sich auch nicht über diese Anmerkung von Wilfried Klingler vom 1. Januar 2009: „…ich stehe mit Bewunderung vor denen, die trotz innerer Zwänge geblieben sind.“ Diesen Zwang gibt es allerdings heute noch - und die Zahl derjenigen, die ihren Hut nehmen und sich endlich solche Reden nicht mehr anhören möchten, wächst.

Womit wir bei des Pudels Kern wären: Die Führungsspitze der Neuapostolischen Kirche weiß einfach nicht mehr, was sie tun soll, um diesen Aderlass zu stoppen. Der führt nämlich auch zu finanziellen Problemen. Erstens verdienen die Funktionäre dieser Glaubensgemeinschaft sehr gut, zweitens kann sie sich Gebäude, die meistens fast leer stehen, nicht mehr leisten.

Ein Beitrag für http://zeugenjehovas.blogspot.com


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