Probewohnen in Görlitzer Innenstadt

„Die Wohnungen in der Görlitzer Innenstadt sind eingerichtet, jetzt freuen wir uns auf die Probebewohner“, sagt Prof. Jürg Sulzer von der TU Dresden. Am Sonntag, 14. September, bezogen die ersten beiden Parteien für eine Woche ihr kostenfreies Test-Zuhause. Unter dem Motto „Schau doch mal rein! Probewohnen“ hat die Technische Universität (TU) Dresden mit dem Görlitz Kompetenzzentrum Revitalisierender Städtebau in Zusammenarbeit mit der WBG Wohnungsbaugesellschaft Görlitz mbH und der Stadt Görlitz das Projekt aus der Taufe gehoben. Probewohnen ist ein Modellvorhaben der Nationalen Stadtentwicklungspolitik – angesiedelt im Forschungsprogramm „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Es wird durch Mittel des Bundes gefördert.

Zwei Altbauwohnungen der WBG, eingerichtet mit Möbeln aus der neuen Ausstellung zum Ikea-Katalog 2009, stehen in der ersten Phase für je sechs Wochen zum mietfreien Probewohnen in der Görlitzer Innenstadt bereit: eine Wohnung in der Hartmannstraße 1a, die andere in der Löbauer Straße 6. Eine zweite Testphase gibt es im Frühjahr kommenden Jahres. Die Probewohnwoche beginnt und endet für die Teilnehmer jeweils am Sonntag. „Um das Wohngefühl zu steigern, darf jeder Mieter zwei Lieblings-Möbelstücke mitbringen“, sagt Projektleiterin Anne Pfeil. „Ziel ist es, dass sich die Teilnehmer wohlfühlen und in der neuen Umgebung ihren typischen Alltag erleben können.“ Vor, während und nach dem Probewohnen werden die Bewohner von Mitarbeitern der TU Dresden nach ihren Erfahrungen befragt. Anne-Magdalena Schubert freut sich mit ihrem Mann und den beiden jüngsten Kindern auf den Tapetenwechsel: „Ich hatte davon in der Zeitung gelesen. Da wir ohnehin in die Innenstadt ziehen wollen, fand ich es spannend, das dortige Wohnen einmal auszuprobieren.“ Schuberts zogen am 14. September in die Löbauer Straße. „Eigentlich hatten wir diese Straße nicht in der engeren Wahl“, erzählt die Hausfrau. „Aber vielleicht gefällt es uns ja dort so gut, dass wir uns nach einer passenden Wohnung umsehen.“ Die Kinder werden es auf jeden Fall genießen, auch spontan am Nachmittag zu ihren Freunden gehen zu können, ohne das ‚Taxi Mama‘ zu bemühen.

Wissenschaftler untersuchen Gründe für den Leerstand

„In den Innenstadtquartieren vieler ostdeutscher Städte ist ein überdurchschnittlicher Leerstand zu verzeichnen“ erläutert Prof. Jürg Sulzer. „Hierfür gibt es viele Ursachen, auch historisch bedingte. Angesichts des hohen baukulturellen Wertes derartiger Stadtteile ist eine nachhaltige Verbesserung ihres Images und ihres Wohnumfeldes von großer Bedeutung. Nur auf dieser Basis gelingt die Erhaltung und zukunftsorientierte Nutzung älterer Häuser in der Innenstadt von Görlitz.“ So initiierte Sulzer, der auch das Görlitz Kompetenzzentrum leitet, das Forschungsprojekt Probewohnen. Verschiedene Bürger werden dabei eigene Wohnerfahrungen in Innenstadtquartieren machen können. Wissenschaftlich untersucht werden die Fragen:
Wie lässt sich die Wertschätzung für Innenstadtquartiere in ostdeutschen Städten erhöhen?
Wie lassen sich Vorurteile gegenüber Innenstadtquartieren durch Methoden der Selbsterfahrung abbauen?
Welche gestalterischen Veränderungen sollten aufgrund der Wohnwünsche in innerstädtischen Wohnquartieren vorgenommen werden?
Die Mitarbeiter der TU Dresden gehen diesen Fragen in Interviews mit Interessenten und Bewohnern nach. Im Anschluss an die erste ProbewohnPhase werden die Ergebnisse ausgewertet. Im Frühjahr 2009 beginnt dann die zweite Probewohn-Phase.